Presseerklärung der StA Bamberg: ermittelt wird wegen Beleidigung und wegen Volksverhetzung

Von Jürgen Fritz, Fr. 15. Nov 2024, Titelbild: Screenshot der Presseerklärung der StA Bamberg

Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Bamberg gab heute folgende Presseerklärung zu dem Fall der „Beleidigung“ des Bundeswirtschafsministers Robert Habeck und der Hausdurchsuchung bei dem 64-Jährigen ab. Ermittelt werde zudem wegen des „Anfangsverdachts der Volksverhetzung“.

Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Bamberg vom 15.11.2024 (Hervorhebungen durch JFB)

»Beleidigung zu Lasten des Bundeswirtschaftsministers Dr. Habeck im Internet – Wohnungsdurchsuchung im Landkreis Haßberge

Bamberg / Lkr. Haßberge, 15.11.2024: Einem 64-jährigen Mann aus dem Landkreis Haßberge wird vorgeworfen, über das Internet den Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck beleidigt zu haben. Am 12.11.2024 erfolgte bei dem Beschuldigten eine Wohnungsdurchsuchung.

Dem Tatverdächtigen wird vorgeworfen, im Frühjahr / Sommer 2024 auf der Internetplattform „X“ eine Bilddatei hochgeladen zu haben, die eine Porträtaufnahme des Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck mit dem an den Werbeauftritt der Fa. Schwarzkopf angelehnten Schriftzug „Schwachkopf PROFESSIONAL“ zeigt. Durch Herrn Dr. Habeck wurde Strafantrag gestellt.

Wegen des Tatverdachts einer gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung gem. §§ 185, 188, 194 StGB erfolgte am vergangenen Dienstag, 12.11.2024, eine richterlich angeordnete Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten durch Polizeibeamte der Kriminalpolizei Schweinfurt. Hierbei konnte ein Tablet des Beschuldigten sichergestellt werden.

Es besteht weiterhin der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung gem. § 130 StGB, da dem 64-Jährigen darüber hinaus vorgeworfen wird, im Frühjahr 2024 auf der Internetplattform „X“ eine Bilddatei hochgeladen zu haben, auf der ein SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift „Deutsche kauft nicht bei Juden“ sowie u.a. der Zusatztext „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“ zu sehen ist.

Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet. Die weiteren Ermittlungen gegen den Beschuldigten werden durch die KPI Schweinfurt und die Staatsanwaltschaft Bamberg geführt.«

Persönliche Anmerkung zu dieser Presseerklärung

Wenn ich den Text der Staatsanwaltschaft richtig verstehe, erfolgte die Wohnungsdurchsuchung tatsächlich wegen des Verdachts der Beleidigung einer Personen des politischen Lebens gemäß § 188 StGB in Verbindung mit Beleidigung nach § 185 StGB und § 194 StGB (Strafantrag). Dass Robert Habeck einen Strafantrag stellte, wird explizit genannt. Das heißt, Habeck wollte ganz explizit, dass dieser Fall strafrechtlich verfolgt wird.

Zusätzlich wird auch wegen des »Anfangsverdachts der Volksverhetzung« nach § 130 StGB gegen den 64-jährigen Rentner ermittelt. Er habe auf X eine Bilddatei hochgeladen, auf der ein SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift „Deutsche kauft nicht bei Juden“ sowie u.a. der Zusatztext „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“ zu sehen sei. Mag sein, dass ich diesen Textabschnitt falsch verstehe, aber für mich klingt dies nicht danach, dass der Rentner gegen Juden hetzte, zum Hass gegen sie aufstachelte, zu Gewaltmaßnahmen gegen Juden aufforderte oder dass er Juden beschimpfte, sie böswillig verächtlich machte oder verleumdete.

Für mich klingt das genau im Gegenteil eher so, dass er auf eine in seinen Augen reale Gefahr aufmerksam machen wollte, dass er Parallelen von damals zu heute sah und vor genau dieser Entwicklung warnte. Mag sein, dass ich diese doch ziemlich nebulös formulierte Textpassage falsch verstehe. Um das zu beurteilen, müsste man das von Niehoff hochgeladene Bild, den Text dazu sowie den Kontext, in dem er dies einstellte, sehen. Auf den ersten Blick aber wirkt diese Darstellung der Staatsanwaltschaft doch etwas befremdlich und wirft weitere Fragen auf. Und dieser „Anfangsverdacht der Volksverhetzung“ (§ 130 StGB) wird auch nicht als Grund für die Wohnungsdurchsuchung angegeben, sondern die angebliche „Beleidigung gegen eine Person des politischen Lebens“ (§§ 185, 188, 194 StGB).

Weitere Kommentare zu dem Fall

Zara Riffler, NIUS: »Wer als Journalist diese PM einer Staatsanwaltschaft nicht richtig lesen und deuten kann, sollte dringend den Beruf wechseln. Die Hausdurchsuchung erfolgte allein wegen des „Schwachkopf“-Begriffes über Habeck, der den Strafantrag stellte. Und die vorgeworfene „Volksverhetzung“ wegen abwegigen historischen Vergleichen ist in den nachweisbaren Kontexten auch fragwürdig…«

Prof. Dr. jur. Arnd Diringer, Leiter der Forschungsstelle Arbeitsrecht an der HS Ludwigsburg: »Was bei der „Schwachkopf-Hausdurchsuchung“ feststeht: 1. Habeck hat einen Strafantrag gestellt. Das hat die Staatsanwaltschaft bestätigt. 2. Die Hausdurchsuchung wurde ausschließlich wegen einer gegen Personen des politischen Lebens gerichteten Beleidigung gem. §§ 185, 188, 194 StGB durchgeführt. Nicht wegen irgendeines anderen Delikts! Das ergibt sich eindeutig aus den Gründen des Beschlusses und wurde durch die Staatsanwaltschaft in der Pressemitteilung bestätigt. Dass Menschen mit sehr geringer Lesekompetenz die Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der Pressmitteilung nicht erfassen, ändert nichts an dem unter Ziffer 2 Ausgeführten. Auch dass die Wohnungsdurchsuchung „im Zusammenhang mit einem bundesweiten Aktionstag gegen antisemitische Hasskriminalität im Internet“ durchgeführt wurde, ändert daran nichts.«

Hendrik Wieduwilt, Politischer Kolumnist (ntv), FAZ-Autor, Jurist: »Bitte differenzieren:
1. Habecks Strafantrag: Überzogen, aber nicht neu, das ist seit Monaten Strategie der Grünen.
2. Vorwurf Volksverhetzung: Nebulös, womöglich ironisch usw.
3. Durchsuchung: Was war Grundlage? Entscheidung der Staatsanwaltschaft, NICHT von Habeck.
4. Die grottige Kommunikation.«

Julian Reichelt, NIUS: »Die Staatsanwaltschaft bestätigt nun offiziell, dass es eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Begriffs Schwachkopf“ über Habeck gab. Es wird aber noch irrer: Wie NIUS berichtet hat, wird tatsächlich auch wegen „Volksverhetzung“ ermittelt. Der Grund: Der Beschuldigte hat heutige Politiker mit den Nationalsozialisten verglichen. Für (abwegige) historische Vergleiche kann man jetzt in Deutschland also fünf Jahre in den Knast gehen. Merke: Linke dürfen Menschen „Nazi“ nennen, aber niemand sonst darf Nazi-Vergleiche ziehen.«

Prof. Dr. Josef Franz Lindner, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medizinrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Augsburg: »Durchsuchungsbefehl im „Schwachkopf“-Fall. Habe ihn gerade gelesen. Er erging aufgrund der Anzeige von Habeck. Die völlig unterkomplexen Ausführungen (wenige Zeilen) des Gerichts zur Verhältnismäßigkeit der Wohnungsdurchsuchung sind schockierend. Keinerlei Problembewusstsein!« – »“Schwachkopf“- Fall: Die Pressemitteilung der StA Bamberg stimmt nicht mit dem Durchsuchungsbeschluss überein. Möge die Presse mal recherchieren, was der Grund dafür ist.« – »Habeck soll auf dem Grünen-Bundesparteitag zum Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers nominiert werden. Ein Politiker, der einen Bürger wegen eines satirischen Re-Posts mit einer Anzeige überzieht, in deren Folge es zu einer morgendlichen Hausdurchsuchung kommt.« – »Eine Hausdurchsuchung gehört zu den intensivsten Grundrechtseingriffen. In einem Rechtsstaat macht man so etwas nicht wegen Petitessen … und schon gar nicht aufgrund eines in sich widersprüchlichen Durchsuchungsbeschlusses. In welchem Land leben wir mittlerweile eigentlich?« – »Nicht die Geschichte wiederholt sich, aber Strukturen und Mechanismen kehren wieder: Meldestrukturen (heute: „trusted flagger“), Beoachtungsstrukturen (BfV, „Delegitimierung“), Einschüchterungsmechanismen (Hausdurchsuchungen wg. Lappalien).«

Ulf Poschardt, Chefredakteur WELT/n24: »Man stelle sich vor, was los gewesen wäre in den deutschen Medien, wenn man einen amerikanischen Rentner mit einer Tochter mit Down-Syndrom mit Polizisten morgens aus dem Bett gejagt hätte, weil er zum Beispiel Trump einen Schwachkopf via Meme-Retweet genannt hätte.« – »Wenn der Elfenbeinturm nach unten blickt, sieht er jenen Teil der Bevölkerung, den er immer schon abgrundtief verachtet hat. Das spüren all jene, die den kulturellen, moralischen Klassenkampf von oben satt haben. Sie wenden sich ab. Was sonst?«

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Kai Nielsen, Polizeibeamter, bis Juli 2024 Grünen-Mitglied, jetzt CDU: »Persönlich finde ich die Entwicklung um das Meme „Schwachkopf“ für besorgniserregend. Ich kann nicht genau sagen, wann die Grünen im gesellschaftlichen Austausch „falsch“ abgebogen sind, aber sie sind es. Leider. Diese Richtung in eine Art DDR 2.0 ist überhaupt nicht gut.«

Prof. Dr.-Ing. Florian Gallwitz, Professor für Medieninformatik an der TH Nürnberg: »Dass sie uns eine Hausdurchsuchung wegen der Anzeige eines eitlen Bundesministers, der sich durch ein Meme verspottet fühlt, als Teil einer Aktion gegen den Antisemitismus verkaufen wollen, hat schon eine ganz besondere Qualität.«

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