Von Jürgen Fritz, Mi. 12. Feb 2025, Titelbild: ZDF-Screenshot
Die Uni Hamburg habe die Plagiats-Vorwürfe bezüglich seiner Doktorarbeit entkräftet, behauptet Robert Habeck. Aber stimmt das wirklich? Und handelt es sich tatsächlich nur um ein paar kleine „Ungenauigkeiten in den Fußnoten“, wie der grüne Kanzlerkandidat sagt? Wie ehrlich ist Robert Habeck?
Habeck: Die Universität Hamburg hat die Vorwürfe entkräftet
Dieser Fall ist einigermaßen kurios. Der österreichische Kommunikationswissenschaftler und Plagiatsgutachter Dr. Stefan Weber untersuchte die Dissertation von Dr. Robert Habeck. Doch noch bevor er das Ergebnis seiner Recherchen veröffentlichte, ging Robert Habeck damit an die Öffentlichkeit, kam Dr. Weber zuvor und behauptete, die Vorwürfe seien – noch bevor sie überhaupt veröffentlicht worden waren – entkräftet worden. Wie ist das möglich und was ist davon zu halten? Vor allem aber: Was genau betreibt Robert Habeck hier?
Robert Habeck schrieb am Montag, den 10.02.2025 um 11:32 Uhr auf X folgendes:
»Ich rechne damit, dass heute, wenige Tage vor der Bundestagswahl, Vorwürfe gegen meine Doktorarbeit, die ich vor 25 Jahren in Hamburg geschrieben habe, veröffentlicht werden. Ich habe mich entschieden, das Ganze transparent zu machen. Denn ich kenne die Vorwürfe – und konnte sie vorab prüfen lassen. Das Ergebnis: Die Ombudsstelle der Universität Hamburg hat die Vorwürfe entkräftet und bestätigt, dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt. Ich habe auch den Präsident der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Gerald H. Haug, ein Paläoklimatologe, JFB), um eine Einschätzung gebeten. Auch er hat keine Zweifel an der Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit.
Die Anschuldigungen – übrigens nicht wie sonst Textplagiate, sondern Ungenauigkeiten in den Fußnoten – stammen vom Plagiatsjäger Stefan Weber. Wer ihn beauftragt hat und wer ihn bezahlt, weiß ich nicht, da er seine Geldquellen ja im Verborgenen lässt und über seine Geldgeber keine Transparenz herstellt. Einmal konnte durch journalistische Recherche aufgezeigt werden, dass es das Nachrichtenportal NIUS war. Ein letztes: Herr Weber wird auch Vorwürfe gegen die Doktorarbeit meiner Frau erheben. Meine Frau kandidiert aber für kein politisches Mandat. Sie ist nicht Teil dieses Wahlkampfs. Ich bitte darum, meine Familie rauszuhalten.«
Dazu veröffentlichte er folgendes Video:
Stefan Weber: Habeck hat eine literaturwissenschaftliche Dissertation vorgetäuscht, das ist Wissenschaftssimulation
Wie war dies nun möglich, dass Habeck, noch vor der Veröffentlichung des Gutachtens zu diesem schon Stellung beziehen konnte, inklusive Video, inklusive Statement der Universität Hamburg und inklusive Statement von (seinem Bekannten?) Prof. Dr. Gerald H. Haug?
Dr. Stefan Weber gibt an, er habe am 21. Januar 2025 eine Erstauswertung, die ca. 40 Seiten mit Quellenplagiaten umfasste (inzwischen seien es 188 Seiten), an drei Journalisten versendet: an Julian Reichelt von NIUS, an Paul Ingendaay (FAZ) und Jochen Zenthöfer (FAZ). Einer der beiden FAZ-Redakteure habe ihm zurückgeschrieben, er habe keine Zeit, sich das noch vor den Wahlen anzuschauen, der andere habe ihm geschrieben, er, Weber, soll das bloß nicht mehr vor den Wahl veröffentlichen. Dr. Weber vermutet, dass einer der beiden FAZ-Redakteure diese Erstauswertung an die Grünen oder an Habeck direkt durchgestochen habe. Somit hatte Habeck fast drei Wochen Zeit, sich auf die Veröffentlichung von Dr. Weber vorzubereiten, konnte dessen Erstauswertung an die Universität Hamburg weiterreichen und an seinen Bekannten, den Klimaforscher Prof. Dr. Gerald H. Haug, der zum Beispiel am 11. August 2019 beim Sommerfest der Grünen auftrat.
Jochen Zenthöfer veröffentlichte am Montag, den 10.02.2025, um 16.06 Uhr in der FAZ bereits einen Artikel unter dem Titel „Plagiator Habeck?: Im Zweifel keine Täuschung“, in dem Zenthöfer schreibt:
„Robert Habeck behält seinen Doktortitel. Für diese Entscheidung hat die Universität Hamburg gute Gründe. Der Plagiatsjäger Stefan Weber hatte sich diesmal das falsche Opfer ausgesucht.“
Auch dieser Artikel dürfte also bereits vorbereitet respektive bereits geschrieben gewesen sein. Interessant ist hier auch, dass Zenthöfer das Endergebnis der Prüfung gleich im ersten Satz vorwegnimmt: „„Robert Habeck behält seinen Doktortitel.“ Offensichtlich wollte man auch in der FAZ das Ding sofort abräumen, bevor es Habeck im Wahlkampf schaden könnte. Dabei dürfte Zenthöfer aber wohl gewusst haben, dass die Universität sich nur zu der ca. 40-seitigen Erstauswertung geäußert hatte und nicht zu dem vollumfänglichen 188 Seiten-Gutachten.
Dr. Weber kommt sogar zu dem Urteil: Dr. Robert Habeck habe„eine literaturwissenschaftliche Dissertation methodisch vorgetäuscht, die er nicht absolviert hat. Damit hat er den Leser getäuscht.“ Dies sei eine „Wissenschaftssimulation“. Der „intellektuelle Nimbus des Herrn Habeck“ sei ein Fake.
Weber: Bei Habecks Frau, Andrea Paluch, ist es noch schlimmer
Noch schlimmer sei es bei der Ehefrau von Robert Habeck, bei Andrea Paluch. Diese habe „absatzweise Dietrich Schwanitz und Niklas Luhmann plagiiert“. Sogar auf den letzten Seiten ihrer Dissertation, wo es um die eigene Zusammenfassung der ganzen Arbeit gehe, habe sie noch Niklas Luhmann abgeschrieben. Niklas Luhmann würde sich im Grabe umdrehen, wenn er die Dissertation von Frau Paluch lesen würde.
Dies alles sei mit wissenschaftlicher Redlichkeit nicht vereinbar. Zu der Frage, warum er sein Gutachten kurz vor der Wahl veröffentliche, sagt Dr. Weber. Wenn man überlegt, eine Person in einer Firma einzustellen, schaue man sich da etwa den Lebenslauf dieser Person nicht genauer an? Und wenn sich jemand um das Kanzleramt bewirbt, soll man seinen Lebenslauf und was er bisher beruflich gemacht habe, nicht näher anschauen?
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Soweit Dr. Stefan Weber. Betrachten wir nun Habecks Verteidigungsstrategie etwas genauer.
Habecks Verteidigungsstrategie, die tief blicken lässt
1. Zum Einen war es natürlich raffiniert, dass er noch vor Weber an die Öffentlichkeit gegangen ist. So vermeidet er a) den Eindruck, kalt erwischt und überführt worden zu sein, und b) setzt er damit den ersten Ton. Raffiniert. Und dies war natürlich nur möglich, weil vermutlich ein FAZ-Redakteur das, was ihm Dr. Weber vorab vertraulich übersandte, an Habeck oder einen Dritten durchgestochen hat, der es dann Habeck weiterleitete.
2. Zweitens verheimlicht Habeck, dass der Universität Hamburg nur die ca. 40-seitige Erstauswertung (gut 20 Prozent) vorlag und nicht die 188-seitige vollständige Auswertung. Und dass die Uni HH explizit schrieb:
„Nach dem Versand dieses Schreibens erreichten die Ombudsstelle durch Dr. Robert Habeck neue Hinweise die besagte Doktorarbeit betreffend. Diese werden aktuell nach dem oben beschriebenen Verfahren ebenfalls sorgfältig begutachtet und fachlich eingeordnet.“
Das heißt, die Begutachtung der vollständigen Auswertung ist noch lange nicht abgeschlossen. Das Statement der Universität Hamburg bezieht sich nur auf ca. 20 bis 25 Prozent des Gutachtens von Dr. Weber. Habeck versucht aber, einen völlig anderen Eindruck zu erwecken, dass die Prüfung bereits vollsätndig abgeschlossen und die Sache endgültig vom Tisch sei.
3. Drittens thematisiert Habeck ganz explizit und in einem interessanten Tonfall, die Geldgeber des Gutachtens und bringt hier den Namen von NIUS mit ein. Hier arbeitet Habeck mit dem generischen Fehlschluss, den ich im ersten Artikel zu dem Thema bereits erläuterte. Für die Wahrheitsfrage, ob Habeck fahrlässig leichte oder schwerer Fehler beging oder ob er sogar vorsätzlich getäuscht hat, spielt es keinerlei Rolle, wer Herr Weber beauftragt hat. So kann man sich selbst nicht reinwaschen. Wenn es gar nichts zum Reinwaschen gibt, dann gibt es da nichts. Wenn es aber schwere Verfehlungen gibt, dann kann man diese nicht dadurch aus der Welt schaffen, dass man auf den mit dem Finger zeigt, der das Ganze ans Tageslicht brachte, warum auch immer er dies tut. Das spielt für die Wahrheits-, für die Geltungsfrage keine Rolle. Siehe dazu: Genese und Geltung.
4. Und viertens zur Bitte, seine Ehefrau da rauszuhalten. An der Stelle wird es ähnlich absurd. Dr. Weber thematisiert ja Andrea Paluch nicht als Person, weil sie mit Robert Habeck verheiratet ist, sondern er thematisiert ihre Doktorarbeit. Hätte sie keine Dissertation verfasst und würde sich nicht mit einem Doktortitel schmücken, hätte er sie auch nicht thematisiert. Zu meinen, die Dissertation seiner Frau dürfe nicht überprüfte werden, weil sie ja keine Politikerin und nicht im Wahlkampf sei, zeigt, wie Habeck tickt. Natürlich darf auch ihre Arbeit überprüft werden, genauso wie die Arbeit jedes Wissenschaftlers, der eine Doktorarbeit verfasste. Das ist geradezu das Wesen der Wissenschaft, dass das, was andere behaupten und vorlegen, durch andere überprüft wird, inwieweit das stimmt und inwieweit hier eigenständig etwas erarbeitet wurde, insbesondere bei einer Doktorarbeit, die unbedingt eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit sein soll, die in der Regel einen forschungsbasierten Wissenszuwachs enthält. Ist das nicht gegeben und wird das nur vorgetäuscht, so ist das ein Betrug.
Habecks ganzes Statement deutet sehr stark darauf hin, dass er mit Wissenschaft eigentlich nicht so sehr viel am Hut zu haben scheint. Er denkt wohl eher wie ein Politiker. Aber warum um Gottes willen hat er denn dann promoviert? Warum wollte er dann unbedingt diesen besonderen wissenschaftlichen akademischen Grad erwerben? Interessant ist auch, was der Rechtsanwalt für Presserecht Carsten Brennecke zu dem Fall zu sagen hat.
Rechtsanwalt Carsten Brennecke: Habecks PR glänzt mit Unwahrheiten
Brennecke schrieb am späten Montagabend um 23.02 Uhr:
»Wie ist die Krisenkommunikation von Robert Habeck im Plagiatsfall zu bewerten? Als schlecht, weil irreführend. Dennoch fielen ZDF & Co dankbar darauf herein… Warum Habecks Kommunikation zum Bumerang wird und Medien ein schlechtes Zeugnis ausstellt:
Robert Habeck hat heute überrascht: Er hat den gegen ihn erhobenen Plagiatsverdacht zur Doktorarbeit freiwillig öffentlich gemacht. Damit ist er der drohenden Veröffentlichung durch Dritte zuvorgekommen. Das Vorwegnehmen der Geschichte als Maßnahme der PR kann eine gute Idee sein. Die Taktik ist als stealing the thunder bekannt: Man nimmt die negative Nachricht vorweg, um diese in der gewünschten Art und Weise einzuordnen und mildert so die negativen Folgen ab. Zu den goldenen Regeln der PR gehört aber, dass sie wahrheitsgemäß sein muss. Sonst baut sie kein Vertrauen auf, sondern zerstört Vertrauen. Und genau da liegt der Hund bei Habeck begraben: Seine PR glänzt mit Unwahrheiten.
Habeck und seine Falschbehauptung
In seinem auf X veröffentlichten Text behauptet Robert Habeck, die Universität Hamburg habe die Vorwürfe geprüft und ihn entlastet … Das ist falsch. Zwar hat er die Universität um eine Prüfung gebeten und diese schreibt, sie habe kein Fehlverhalten feststellen können. Wesentliche neue Vorwürfe wurden aber erst erhoben, nachdem die Universität geprüft hat. Daher stellt die Universität in ihrer Pressemitteilung klar, dass nach der Prüfung neue und bislang ungeprüfte Vorwürfe erhoben wurden, Zitat: „Nach dem Versand dieses Schreibens erreichten die Ombudsstelle durch Dr. Robert Habeck neue Hinweise die besagte Doktorarbeit betreffend.“ (…) … Die von Habeck veröffentlichte Behauptung, die Uni Hamburg habe die Vorwürfe geprüft und ihn entlastet, ist also falsch. Habeck erweckt den falschen Eindruck, die Uni habe alle Vorwürfe geprüft und ihn bezüglich aller Vorwürfe entlastet.
Medien gehen Habeck auf den Leim
Schlecht recherchierende Medien haben diese Legende umgehend aufgegriffen und unter Verweis auf Habecks Aussagen behauptet, die Vorwürfe seien bereits durch die Universität Hamburg geprüft und widerlegt worden. Dabei fällt wieder das ZDF negativ durch fehlende Recherche auf: Die ZDF-Sendung „ZDF heute“ ließ sich von Habecks irreführender PR aufs Glatteis führen. Sie meldete, die habe Universität festgestellt, dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt. Kein Wort davon beim ZDF, dass die Universität klargestellt hat, dass gar nicht der ganze Vorgang geprüft wurde! (Hier ab Spielminute 06:30)
Wenige Minuten später durfte Habeck seine Unwahrheiten in der Sendung in der ZDF-Sendung „was nun?“ unwidersprochen verbreiten. Dort behauptet er, dass der Vorwurf bewiesen durch die Universität Hamburg haltlos sei und dies durch die Universität Hamburg geprüft worden sei. Die Moderatorinnen Bettina Schausten und Anne Gellinek reagieren auf diese Falschdarstellung nicht. Entweder sind sie nicht vorbereitet oder sie möchten das Ganze so stehen lassen. (Hier ab Spielminute 1:02)
Auch die Süddeutsche Zeitung berichtet falsch, alle gegenüber Habeck erhobenen Vorwürfe seien durch die Universität überprüft worden.
Habeck verstolpert den Befreiungsschlag
Habeck hat somit die eigentlich gute Idee, eine negative Nachricht vorwegzunehmen und zu entschärfen, amateurhaft verstolpert. Der von ihm veröffentlichte Text ist unwahr und irreführend. Damit hat Habeck die Chance verpasst, Vertrauen zurückzugewinnen und die Situation noch schlimmer gemacht.
Kommunikativ erinnert das Ganze an sprunghafte Kommunikationsfehler Habecks beim Heizungsgesetz und bei der Forderung von Steuern auf Kapitalerträge. Auch dort hat sich Habeck mit unausgegorener Kommunikation vorschnell nach vorne gewagt und ist damit gescheitert. Daraus scheinen Habeck und seine Kommunikationsberater bis heute nichts gelernt zu haben.
ZDF verspielt weiteres Vertrauen
Dieser Fall wirft nicht nur ein negatives Schlaglicht auf die Kommunikation Habecks. In den Fokus gerät abermals das ZDF. In gleich zwei Sendungen, der Sendung „heute“ und im Interview mit Habeck in „was nun?“, geht das ZDF dessen irreführender Darstellung auf den Leim. Gleiches gilt für die SZ. Da die Meldung der Universität bereits mittags veröffentlicht wurde, hätten ZDF und Süddeutsche mühelos darauf stoßen müssen, wenn sie denn ordentlich recherchiert hätten.
Hier stellt sich die Frage, ob die Medien schlicht zu faul waren, richtig zu recherchieren, oder aber ob der vermeintliche Befreiungsschlag Habecks so schön war, dass man ihn nicht kaputt recherchieren wollte?«
Soweit also der Presseanwalt Carsten Brennecke, der selbst Mitglied bei den Grünen ist. Insgesamt stellt sich der Eindruck ein, dass insbesondere das ZDF, aber auch andere linke und sehr linke Massenmedien mit aller Macht versuchen, den Vorwürfen nicht auf den Grund zu gehen zu wollen, sondern Habeck und den Grünen helfen zu wollen, die Vorwürfe so schnell wie möglich vom Tisch zu bekommen, damit so wenig Menschen wie möglich sich das genauer anschauen.
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