Von Jürgen Fritz, Mi. 11 Dez 2024, Titelbild: Video-Screenshot
„Der Correctiv-Zug entgleist immer weiter, die Correctiv-Legende zum Potsdam-Treffen kollabiert“, schreibt Rechtsanwalt Carsten Brennecke. Und weiter: „Heute hat sich Beatrix von Storch vor dem Landgericht Berlin erfolgreich gegen Correctiv verteidigt. Sie darf weiter behaupten, Correctiv verbreite dreckige Lügen.“ Doch der Reihe nach.
Beatrix von Storch darf weiter von „dreckigen Correctiv-Lügen“ reden
Fangen wir zunächst hinten an, weil das heute so aktuell ist und rollen die Geschichte dann von vorne auf. Also heute hat sich Beatrix von Storch vor dem Landgericht Berlin erfolgreich gegen Correctiv verteidigt. Sie darf – das hat Correctiv selbst bestätigt – laut Landgericht Berlin weiter behaupten, Correctiv verbreite dreckige Lügen: Den zugehörigen Tweet hat die stellvertretende Chefredakteurin von Correctiv Anette Dowideit zunächst eingestellt, dann schnell wieder gelöscht. So sah er aus:

Später hat Anette Dowideit den Text wieder eingestellt und geschrieben:
„Den ersten Tweet dazu von heute Nachmittag habe ich offenbar versehentlich gelöscht, daher hier noch mal.“
Den Sieg von Frau von Storch erklärte ihr Anwalt Dr. Christian Wirth wie folgt: Correctiv habe sich mit der Potsdam-Geschichte auf die Ebene des politischen Meinungskampfes begeben. Das sei eben kein klassischer Journalismus. Das habe das Gericht genau so erkannt. Und wer sich in diesen politische Meinungskampf begeben, der müsse auch ein bisschen härtere Äußerungen ertragen. Das sei im Rahmen der Meinungsfreiheit (Recht auf freie Meinungsäußerung, Redefreiheit) gedeckt. Man dürfe weiter Correctiv-Lüge sagen.
Das, was Correctiv da am 10.01.2024 unter dem Titel „Geheimplan gegen Deutschland“ zu dem Potsdam-Treffen abgeliefert hat, habe also gar nichts mit klassischem Journalismus zu tun, hat das Landgericht Berlin entschieden. Das müssen Sie sich bitte auf der Zunge zergehen lassen. Dieser Text, der mit einem Journalistenpreis ausgezeichnet wurde, hat mit klassischem Journalismus gar nichts zu tun. Das war ein Text, in dem politischer Meinungskampf betrieben wurde, getarnt als Journalismus. So also der aktuelle Stand. Doch gehen wir jetzt zurück. Was ist da eigentlich passiert?
Landgericht Hamburg verbietet dem ZDF mit einstweiliger Verfügung die Verbreitung von falschen Behauptungen
Rechtsanwalt Carsten Brennecke schrieb hierzu bereits am 5. November 2024:
»Keine Zeit für Recherche – so rechtfertigt das ZDF die falsche Correctiv-Berichterstattung
Am Mittwochabend des 10.01.2024 erfuhren die Zuschauer des heute journal im ZDF von aufsehenerregenden Rechercheergebnissen zum Potsdam-Treffen. Correctiv hatte morgens einen Bericht über ein Treffen von Unternehmern, Politikern und politischen Aktivisten in Potsdam veröffentlicht. Tagesaktuell sendete das Nachrichten-Flagschiff des ZDF, das heutejournal, einen Beitrag zum Thema. Darin erfuhren die Zuschauer, in Potsdam sei die „Deportation von Millionen Menschen auch mit deutscher Staatsbürgerschaft“ geplant worden. Außerdem sei es dort um die Idee gegangen, Millionen Menschen „abzuschieben“, „auch solche mit deutschem Pass“.
Bericht zu Deportationsplänen verboten
Doch diese Aussagen waren falsch! Das hat nun das Landgericht Hamburg festgestellt und dem ZDF mit einstweiliger Verfügung (n.rk.) die falschen Behauptungen verboten. Die heute journal-Redaktion des ZDF ging dabei den nebulösen Wertungen des Correctiv-Berichts auf den Leim, dass es in Potsdam um die Abschiebung von deutschen Staatsbürgern gegangen sei. Damit ist das ZDF nicht allein, denn anderen Presseorganisationen unterliefen im Überbietungswettbewerb um die angsteinflößendste Schlagzeile zum Potsdam-Treffen ähnlich grobe journalistische Fehler, die von diversen Gerichten verboten wurden. Ein erheblicher Schaden entstand dabei den Teilnehmern des Treffens, die sich zwar gegen die falschen Darstellungen und Berichterstattungen in zahlreichen Verfahren erfolgreich vor Gericht wehrten, aber bis heute um ihren Ruf kämpfen.
ZDF meint vor Gericht, es sei dem Zeitdruck nicht gewachsen nachzurecherchieren
ZDF ignorierte Gerichtsentscheidungen
Auf die Idee, die Teilnehmer des Potsdam-Treffens vor einer derart reißerischen Berichterstattung anzuhören, um die irreführenden Wertungen von Correctiv nachzurecherchieren, kam das ZDF nicht. Jedenfalls bei Dr. Ulrich Vosgerau (CDU) meldete sich vor der reichweitenstarken Berichterstattung des heute journal niemand. Das ist bereits ein journalistisches Versagen, aber auch nachträglich kam das ZDF seiner journalistischen Sorgfaltspflicht nicht nach: Das ZDF ignorierte über zehn Monate lang die aktuellen Entwicklungen rund um das Potsdam-Treffen. Obwohl Ulrich Vosgerau seit Monaten gegenüber Dritten identische Falschdarstellungen gerichtlich verbieten ließ, verbreitete das ZDF seinen falschen Bericht online weiter. Dieses eklatante Fehlverhalten kritisierte das Landgericht Hamburg daher zusätzlich in seiner Verbotsbegründung.
ZDF ist Zeitdruck nicht gewachsen
Aberwitzig war außerdem die Strategie der Verteidigung. Vor Gericht argumentierte das ZDF, dass ihm „im Rahmen der tagesaktuellen Berichterstattung eigene Nachrecherchen aus Zeitgründen in aller Regel nicht möglich seien“. Dieser naive Einwand ist besonders bemerkenswert, da es mühelos möglich gewesen wäre, Teilnehmer wie Dr. Vosgerau kurzfristig per E-Mail oder telefonisch zu befragen. Man hatte also beim ZDF offensichtlich kein Interesse daran, die reißerischen Wertungen von Correctiv kritisch zu hinterfragen.
Ich empfehle dem ZDF dringend, einen Blick in den Pressekodex zu werfen. Darin heißt es: „Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.“ Wenn sich die Hauptnachrichtensendung des ZDF, das heute journal, nicht in der Lage sieht, den Wahrheitsgehalt tagesaktueller Berichte über eine eigene Recherche zu überprüfen, ist dies eine Bankrotterklärung und beschädigt das Ansehen des ohnehin angeschlagenen ÖRR zusätzlich.«
Soweit Rechtsanwalt Brennecke.
Übermedien: Correctiv-Text ist misslungen, das Correctiv-Verhalten nach der Veröffentlichung fragwürdig, die Berichterstattung vieler Medien eine Katastrophe
Scharfe Kritik an der Arbeitsweise von Correctiv und all den Medien, die diesem „Bericht“ völlig unkritisch auf den Leim gingen und darauf aufbauend Falschmeldung auf Falschmeldung produzierten, übten auch Christoph Kucklick, Stefan Niggemeier und Felix W. Zimmermann in Übermedien. Ich zitiere aus ihrem Artikel vom 30. Juli 2024:
»Der Bericht über ein Treffen von Konservativen und Rechtsextremen in Potsdam hatte Anfang des Jahres wochenlange Proteste von Hunderttausenden Menschen gegen die dort angeblich geschmiedeten Pläne ausgelöst. (…) zeigte sich nur wenige Tage später, als ein Gericht dem NDR vorläufig Teile eines „Tagesschau“-Artikels untersagte, der sich auf die Correctiv-Berichterstattung bezog. Kurz vor der Preisverleihung hatte Correctiv selbst eine juristische Auseinandersetzung verloren, ausgerechnet gegen das rechte Wutmedium „Nius“ … Längst ist offenkundig, wie problematisch die Correctiv-Berichterstattung und ihre Rezeption sind. Und wie sehr gleichzeitig in weiten Teilen der seriösen Presse eine kritische Auseinandersetzung damit fehlt. (…)
Richtig ist: Der Text ist misslungen, das Verhalten von Correctiv nach der Veröffentlichung fragwürdig und die Berichterstattung vieler Medien eine Katastrophe. (…) Und das Schlimmste: Correctiv erzeugt eine systematische Unsicherheit über das, was eigentlich die Aussage des Artikels ist und worin der Skandal von Potsdam besteht.
Correctiv arbeitet mit Suggestionen und fasst im Ergebnis etwas zusammen, was von den vorherigen Ausführungen gar nicht getragen ist
(…) die Erzählung von Correctiv ging weit darüber hinaus. Sie suggerierte, dass in Potsdam gemeinsam die Vertreibung von Millionen Menschen nach rassistischen Kriterien inklusive der Ausweisung auch deutscher Staatsbürger geplant wurde. Das will Correctiv aber gar nicht gemeint haben, wie das Recherchekollektiv inzwischen sogar vor Gericht zu Protokoll gegeben hat. Der Text behauptet also Dinge, die er nicht behauptet – man muss es so merkwürdig sagen. (…)
Wenig Handfestes – Den Gedanken einer „Deportation“ deutscher Staatsbürger schmuggelt Correctiv über eine Spekulationskaskade in den Bericht: „Was Sellner entwirft, erinnert an eine alte Idee: 1940 planten die Nationalsozialisten, vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Unklar ist, ob Sellner die historische Parallele im Kopf hat. Womöglich ist es auch Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen gewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten.“ – Erinnert, unklar, womöglich, Zufall – dieser Absatz würde in jedem Redigierseminar ersatzlos gestrichen. Die Assoziation, die er erzeugt, blieb trotzdem hängen.
Die Reporter von Correctiv versprechen zwar, die Zusammenkunft in Potsdam „genau zu rekonstruieren“. Nur ist kaum etwas an dem Text genau. Zu den vielen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten gehören auch die Spekulationen, was Correctiv eigentlich wirklich über das Treffen weiß. Viele Passagen wirken, als habe ein Reporter vor dem Tagungsraum gesessen und notiert, was hinauswehte, wann immer die Tür aufging. Sellner, die Hauptfigur des Treffens, wird nur ein einziges Mal mit einem vollständigen Satz zitiert. Der Rest: Versatzstücke.
Das Stück erzeugt, was ein guter journalistischer Text unbedingt vermeiden sollte: Es sät beständig Zweifel an sich selbst. Bei jeder erneuten Lektüre möchte man wieder bei Correctiv anrufen und nachfragen, was denn tatsächlich gesagt wurde, was denn wirklich los war. (…) Das Prinzip Nichtbeleg und Großdeutung durchzieht den gesamten Text. (…) Besonders problematisch wird die Kombination aus Nichtbeleg und Großdeutung, wenn es um den massivsten Vorwurf im Bericht geht, nämlich die vermeintliche Ausweisung deutscher Staatsbürger. (…) Die Recherche fasst also im Ergebnis etwas zusammen, was von den vorherigen Ausführungen nicht getragen ist.
Vor Gericht stellt Correctiv selbst klar, dass die Teilnehmer gar nicht über eine rechtswidrige Verbringung deutscher Staatsbürger gesprochen haben
Und es wird noch verrückter: In einem der zahlreichen Gerichtsverfahren hat Correctiv sogar klargestellt, dass es „zutreffend“ sei, dass „die Teilnehmer*innen nicht über eine rechts-, insbesondere grundgesetzwidrige Verbringung oder Deportation deutscher Staatsbürger gesprochen haben“. Wer von den vielen Leuten, die alarmiert durch die Berichterstattung auf die Straße gegangen sind, weiß, dass Correctiv gar nicht über „Deportationspläne“ berichtet haben will? Wer von ihnen weiß, dass Correctiv vor Gericht sogar ausdrücklich festgestellt hat, solche Pläne seien nicht besprochen worden?
Stattdessen bekamen manche den Eindruck, dass womöglich alsbald Deutsche mit Migrationshintergrund des Landes verwiesen werden würden. (…) Hier zeigt sich ein Muster: Correctiv geht nicht gegen die Fehlinterpretation anderer Medien seiner Berichterstattung vor, wenn sie dem Kampf gegen die AfD und ihre konservativen und rechtsextremen Verbündeten dienen. Aber Correctiv zieht vor Gericht, wenn ein rechtes Medium (zutreffend) auf die Diskrepanz zwischen der Correctiv-Recherche und ihrer falschen Weitererzählung hinweist.«
Soweit Christoph Kucklick, Stefan Niggemeier und Felix W. Zimmermann in Übermedien.
Der neuen woken Linken ist jedes Mittel recht, um politische Gegner zu bekämpfen
Was hier passierte, ist folgendes. Der neuen woken Linken (nicht der klassischen Aufklärungslinken!) ist offensichtlich jedes Mittel recht, um die AfD zu bekämpfen und zu diskreditieren. Nun ist Kritik an der AfD natürlich nicht nur erlaubt und vollkommen legitim, sondern sogar geboten. Es gibt hier vieles, sehr vieles, was kritisch aufgegriffen und thematisiert werden sollte: die Russlandnähe der AfD, ihre Eiseskälte und völlig Empathielosigkeit gegenüber der vom faschistoid-imperialistischen angegriffenen Russland und in ihrer Existenz bedrohten Ukraine, welches sich und das freie Europa mit allen nur erdenklichen Kräften zu verteidigen sucht, das fragwürdige Verhältnis der AfD zu unserer Verfassung, zur freiheitlichen Demokratie, zu den universalen Menschenrechten usw. usf.
ABER: Auch gegenüber der AfD besteht – wie auch gegenüber anderen äußerst fragwürdige Parteien (BSW, mehrfach umbenannte SED etc.) – die Pflicht, a) wahrheitsgemäß, b) fair und sauber zu berichten und nicht Dinge völlig zu verzerren oder gar zu erfinden respektive im Leser ganz gezielt und mit vorsätzlicher Täuschungsabsicht einen völlig falschen Eindruck zu evozieren. Das sehen gewisse Personen offensichtlich vollkommen anders, die hier nach dem Grundsatz agieren: Der Zweck heiligt die Mittel. Nein, das tut er nicht!
Die Regeln des Rechtsstaates und der Fairness gelten für jeden, auch für unliebsame politische Gegner
Ich stimme überein, dass die AfD eine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische, menschenrechtsbasierte Demokratie darstellt und daher äußerst kritisch unter die Lupe genommen und politisch-inhaltlich gestellt und attackiert werden muss. Die AfD ist aber erstens nicht die einzige Partei, für die das gilt. Und zweitens gelten die universalen Menschenrechte, unsere Verfassung, die Gesetze und auch journalistische Grundsätze sowie der Pressekodex oder allgemein: elementare Regeln der Fairness für alle und nicht nur für die, die einem selbst sympathisch sind oder nahe stehen.
Wie es Correctiv, ARD, ZDF und viele andere der milliardenschweren zwar nicht vollständig, aber doch tiefgehend grün-rot-dunkelrot durchzogenen Massenmedien mit diesen elementaren Regeln der Wahrhaftigkeit und Fairness halten, darüber möge sich jeder selbst ein Urteil bilden. Die oben genannten Urteile und das, was ihnen zu Grunde lag, geben da ja ganz gute Hinweise. Wie neue woke Linke ihren Kulturkampf 2.0 führen und dabei die elementarsten Regeln der aufgeklärten Gesellschaft und der freiheitlichen Demokratie auszuhebeln versuchen, kann hier nachgelesen werden. Sehr seriös wirkt insbesondere Correctiv jedenfalls nicht gerade, um es sehr vorsichtig zu formulieren. Und dass die bisherige Correctiv-Co-Geschäftsführerin nun von heute auf morgen ins Wahlkampfteam der Grünen wechselt, passt hier – man muss es leider so sagen – voll und ganz ins Bild. Dazu in Kürze mehr.
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