Von Jürgen Fritz, Mi. 21. Feb 2024, Titelbild: X-Screenshot
„Welche Art von Land legt sein Veto gegen die Beendigung einer plausiblen Gefahr eines Völkermords ein?“, schreibt die SPD-Politikerin Sawsan Chebli auf X, wirft Israel einen „Genozid“ vor und prangert die USA an, gegen eine UN-Resolution gestimmt zu haben. Damit betreibt Chebli Demagogie der übelsten Sorte, wie im folgenden erläutert wird.
Chebli wirft Israel Völkermord vor und prangert die USA an, weil sie gegen eine UN-Resolution stimmten
Sawsan Chebli wirft Israel vor, einen „Genozid“ (Völkermord) zu begehen und prangert die Vereinigten Staaten von Amerika öffentlich an, gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrates für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen gestimmt zu haben.
Was bedeutet „Völkermord“?
Doch was ist an diesem Vorwurf dran? Und was betreibt Chebli hier. Betrachten wir dazu zunächst den Begriff Genozid (Völkermord). Der Schweizer Jurist Emrah Erken erläutert:
>>Völkermord ist ein juristischer Begriff, der in Art. II des Internationalen Übereinkommens über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes definiert wird. Ich zitiere:
«In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der #Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Massnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.»
Quelle: Übereinkommen vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
Wie man oben sehen kann, gibt es mehrere Tatbestandsvarianten, um das Vorliegen eines Genozids zu bejahen. Sehr wesentlich ist dabei, dass die verschiedenen Handlungen, die einen Völkermord darstellen könnten, in der Absicht begangen werden müssen, um eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Die Absicht, ein Volk ganz oder teilweise zu zerstören, ist damit die Grundvoraussetzung. Fehlt es an dieser Zerstörungsabsicht, liegt kein Völkermord vor. Mit anderen Worten reicht die oben aufgeführte «Tötung von Mitgliedern einer Gruppe» allein nicht aus. Wie man aus dem Konventionstext entnehmen kann, geht es dabei auch nicht um eine konkrete Zahl. Eine solche ist in der Konvention nicht einmal aufgeführt.
Das bedeutet: Selbst wenn sehr viele Menschen beispielsweise aufgrund eines Konflikts umkommen, muss nicht unbedingt ein Völkermord vorliegen, wohingegen das Töten einer wesentlich kleineren Zahl von Menschen durchaus Völkermord sein kann, wenn die erwähnte Zerstörungsabsicht gegeben ist. Die letzte Tatbestandsvariante (Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe) zeigt zudem, dass ein Völkermord sogar dann vorliegen kann, wenn überhaupt niemand getötet wird. So wurde beispielsweise das Überführen von Kindern von Fahrenden (Sinti / Roma) in Schweizer Familien im Rahmen des Projekts «Kinder der Landstrasse», welches in der Schweiz bis anfangs der Siebziger Jahre lief, in einem später erstellten Rechtsgutachten als Völkermord eingestuft. Nach meinem Kenntnisstand wurde bei diesem Völkermord niemand umgebracht. Die vorerwähnte Zerstörungsabsicht war aber gegeben. Mit anderen Worten bedeutet Völkermord nicht automatisch «viele Tote».<<
Wer begeht einen Völkermord?
Nachdem Emrah Erken den Genozid-Begriff erläutert hat, betrachtet er auch die Situation im aktuellen Fall von Israel und der Hamas:
>>Diese erforderliche Zerstörungsabsicht ist bei den Handlungen der israelischen Armee im Rahmen ihrer Offensive im Gaza nicht einmal erkennbar. Die Absicht der israelischen Armee ist die Zerschlagung der Hamas und die Befreiung der Geiseln und nicht die teilweise oder ganze Zerstörung der Bevölkerung von Gaza. Natürlich sterben bei dieser Offensive auch unbeteiligte Menschen wie in jedem Krieg. Das ist allerdings noch lange kein Völkermord, selbst wenn die von der Hamas angegebenen Opferzahlen stimmen würden, weil die Absicht Israels nicht auf die Zerstörung der dort ansässigen Bevölkerung ausgerichtet ist.
Ganz anders sieht es aus beim Pogrom vom 7. Oktober 2023. Die entsprechenden Tathandlungen erfolgten ganz klar mit der Absicht, zumindest einen Teil der israelischen Bevölkerung zu zerstören. Diese Genozidabsicht ist auch der Hamas Charta zu entnehmen. Ich zitiere aus Art. 7 der Hamas Charta:
«Auch wenn die Verbindungen weit voneinander entfernt waren und die Hindernisse, die von den Lakaien des Zionismus den Kämpfern in den Weg gelegt wurden, die Fortsetzung des Kampfes behinderten, strebt die islamische Widerstandsbewegung nach der Verwirklichung des Versprechens Allahs, egal wie lange es dauern sollte. Der Prophet, Allah segne ihn und schenke ihm Heil, hat gesagt: „Der Tag des Gerichts wird erst kommen, wenn die Moslems gegen die Juden kämpfen (die Juden töten) und der Jude sich hinter Steinen und Bäumen verstecken wird. Dann wird der Jude sich hinter Steinen und Bäumen verstecken. Die Steine und Bäume werden sagen: O Moslems, o Abdulla, hinter mir ist ein Jude, kommt und tötet ihn. Nur der Gharkad-Baum (offensichtlich eine bestimmte Art von Baum) würde das nicht tun, weil er einer der Bäume der Juden ist.“ (Überliefert von al-Bukhari und Moslem).“»
Die Zerstörungsabsicht, die für den Völkermord gegeben sein muss, ist – wie zu sehen – bereits aus dem Gründungsdokument der Hamas zu entnehmen. Wie man aus dieser Bestimmung entnehmen kann, verfolgt die Hamas damit nicht «nur» die Absicht, sämtliche Bürger Israels zu ermorden, sondern alle Juden weltweit (Antisemitismus). <<
Soweit Emrah Erken.
Chebli betreibt eine Täter-Opfer-Umkehr
Hier könnte man noch ergänzen, auch die Alliierten haben 1939 bis 1945 natürlich keinen Völkermord an den Deutschen begangen, wenngleich sie sehr viele Deutsche getötet haben – Millionen! Aber sie taten dies natürlich nicht mit der Intention, das deutsche Volk zu zerstören, sondern um das Hitlerregime zu besiegen, welches seinerseits einen Völkermord an den Juden verübt hat, um so den Zweiten Weltkrieg zu beenden und die Welt, auch die Deutschen, vom NS-Regime zu befreien.
Was Chebli hier betreibt, ist klassische Täter-Opfer-Umkehr (Victim blaming). Hamas-Führer haben ja öffentlich angekündigt, immer weiter solche Massaker wie am 07. Oktober 2023 zu verüben. Diejenigen, an denen also nachweislich ein Genozid verübt werden soll, werden, sobald sie sich wehren und ihre (potentiellen) Völkermörder auszuschalten versuchen, um diesen Genozid an sich selbst zu verhindern, des Völkermords beschuldigt. Das ist Demagogie der übelsten Sorte.
Sawsan Chebli ist seit 2001 SPD-Mitglied. Im März 2010 übernahm sie im Kabinett Wowereit (SPD) in der von Ehrhart Körting (SPD) geleiteten Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport die neu geschaffene Stelle als Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten. Im Januar 2014 berief Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sie als erste Muslimin und ohne vorherige Diplomatentätigkeit zur stellvertretenden Pressesprecherin des Auswärtigen Amtes. Im Auswärtigen Amt war Chebli einem Bericht des SPIEGEL zufolge umstritten. Der Personalrat des Ministeriums sei mit Beschwerden über sie befasst gewesen. Außerdem habe sie in Pressekonferenzen oft unvorbereitet gewirkt und habe auf Nachfragen „patzig“ reagiert. Ende 2016 bis Ende 2021 war Chebli Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in der von Björn Böhning (SPD) geleiteten Berliner Senatskanzlei unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD).
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