Von Jürgen Fritz
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ So lautet Artikel 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Inwieweit haben wir diese Worte als Individuum und als Gesellschaft verinnerlicht, ja überhaupt auch nur verstanden, was sie bedeuten?
Postmodernes Banausentum
Wenn wir uns fragen, woran unsere Gesellschaft im Innersten krankt, was es ist, das unseren Untergang herbeizuführen droht , dann könnte man vieles aufzählen, doch im Kern scheint mir das Folgende zu stecken: Unsere Zeit ist geprägt von Individuen, die weder die Grundgedanken der Aufklärung noch die der Menschenrechte verstanden, geschweige denn internalisiert haben. Man könnte von einem postmodernen Banausentum sprechen, welches längst auch die Hochschulen, viele Wissenschaftler und natürlich nahezu alle Politiker ergriffen hat. In der Ökonomie war dieses Banausentum ohnehin immer dominant.
Die Menschenrechte sind nicht nur Rechte, sondern zugleich eine Verpflichtung
So ist beispielsweise völlig unverstanden, dass die Menschenrechte nicht nur das Recht bedeuten, sich auf diese berufen und sie für sich selbst in Anspruch nehmen zu können, sondern dass damit auch Pflichten verbunden sind. So zum Beispiel die Pflicht, diese Rechte bei dem anderen zu achten, denn meine Freiheit endet immer da, wo die des anderen beginnt.
Ferner die Pflicht, die nächste Generation zu just solchen aufgeklärten, menschenrechtsorientierten Wesen zu erziehen. Sie also nicht wie Tiere abzurichten und zu dressieren, sondern ihnen durch Erziehung ermöglichen, emanzipierte Wesen zu werden, die sich nicht von anderen blind lenken lassen, sondern zu solchen, die in freier Selbstbestimmung über ihr Leben und auch über das der Gesellschaft, in der sie leben, frei bestimmen, sich hierbei aber nicht vollkommen egoistisch verhalten, sondern über ihre Vernunftfähigkeit lernen, sich dem Allgemeinwohl zumindest partiell unterzuordnen.
Die Würde des Menschen
Genau dies macht erst die Würde des Menschen aus, der zentrale Begriff unserer Verfassung und der Menschenrechtserklärung von 1948, der wahrscheinlich von weit über 99 Prozent der Staatsbürger nicht annähernd verstanden ist. Würde bedeutet, die Fähigkeit, über sich selbst bestimmen zu können, dergestalt dass die eigenen Wünsche und Interessen von einem selbst einer kritischen Prüfung unterzogen werden.
Würde setzt also Kritikfähigkeit sich selbst gegenüber voraus. Genau das kann das Tier nicht und genau das unterscheidet den Menschen fundamental und kategorial von allen anderen bekannten Lebewesen und macht seine Würde erst aus: die Fähigkeit, sich selbst zu beurteilen und das heißt immer auch: sich selbst zu verurteilen und zu sich selbst zu sagen: „So, wie du gerade bist, ist es nicht gut. Du musst dich ändern.“
Das göttliche Moment in uns
Um dieses „Du musst dich ändern“ sagen zu können, braucht es Urteilsvermögen und braucht es Phantasie, einen Entwurf von sich zu ersinnen, wie man sein möchte. Dazu ist kein anderes Wesen fähig. Nicht einmal die Götter, von denen uns die Mythen und Religionen erzählen, sind dazu imstande, sich selbst zu kritisieren und einen Entwurf von sich zu machen, wie sie sein möchten. Gleichwohl könnte man dies das göttliche Moment in uns nennen, weil wir durch diese Gabe befähigt werden, Schöpfer unserer selbst zu werden. Doch dazu, Schöpfer und zugleich Geschöpf zu sein, müssen wir zuerst befähigt werden durch Erziehung, dazu müssen wir herangeführt werden.
Wünsche und Ziele zweiter Ordnung
Dies wiederum setzt ein Gewissen voraus und just dieses ermöglicht etwas, was wir Wünsche und Ziele zweiter Ordnung oder Meta-Wünsche/-ziele nennen können. So können wir beispielsweise den Meta-Wunsch entwickeln, mehr Sport zu treiben oder ein Musikinstrument zu erlernen oder weniger aufbrausend zu sein, geduldiger, großzügiger, gütiger usw. Meta-Wünsche beziehen sich also nicht auf etwas, was wir haben wollen, sondern beziehen sich auf unsere Wünsche erster Ordnung.
Giovanni Pico della Mirandolas Grundlegung des Würde-Begriffs
Einer der ersten, der dies beschrieb, und damit den Würde-Begriff vorbereitete, war Giovanni Pico della Mirandola, der mit seiner Rede „Über die Würde des Menschen“ von 1486 oftmals als Ahnherr der Menschenwürde angesehen wird. In der Tat war es Pico, der das entscheidende anthropologische Element ins Zentrum gerückt hat: die Offenheit jedes einzelnen Menschen für seine jeweils durch ihn selbst zu verantwortende Entwicklung.
Der Mensch kann entsprechend seiner eigenen Wahl und seines eigenen Verhaltens zu einem Tier herabsinken oder zu einem Gott hochsteigen. In einer fiktiven Rede lässt Pico Gott Folgendes zum Menschen sagen:
„Weder haben wir dich himmlisch noch irdisch, weder sterblich noch unsterblich geschaffen, damit du wie dein eigener, in Ehre frei entscheidender, schöpferischer Bildhauer dich selbst zu der Gestalt ausformst, die du bevorzugst. Du kannst zum Niedrigen, zum Tierischen entarten; du kannst aber auch zum Höheren, zum Göttlichen wiedergeboren werden, wenn dein Wille es beschließt“.
Der Mensch als schöpferischer Bildhauer seiner selbst. Das ist der entscheidende Gedanke. Das ist es, was den Menschen zum Menschen macht. Es wird 300 Jahre später Immanuel Kant sein, der den Würde-Begriff dann in aller Klarheit herausarbeitet und ihn von jeder äußeren Legitimation befreit. Würde, so macht Kant klar, bedeutet die Fähigkeit zur Selbstgesetzgebung, bedeutet Autonomie.
Erziehung zur Autonomie
All dies ist von nahezu allen entscheidenden Akteuren völlig unverstanden. Insbesondere scheint ihnen völlig unklar zu sein, dass Menschen zur Freiheit und zur Autonomie erst befähigt werden müssen und dass dies ein sehr langwieriger und schwerer Weg ist, dessen Ergebnis zudem immer kontingent bleibt.
Selbst wenn man alle möglichen Anstrengungen unternimmt und alles richtig macht, stellt dies keine Garantie dar, dass es bei jedem einzelnen gelingt, ihn zu einem autonomen, verantwortungsbewussten, zivilisierten und für die Gesellschaft wertvollen Wesen zu erziehen, welches a) zur Freiheit und Eigenverantwortung fähig ist, welches b) die Menschenrechte anderer achtet und c) neben der Selbstverwirklichung auch das Gemeinwohl nicht aus den Augen verliert und versucht, beides so gut als möglich in Einklang zu bringen und d) die nächste Generation wiederum entsprechend erzieht, mit dem Ziel, dass jede Generation diesem hohen, nie ganz zu erreichenden Ideal immer ein bisschen näher kommt.
Warum Massenimmigration von Kulturfremden tödlich sein kann
Geschöpfe aber aus anderen Kulturkreisen massenweise immigrieren zu lassen, die in aufklärungs- und menschenrechtsfernen oder gar aufklärungs- und menschenrechtsfeindlichen Kulturen erzogen und sozialisiert wurden, die also auf ein Leben als autonomes Wesen in keiner Weise vorbereitet worden sind, ist daher in höchstem Maße selbstzerstörerisch, weil hierdurch die Grundlagen der Aufklärung und des Menschenrechtsdenkens in der Gesellschaft vollkommen abgegraben werden. Dies zeigt sich dann beispielsweise in den Kriminalitätsraten, aber nicht nur da. Das Ganze geht viel tiefer.
Die Immigranten aus der afrikanischen und arabisch-islamischen Welt stehen der Aufklärung, dem kritischen Denken und den Menschenrechten weitgehend fremd gegenüber. Was sie jedoch sehr schnell rauskriegen, ist, wie sie hieraus Forderungen für sich selbst ableiten können. Wie sie daraus persönliches Kapital schlagen können. Sie verachten oftmals im Grunde dieses ganze Denken oder sind damit zumindest völlig überfordert, dies zu übernehmen, weil sie darin nicht groß geworden sind. Aber sie nutzen es gnadenlos für sich selbst aus, was aus ihrer Sicht unter rein egoistischem Gesichtspunkt durchaus nicht irrational ist. Aus Sicht der praktischen Vernunft (Ethik) sieht das natürlich anders aus. Sie verhalten sich vielfach parasitär und damit natürlich nicht gerade moralisch einwandfrei.
Nicht wenige Muslime wollen dieses ganze System sogar zerstören, von dem sie selbst aber ungemein profitieren, und würden auf lange Sicht gerne ihre eigene Weltanschauung durchsetzen, in der für Aufklärung und kritisches Denken wenig Raum ist.
Die fehlende Wehrhaftigkeit des Westens
Dies alles ist aber nur möglich, weil es auf unserer eigenen Seite so eine große Schwächlichkeit gibt. Diese zeigt sich darin, dass es unter den fast 83 Millionen Einwohnern Deutschlands (davon nur noch gut 64 Millionen Ursprungs-Deutsche) immer weniger Personen gibt, die bereit sind für die Werte der Aufklärung und für die Bewahrung der Menschenrechte zu kämpfen. Was man niemals richtig internalisiert, was man niemals richtig verinnerlicht hat, das kann man auch nicht lieben, das kann man nicht wertschätzen. Und was man nicht liebt und nicht wertschätzt, das ist man auch nicht bereit zu verteidigen und dafür zu kämpfen.
Verkümmerte Seelen – verkümmerte Menschen
Offensichtlich haben die hegemonialen Herrschaftskreise es in den letzten Jahrzehnten geschafft, Geschöpfe heranzuzüchten, denen außer an persönlichem Konsum, außer an persönlicher Bedürfnisbefriedigung, ihrer Ruhe und ihrem Frieden an nichts wirklich viel liegt. Geschöpfe, die das eigene gesellschaftliche System, die eigene Kultur sowohl historisch als auch staatstheoretisch, ökonomisch und ethisch nicht wirklich verstehen und denen auch nichts daran liegt, es zu begreifen. Geschöpfe, deren Seelen regelrecht verkümmert sind, vor allem ihr thymotischer Seelenteil (Selbstachtung, Selbstbewusstsein, Mut, Stolz, Wehrhaftigkeit, Ehrgeiz, Anspruch), aber immer mehr auch ihr Logos, ihre Vernunftfähigkeit und Wahrheitsorientierung.
Übrig bleibt mehr und mehr nur der Konsument (erotische Fixierung auf Bedürfnisbefriedigung und Lustgewinn) und die brave Arbeitsameise, welche immer unfähiger wird, ein selbstbewusster, souveräner Staatsbürger zu sein, der sein eigenes Leben in die Hand nimmt, sich selbst nach seinem Ideal formt und die Geschicke der Gesellschaft versucht, so gut er kann mitzulenken und Verantwortung mit zu übernehmen.
Und genau diese Entwicklung dürfte auch gewollt sein. Von wem gewollt? Von denen, die diese Geschöpfe beherrschen und lenken. Und anderen kommt diese Unfähigkeit entgegen: denen, die in diesen verkümmerten Geschöpfen eine fette, wehrlose, weil widerstandsunfähige (verkümmerter thymotischer Seelenteil) Beute sehen, die leicht zu erlegen oder zu unterwerfen und zu beherrschen ist.
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Foto: Pixabay, CC0 Public Domain
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Sabrina
Vielen Dank, lieber Herr Fritz, für die Darlegung dieser fundierten und sehr wahren Kerngedanken zu der eigentlich menschlichen Bestimmung nach Wahr-Nehmung seiner aus den richtig verstandenen Menschenrechten und -Pflichten sich ergebenden Aufforderungs-Impulse zur ständigen individuellen Weiterentwicklung seines thymotischen Seelenanteils, nebst der damit verbundenen sozialen Verpflichtung für die Nächsten, die Gemeinschaft, und letztlich ein persönlicher Beitrag für eine bessere Welt!
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