Der Dilettant im Kanzleramt: Was man im Ausland über Scholz und sein Putin-Telefonat denkt

Von Jürgen Fritz, Di. 19. Nov 2024, Titelbild: Sun-Screenshot, AFP-Screenshot

Nachdem Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag mit Wladimir Putin telefonierte, wonach Russland am nächsten Tag die Ukraine mit den massivsten Raketenangriffen seit Monaten überzog, hagelte es von den Fachleuten heftige Kritik. Auch im europäischen Ausland ist man vom Dilettantismus des deutschen Kanzlers entsetzt.

Selenskyj: Olaf hat die Büchse der Pandora geöffnet

In der Ukraine hatte man sehr verärgert auf diese Scholz-Aktion reagiert. Bereits kurz nach Bekanntwerden hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer öffentlichen Videoansprache gesagt:Der Anruf von Olaf öffnet meiner Meinung nach die Büchse der Pandora.“ Das sei genau das, „was Putin seit langem will: Es ist extrem wichtig für ihn, seine Isolation zu schwächen“, erklärte der ukrainische Präsident. „Das hat es Russland erlaubt, nichts an seiner Politik zu ändern, im Grunde nichts zu tun, und das führte gerade zu diesem Krieg.“ Selenskyj stellte klar: „Es wird kein ‚Minsk 3‘ geben; wir brauchen echten Frieden.“ Minsk 1 und Minks 2 waren gescheiterte Waffenstillstandsabkommen nach dem durch den Kreml unterstützten Aufstand prorussischer Separatisten im Donbass seit Sommer 2014.

Auch der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha kritisierte Scholz (SPD): Wir brauchen Frieden durch Stärke, nicht Beschwichtigung, sagte der Minister. Die deutsche Politikwissenschaftlerin, Stiftung Wissenschaft und Politik, Spezialistin u.a. für Russische Außen- und Sicherheitspolitik, Dr. Sabine Fischer, hatte dies wie folgt formuliert: „Gespräche mit dem Aggressor können sinnvoll sein, wenn (1) die Botschaften hart und unmissverständlich sind, und (2) aus einer Position der militärischen und politischen Stärke formuliert werden. Ist (2) nicht gegeben, kann (1) nicht funktionieren.“

Tusk: Mit Telefonanrufen wird niemand Putin aufhalten können

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron lehnt einen Kommentar zu dem Scholz-Putin-Telefonat ab. Die Verbündeten der Regierung in Kiew müssten geeint bleiben, fügte er in Argentinien vor seinem Weiterflug zum G-20-Gipfel in Brasilien hinzu. Ziel müsse ein „echter Frieden“ sein. „Das heißt, ein Frieden, der nicht die Kapitulation der Ukraine beinhaltet.“ Zu den jüngsten massiven russischen Raketenangriffen sagte der französische Präsident, diese zeigten, dass Putin „keinen Frieden will und nicht zu Verhandlungen bereit ist.

Sehr deutlich wurde auch der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der auf X schrieb: Mit Telefonanrufen wird niemand Putin aufhalten können. Der Angriff letzte Nacht, einer der schwersten in diesem Krieg, hat bewiesen, dass Telefondiplomatie die echte Unterstützung des gesamten Westens für die Ukraine nicht ersetzen kann. Die nächsten Wochen werden entscheidend sein, nicht nur für den Krieg selbst, sondern auch für unsere Zukunft.“

Die finnische Außenministern Elina Valtonen äußerte sich am Wochenende ebenfalls vorwurfsvoll in Richtung Berlin: „Dass europäische Staatsoberhäupter mit Putin koordiniert oder unkoordiniert telefonieren, das wird nichts bringen“, sagte sie dem Europamagazin. Es brauche eine koordinierte Antwort – nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern vor allem mit der Ukraine.

Ben Wallace: Scholz ist eher für die Leitung eines Unterausschusses eines Gemeinderates geeignet als für die Führung einer Regierung

Der litauischer Außenminister Gabrielius Landsbergis äußerte sich wie folgt: „Ich habe meinen letzten Schritt vor dem FAC genutzt, um zu erklären, dass Frieden durch Deeskalation eine gescheiterte Strategie ist. Wir brauchen eine neue Strategie, eine Erfolgsstrategie, eine Strategie der Stärke. Dann würden die Telefongespräche tatsächlich Sinn machen.“

Die heftigste Kritik aber kam aus Großbritannien. Ben Wallace, bis zum 31.08.2023 britischer Verteidigungsminister, schrieb auf X: »Scholz‘ Telefonat mit dem Kreml war so wirkungslos, dass Putin innerhalb weniger Stunden einen massiven illegalen Angriff auf die ukrainische Energieinfrastruktur startete. Mit nur einem Schritt (move) untergrub er (Scholz) die einheitliche westliche Position, zeigte Schwäche und ermutigte Russland. Es ist, als würde Putin ihn auslachen. Er hat den deutschen Regierungschef genau dahin manipuliert, wo er ihn haben will – keine Taurus, aber jede Menge Demütigung. Ich denke, Scholz ist wahrscheinlich eher dafür geeignet, den Vorsitz eines Unterausschusses eines Gemeinderats zu übernehmen, als eine Regierung zu führen.«

Lob von Lawrov

Lob erhielt Scholz heute dagegen vom russischen Außenminister Sergej Lawrow für seine Entscheidung, keine Langstreckenwaffen (Taurus-Marschflugkörper) an die Ukraine zu liefern. Dies sei „eine verantwortungsvolle Haltung“, meinte Lawrov vor Journalisten nach dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro.

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