Von Jürgen Fritz, 01. Dez 2018
Dass die Bundesrepublik sich entgegen dem klaren Willen von über 90 Prozent der Bevölkerung nicht vom UN-Migrationspakt distanzieren wird, der ja gerade unter maßgeblicher Beteiligung der deutschen Bundesregierung zustande kam, war klar. Nun hatte aber, um den Schaden zumindest zu begrenzen, die AfD einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in welchem die Bundesregierung aufgefordert wurde, bei der Unterzeichnung des Paktes eine Protokollerklärung abzugeben zur völkerrechtlichen bzw. rechtlichen Unverbindlichkeit des Migrationspaktes. Darüber wurde gestern im Deutschen Bundestag namentlich abgestimmt. Lesen Sie hier, wer für und wer gegen diesen Antrag stimmte. Diese Namen, so meine ich, sollte man sich sehr gut merken.
A. Antrag der AfD-Fraktion
>>Aufforderung zur Abgabe einer Protokollerklärung zur völkerrechtlichen beziehungsweise rechtlichen Unverbindlichkeit des „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“ für die Bundesrepublik Deutschland durch die deutsche Bundesregierung bei der Unterzeichnung des Paktes im Dezember in Marrakesch – Die Bundesrepublik Deutschland als „permanent objector“
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird gebeten, anlässlich der Unterzeichnung bzw. Verabschiedung des „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“, (im Folgenden: Globaler Migrationspakt) auf der Staatenkonferenz in Marrakesch, Marokko, am 10./11. Dezember
2018 bezüglich der Rechtsbindung des o. g. Globalen Migrationspakts schriftlich folgende Erklärung zu Protokoll abzugeben:
„Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland stellt fest: Die in dem Text des o.g. Globalen Migrationspakts gemachte Aussage über seinen völkerrechtlichen unverbindlichen Charakter (vgl. Ziffer 7 in der Präambel: „non-legally binding framework“) ist ein ganz bestimmendes Element für die Bundesregierung für die Verabschiedung bzw. Unterzeichnung des Pakts. Die auf diese Weise statuierte nicht-bestehende Rechtsbindung des Pakts gilt nicht nur am Tag seiner Verabschiedung bzw. Unterzeichnung, sondern auch zukünftig.
Nach Auffassung der deutschen Bundesregierung setzt der Globale Migrationspakt über die bereits bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen und Verpflichtungen hinaus kein weiteres internationales Recht im Bereich globaler Migration. Die im Zusammenhang der 23 Ziele des Globalen Migrationspakts genannten „Verpflichtungen“ (Ziffer 16 ff.) sind dementsprechend nur politisch deklaratorischer Art. Sie binden und verpflichten daher rechtlich in keinerlei Hinsicht die deutschen staatlichen Stellen. Aufgrund seines ausdrücklichen unverbindlichen Rechtscharakters kann der Globale Migrationspakt weder eine rechtliche Anwendung finden noch bei der Auslegung von Rechtsfragen durch deutsche Gerichte herangezogen werden.“
Berlin, den 26. November 2018
Dr. Alice Weidel, Dr. Alexander Gauland und Fraktion<<
B. Begründung
>>Die Bundesregierung hat mehrfach, zuletzt durch die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in Warschau (http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/polen-wird-un-migrationspakt-wahrscheinlich-ablehnen15871381.html), darauf hingewiesen, dass der Globale Migrationspakt ein „politisches, nicht jedoch rechtlich verbindliches Abkommen“ darstellt (siehe Kurzinformation Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages WD 2-
3000-052/18 vom 19.04.2018, siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Hebner, Drucksache 19/1751). Ziel und Zweck dieser Beschlussfassung der vorgeschlagenen Protokollerklärung sind es, diese rechtliche Auffassung gegenüber den Vereinten Nationen und aller Unterzeichnerstaaten deutlich zu machen und für alle Zukunft zu unterstreichen. In der kontrovers geführten Diskussion über die Vor- und Nachteile dieses Globalen Migrationspakts wird von den Befürwortern auf dessen rechtsunverbindlichen Charakter hingewiesen, um bestehende Besorgnisse der Bürgerinnen und Bürger zu zerstreuen.
Eine diese Befürchtung in der breiten Öffentlichkeit aufgreifende und rechtlich klarstellende Protokollerklärung der Bundesregierung ist gerade vor dem Hintergrund angezeigt, dass Text und Wortwahl des Globalen Migrationspakts in entscheidenden Passagen rechtlich widersprüchlich und unschlüssig sind: Allein der Begriff „Compact“ (Pakt) setzt sich von den Vereinten Nationen üblicherweise für rein politische Erklärungen gebrauchten Begriff „Resolution“ deutlich ab. Dieser Umstand weist unzweideutig darauf hin, dass von den politischen Initiatoren des Paktes bewusst der Weg der völkerrechtlichen Grauzone eines sogenannten „Soft law“ gewählt wurde. Bereits nach wenigen Jahren mutiert ein zuvor rechtlich unverbindlicher Vertrag durch allgemeine Staatenpraxis zu anerkanntem Völkergewohnheitsrecht (ius cogens). Dem o.g. Textpassus einer angeblichen Rechtsunverbindlichkeit kann dann rechtlich nichts mehr entgegen gehalten werden.
Dazu passt die Tatsache, dass der Wortlaut des Globalen Migrationspakts bewusst die rechtlich eindeutige, gängige und naheliegende Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Migration vermeidet. Die stattdessen verwendeten Wortpaare „reguläre“ und „irreguläre“ Migration sind keine anerkannten Rechtsbegriffe. Sie sind eine umgangssprachliche Zuschreibung von allgemeinem Verhalten ohne jegliche Rechtsqualität. Dahinter steht der politische Wille der Initiatoren des Globalen Migrationspakts, das globale Phänomen der Migration aus dem bislang maßgeblich nationalstaatlichen und internationalen Rechtsrahmen zu lösen und neues, allgemein verbindliches internationales Migrationsrecht zu schaffen.
Dass eine Protokollerklärung anlässlich der Unterzeichnung bzw. Verabschiedung des Globalen Migrationspakts mehr als geboten ist, zeigt auch die intensive Diskussion über Rechtsfragen bei den Vereinten Nationen zu Beginn des Verhandlungsprozesses. Prof. (jur.) Jill Goldenziel von der Marine Corps University, USA, und Mitglied des „Academic Council of the United Nations System“ (ACUNS), beschreibt die rechtliche Stoßrichtung aller Befürworter rechtsverbindlicher Regeln globaler Migrationsfragen wie folgt:
Ganz wichtig sei, den „lack of inforcement“ (Mangel an rechtlicher Umsetzungskraft) auf globaler Ebene in Migration- und Menschenrechtsfragen zu überwinden. Sie plädiert für ein bedachtsames und schrittweises Vorgehen. Gleichzeitig lehnt Prof. Goldenziel, wie auch andere Befürworter des Globalen Migrationspakts, einen ratifizierungsbedürftigen völkerrechtlichen Vertrag ab. Sie betont, durch den Globalen Migrationspakt würden die Staaten „more formally committed“– auch dank der Zustimmung der Generalversammlung der Vereinten Nationen.
Professor Goldenziel zeigt sich zuversichtlich, dass mit Globalen Pakten, die „funktionieren“, durch dynamische internationale politische Prozesse ein neues Modell für die völkerrechtliche Gesetzgebung geschaffen werden kann („Global Compacts that “work” can thereby create a new model for international lawmaking through a dynamic international political process“). Wenn die Globalen Pakte erfolgreich seien, „werden sie das Staatsverhalten prägen, wodurch neue Normen geschaffen werden, die schließlich als Völkerrecht verankert werden („If the Global Compacts succeed, they will shape state behavior, which will create new norms that will eventually become entrenched as international law.“). (https://blog.harvardlawreview.org/how-to-help-the-migration-crisisand-make-international-law/)
Einer solchen Entwicklung kann und muss die Bundesregierung entgegenwirken. Dafür ist die vorgeschlagene o.g. Protokollerklärung das probate rechtliche Mittel. Nach Auskunft des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages vom 12.10.2018 (WD-2-3000-145/18) ist diese Option möglich, um zu verhindern, dass rechtliche „Soft law“-Konstruktionen mit Zeitablauf Völkergewohnheitsrecht werden, das einem – mit allen Rechtskonsequenzen, vgl. Artikel 25 Grundgesetz – entgegen gehalten werden kann. Mit der vorgeschlagenen Protokollerklärung wird einer solchen Entwicklung rechtlich wirksam vorgebeugt. Sie macht deutlich, dass sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich als „permanent objector“ versteht, die die vorstehend genannten Rechtsfolgen für das eigene Rechts- und Staatsgebiet abwendet.
Wir dürfen und können als deutscher Bundestag und als gewählte Vertreter des deutschen Volkes angesichts dieser Entwicklung nicht still und stumm an der politischen Seitenlinie als bloßer Zuschauer verharren. Unser parlamentarisches Mandat besteht nicht darin, machtlos zuzusehen, wie das deutsche Parlament, ohne in der Sache
selbst gefragt zu werden, in entscheidenden Bereichen seiner Prärogative sukzessive verliert. Es liegt daher in unserem ureigensten Interesse, dieser Entwicklung vorzubeugen. Wir können nicht zulassen, wie zentrale Befugnisse im Kernbereich parlamentarischen und staatlichen Handelns ohne grundsätzliche Befassung des Parlaments Stück für Stück abgetragen werden.
Wir sind als Abgeordnete unseren Bürgerinnen und Bürger verpflichtet. Sie haben einen Anspruch auf Transparenz des Handelns aller staatlichen und parlamentarischen Akteure und vor allem darauf, dass das vom Grundgesetz vorgegebene System staatlichen Handelns und parlamentarischer Befugnisse und Kontrolle sich im Rahmen des vom Grundgesetz vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmens vollzieht. Dies sicherzustellen, dient der vorgelegte Antrag.<<
C. Abstimmungsverhalten der Bundestagsabgeordneten
Betrachten wir zunächst das Abstimmungsverhalten der Fraktionen des Deutschen Bundestages, die bis auf eine einzige Ausnahme alle geschlossen für oder gegen diesen Antrag stimmten:
- AfD: Von den 92 AfD-Abgeordneten waren 86 anwesend. Diese stimmten geschlossen für den Antrag.
- CDU/CSU: Von 222 anwesenden Unions-Abgeordneten stimmten alle dagegen mit einer einzigen Ausnahme, nämlich Veronika Bellmann (CDU). Diese stimmte als einzige mit der AfD für den Antrag.
- SPD: Alle 129 anwesenden Abgeordneten stimmten gegen den Antrag.
- FDP: Alle 68 anwesenden Abgeordneten stimmten gegen den Antrag.
- Die Linke: Alle 59 anwesenden Abgeordneten stimmten gegen den Antrag.
- Die Grünen: Alle 63 anwesenden Abgeordneten stimmten gegen den Antrag.
- Von den drei fraktionslosen Bundestagsabgeordneten stimmten zwei für den Antrag, darunter die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry.
D. Einige Namen derer, die gegen den Antrag stimmten
I. Aus der CDU/CSU-Fraktion
- Peter Altmaier (CDU, Bundeswirtschaftsminister)
- Philipp Amthor (der jüngste Bundestagsabgeordnete, der einen Wahlkreis gewinnen konnte)
- Dorothee Bär (CSU, Staatsministerin für Digitalisierung bei der Bundeskanzlerin)
- Prof. Dr. Helge Braun (Chef des Bundeskanzleramtes)
- Ralph Brinkhaus (neuer Fraktionsvorsitzender der Union)
- Alexander Dobrindt (Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag)
- Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU, früherer Bundesinnenminister)
- Hermann Gröhe (früherer Bundesgesundheitsminister)
- Dr. Stephan Harbarth (CDU), der nach dem Willen von CDU und CSU neuer Richter am Bundesverfassungsgericht und dann bald dessen Präsident werden soll, der also direkt von der Legislativen in die Judikative wechselt – Gewaltenteilung?
- Dr. Carsten Linnemann (CDU), Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU und Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
- Dr. Thomas de Maizière (früherer Bundesinnenminister, der sich im September 2015 nicht traute, die Grenzen zu schließen, obschon genau dies seine Pflicht gewesen wäre)
- Stephan Mayer (CSU, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister)
- Dr. Gerd Müller (CSU, Bundesentwicklungsminister)
- Dr. Peter Ramsauer (CSU, früherer Bundesverkerkehrsminister)
- Dr. Norbert Röttgen (ehemaliger Bundesumweltminister)
- Jens Spahn (Bundesgesundheitsminister und Kandidat für den CDU-Vorsitz)
- Marian Wendt (Vorsitzender des Petitionsausschusses)
- Paul Ziemiak (Vorsitzender der Junge Union)
II. Aus der SPD-Fraktion
- Dr. Katarina Barley (Bundesjustizministerin)
- Sigmar Gabriel (früherer SPD-Vorsitzender und Vizekanzler)
- Johannes Kahrs (Mister „Rüpel“)
- Lars Klingbeil (SPD-Generalsekretär)
- Heiko Maas (Außenminister)
- Aydan Özoğuz (Im Juni 2013 zur ersten Bundesvorsitzenden der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt gewählt, von Dezember 2013 bis März 2018 Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Rang einer Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin)
- Martin Schulz (der ehemalige zukünftige Bundeskanzler)
III. Aus der FDP-Fraktion
- Nicola Beer (designierte Spitzenkandidatin bei der Europawahl 2019)
- Wolfgang Kubicki (stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Bundestagsvizepräsident)
- Alexander Graf Lambsdorff (ehemaliger Vizepräsident des EU-Parlamentes)
- Christian Lindner (FDP-Vorsitzender)
- Katja Suding (stellvertretende Bundesvorsitzende)
IV. Aus der Fraktion von Die Linke (SED)
- Sevim Dağdelen (stellvertretende Fraktionsvorsitzende)
- Katja Kipping (Parteivorsitzende)
- Bernd Riexinger (Parteivorsitzender)
V. Aus der Fraktion der Grünen
- Annalena Baerbock (Parteivorsitzende)
- Katrin Göring-Eckardt (Fraktionsvorsitzende)
- Dr. Anton Hofreiter (Fraktionsvorsitzender)
- Claudia Roth (Bundestagsvizepräsidentin)
- Jürgen Trittin (ehemaliger Bundesumweltminister)
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Titelbild: YouTube-Screenshot von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, welche die Sitzung gestern mittag leitete
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