Gevatter Elitz, Sie wären besser ruhig gewesen

Ein Gastbeitrag von Michael Klonovsky

Eine in die Jahre gekommene journalistische Betriebsnudel der Bundesrepublik, die meiste Zeit per GEZ alimeniert und also auf das Apportieren gewünschter Artikel dressiert, holt nun ausgerechnet bei Cicero Stöckchen und lässt sich über die „Gemeinsame Erklärung“ aus.

Es tröpfelt doch nur noch – Was sind schon 15.000 Migranten pro Monat?

Ernst Elitz heißt der alte weiße Mann. Er lobt Rüdiger Safranski dafür, dass der „klug genug“ gewesen sei, „seine Gedanken nur dem ‚Spiegel‘ aufs Band zu diktieren“, während Uwe Tellkamp sich „zum Bannerträger“ der besagten Erklärung „küren“ ließ. Allein an der erlesenen Wortwahl merken Sie, dass Sie es mit einem Qualitätsjournalisten zu tun haben. Dass es sich beim Erstunterzeichnen eines Textes, der in jedem Fall denunziert werden würde, mit oft bis ins Berufs- und Privatleben des Unterzeichners reichenden Konsequenzen, kaum um eine Kür und fast ausschließlich um eine Frage der Traute handeln könnte, ein solcher Gedanke rappelt nimmermehr durch ein Köpfchen, dessen Träger u.a. bei Zeit, Spiegel, Bild, ZDF und Deutschlandradio diente und folgsam entlang der Leuchtstreifen am Boden sogar kommentierte.

Wie alle Welt weiß, gehört zur Qualitätspresse symbiotisch der Wahrheitsjournalismus. Diesem wie jener verpflichtet, erklärt der Herr Elitz sogleich, warum es dumm war von Tellkamp, diese Erklärung zu unterschreiben. Nämlich: „Wo sind eigentlich die friedlichen Demonstranten, denen die Unterzeichner ihre Solidarität aussprechen?“ Gut, man verlegt mal seine Brille, kann passieren, aber Hamburg, Kandel, Cottbus, Berlin, Dresden zugleich zu übersehen, dafür muss einer sein Schieleisen schon dem Osterhasen anvertraut haben. Zumal unser Huschelchen praktisch im gleichen Atemzug Matthias Matusseks Auftritt auf der Hamburger Anti-Merkel-Demo erwähnt. Aber egal, denn, fährt Gevatter Elitz fort, es seien „inzwischen nun wirklich keine Massen mehr, die über die deutsche Grenze tröpfeln“. Die ganze Erklärung richtet sich quasi ins Leere; nur diese Unterzeichnerdeppen merken es nicht.

Nach Angaben des BND – ich habe es hier schon mehrfach zitiert, aber „das Beste, das du wissen kannst/musst du den Eseln dreimal sagen“ – werden derzeit über die wieder offene Balkanroute monatlich 15.000 Migranten nach Deutschland geschleust. In welche Höhen diese Zahl steigen wird, wenn das Wetter erst besser geworden ist, mag einstweilen jeder selbst überschlagen. Zudem hängt über diesem Land das Damoklesschwert des Familiennachzugs, immer in Rechnung gestellt, welche Größenordnung orientalische Familien zu erreichen pflegen. Es kommt also im Jahr eine Stadt der Größe (wenn auch nicht ganz der Schönheit) von Braunschweig oder Oberhausen zu uns. Das nennt der alte Herr, der eigentlich wissen müsste, was das ist, „tröpfeln“.

Nein, Gauland ist nicht dabei (Bachmann auch nicht) und es können keine Listen hineinkopiert werden

Die Liste der Unterzeichner erscheint unserem Stotterstrahlkundigen „auf den ersten Blick wie ein großes Abiturtreffen, denn es wimmelt nur so von Doktores, Erfindern, Schriftstellern und Ganz- oder Halbakademikern, von kleinen und großen Gaulands etc.“ – also Menschen, die nicht den Durchblick eines Journalisten, einer Liane Bednarz oder eines Ernst Elitz haben. Die „Gaulands“ wimmeln unter den 2018 veröffentlichten Unterzeichnern übrigens gerade nicht, kein einziger Abgeordneter ist darunter; raten Sie mal, warum nicht.

„In die Unterzeichnerliste können Pegida, AfD und jede andere Sekte ihren Mitgliederstamm umstandslos hineinkopieren“, faselt unser Dadderich fidel fort. Können sie nicht, denn jeder Unterzeichner muss sich separat anmelden und seine Unterschrift noch einmal bestätigen. Nix kopieren, kapiert? Darüber hinaus kann jeder eine Petition unterzeichnen, dafür ist sie ja da, so wie auch jeder, sofern er Staatsbürger ist, wählen gehen kann. Nennt sich demokratische Willensbildung oder so. Ist aber in jüngster Zeit nicht besonders populär bei den Staatsmedien.

Über Vera Lengsfeld, die Initiatorin der Erklärung, notiert der plötzlich ins Unmanierliche abschwirrende Herr: „Wer ist die Frau, die Tellkamp dermaßen ins Unglück reitet? Keiner möchte mit ihr teilen.“ Er wollte vermutlich „tauschen“ schreiben, ist aber eh wurst. Tatsächlich möchten Abertausende ihre Meinung mit Frau Lengsfeld teilen, aber niemand mit einem Verwirrten wie Elitz tauschen. Der Arme sieht ja in seinen Wahnbildern nicht nur Frau Lengsfeld einen ehedem unbescholtenen Schriftsteller zuschanden reiten, sondern: „Tellkamp, der als befremdeter Bürger zu Bett ging, wacht am nächsten Morgen zwar nicht als Käfer wie Gregor Samsa, aber dafür neben Lutz Bachman auf.“ Ja, wer da die Wahl hätte! Haben Sie, Ernst Samsa, schon mal darüber meditiert, wie es wäre, nicht neben, sondern als Lutz Bachmann aufzuwachen, ob nun neben Tellkamp oder Frau Bachmann? (Bachmann, das nur am Rande, gehört nicht zu den Unterzeichnern der Erklärung.)

Intellektuelle Debatte führen – mit wem denn?

Nachdem sich unser Geisterseher bis hierher in den Sinnsalat geritten hat, folgt sein Resümee. „Was als konservatives Aufbegehren begann, sogar als Wortmeldung konservativer Intellektueller für eine überfällige Debatte jenseits lähmender politischer Korrektheit gedeutet werden konnte, ist im Getümmel wutschnaubender Mitbürger gelandet und hat der Petition damit jedes Gewicht genommen – trotz eilig nachgeschobener Forderung, eine prominente Kommission einzusetzen, die nach Wegen contra ‚Kontrollverlust‘ und pro ‚wirksame Hilfe für tatsächlich politisch Verfolgte‘ suchen soll. Eine Chance zur intellektuellen Debatte wurde vertan.“

Die Leute unterzeichnen mit Namen und Beruf, es gibt ihrerseits keine weitere Äußerung, doch der arme Faselhans sieht „ein Getümmel wutschnaubender Mitbürger“. Wahrscheinlich handelt es sich um ein spätes ZDF-Syndrom, er könnte es mit einer Klage versuchen. Aber die werden ihm sagen, dass er das öffentlich-rechtliche Muster – Tatsachen leugnen, Denunzieren, Beifall von der falschen Seite beschwören, spalten – noch viel zu routiniert abspult, um wirklich als närrisch gelten zu können. Dass die Petition an Gewicht verliert, nachdem heute die 50.000- und bald die 100.000-Unterzeichner-Marke überschritten sein wird, ist nur logisch; spätestens bei einer halben Million wird sie schwerelos sein. Aber mit wem hätte die „intellektuelle Debatte“ geführt werden sollen? Mit Prantl? Augstein? Kleber? Kässmann? Der Elitz hat’s einfach, der kann sie mit sich selber führen, und im Gegensatz zu seinem Publikum unterhält er sich dabei offenbar blendend. Hélas!

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Dieser Text erschien zuerst auf dem sehr empfehlenswerten Blog von Michael Klonovsky Acta diurna, der nur so vor Gedanken, Ein- und Quersichten sprüht. Sollten Sie sich unbedingt öfters ansehen. Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des geschätzten Autors und Blogbetreibers.

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Zum Autor: Michael Klonovsky, 1962 im Erzgebirge geboren, ist Romanautor und PublizistAufgewachsen in Ostberlin. Maurerlehre. Abitur. Seit 1990 Journalist. “Wächterpreis der Tagespresse” für die „Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen durch die DDR-Justiz und den Staatssicherheitsdienst“. 1992: Wechsel zum Focus, zunächst als Redakteur, später als Chef vom Dienst bzw. Textchef, Leiter des Debattenressorts, sodann als Autor. Am 31. Mai 2016 endete die Ehe mit Focus, die Partner hatten sich auseinandergelebt. Von Juni 2016 bis Anfang 2017 war er parteiloser Berater von Frauke Petry, von Juni bis November 2017 Sprecher der von Jörg Meuthen geführten Landtagsfraktion der AfD Baden-Württemberg. Michael Klonovsky ist Autor mehrerer Bücher.

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Titebild: YouTube-Screenshot von Ernst Elitz

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15 Antworten auf „Gevatter Elitz, Sie wären besser ruhig gewesen

  1. bibinka

    Dem Typ habe ich erst mal ne Mail geschickt, und ihn gefragt warum er sich wie ein Nazi verhält, und ob er nicht wüsste das Hitler mit dem Islam packtierte, und wer jetzt mit dem Islam packtiert? Welche Parallelen man wohl ziehen könnte!?
    Und ich habe ihm gewünscht, dass ihm all das passiert, was nach seiner Meinung nicht existent ist, und zwar von ganzem Herzen!

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    1. Heidrun Keck

      Das ist zwar richtig, lieber trumpelman, jedoch bedürfen leider trotzdem nicht wenige Bürger (um überhaupt (um)denken zu können) der Aufklärung über das, welches sie ohne logische Denkweise (und ohne, dass sie mit der Nase darauf gestoßen werden oder wären) überhaupt nicht wahrnehmen würden.
      Da muss auch schon mal ein wenig schwarzer Humor erlaubt sein… 😉
      Es gibt keinen sarkastischeren Humor – deshab ist er ja so gut!
      Ist englisch – und englisch ist modern… 😀

      Es muss schon manches vereinfacht und verständlich dargelegt werden, um etwas (oder gar ein Umdenken) zu erreichen.

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  2. oldman_2

    Herrlicher Text, wie immer von Herrn Klonovsky. Brillant. Und ich bereue nicht, bei den ersten 2018 unterschrieben zu haben.

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  3. Heidrun Keck

    Gäbe es hier einen Button, der mich in die Lage versetzte, einfach nur Zustimmung zu einem Beitrag auszudrücken, so würde ich ihn auf der Stelle drücken!

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  4. Bloggich

    Herrlich geschrieben, so richtig leicht wird hier der Spiegel hochgehalten. Mir gefällt’s, denn seit einiger Zeit könnte einem bei diesen Herrn wie Elitz glatt das Lachen vergehen, vor allem dann wenn ich an die Zukunft meiner Kinder in D. denke.

    Im Übrigen, die 15000 summieren sich, hinzuzurechnen sind sicher noch die Flugzeugtransporte und Flixbusse für den Familiennachzug…und wer weiß wofür noch.

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  5. eta

    Elitz, ein adulanter Tintenstümper, der in maßlos huldvoller Überheblichkeit seine Deutungshoheit über andere Menschen erbricht. Ein Schreibbüttel:
    Ich schreibe stets in dessen Interesse,
    aus wessen Trog ich täglich fresse.
    Geh in den Wald und nimm dein rostiges Horn mit, es kommen nur noch Mißtöne raus. Oder besser noch: Misttöne.

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    1. Heidrun Keck

      Interessant! Freue mich, ein für mich neues, und für gewisse Klassifizierungen sehr gut einsetzbares und sehr passendes Wort gefunden zu haben! 😉

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  6. Jule

    Wie ruhig … denn noch ?
    Wer den BND von wessen Gnaden … leitete ist bekannt ( R.Gehlen). Ein Nazi vor dem Führer …
    Er war bis Anfang der 70iger Chef des CI -ähm … BND …

    Ich weiß gar nicht mehr wohin … – mit all dem politischen und ideologischen DRECK !

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    1. Heidrun Keck

      Du hast sowas von recht, liebe Jule!

      Und…ich weiß es auch nicht!

      Man kann nur hoffen, dass jeder seine Einstellung genauestens und stets aufs Neue überprüft (und damit festigt), spendet, seine Meinung unerschrocken kundtut und alles, was der guten Sache dient, sachlich und trotzdem aufrüttelnd weiter verbreitet.

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  8. Andres

    In diesem Artikel findet sich deutlich mehr „Wutschnauben“ eines überheblichen, alten, weißen Mannes, als es dies jemals bei einer Demonstration gegen die deutschen- und deutschlandfeindliche Politik in diesem Land zum Ausdruck kam – sofern man die Gegen“demos“ der neuen SA mal außer Acht lässt.

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