Warum sind sokratische Gespräche heute kaum noch möglich?

Von Jürgen Fritz, Mo. 14. Sep 2020, Titelbild: YouTube-Screenshot

„Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“ (Aristoteles) – „Platon ist mein Freund und Aristoteles auch, meine liebste Freundin aber ist die Wahrheit“ (Isaac Newton) – „Wahrlich es ist nicht das Wissen, sondern das Lernen, nicht das Besitzen sondern das Erwerben, nicht das Da-Seyn, sondern das Hinkommen, was den grössten Genuss gewährt.“ (Carl Friedrich Gauß)

Mäueutik, die Hebammenkunst

Wenn jemand nur ein bisschen blöde ist – das ist ja (fast) jeder -, dann kann man versuchen, einen sokratischen Dialog mit ihm zu führen, kann ihm also durch geschickte Fragen und Aufzeigen der Implikationen dessen, was er sagt und meint, dazu verhelfen, dass er die inneren Widersprüche, Unzulänglichkeiten und Fehler seiner Sicht der Welt selbst entdeckt, dass er sie dann korrigieren und sein Weltbild, mithin sich selbst geistig weiterentwickeln kann.

Sokrates und Platon nannten diese Gesprächstechnik Mäeutik, die Hebammenkunst, also eine Geburtshilfe für neue Erkenntnisse, die so – quasi wie ein noch ungeborenes Kind – das Licht der Welt erblicken können. (In der modernen Didaktik taucht das als problembasiertes Lernen wieder auf als Form des selbstgesteuerten und entdeckenden Lernens.)

Notwendige Voraussetzungen

Diese Hebammenkunst setzt aber eben voraus, dass der andere a) nur ein bisschen blöde ist, seine inneren Widersprüche zumindest dann bemerkt und erkennt, wenn man sie ihm im Dialog aufzeigt, und b) dass er sich geistig überhaupt fortentwickeln will, wozu ein Antrieb, also eine Orientierung, mithin Qualitätsmaßstäbe vorhanden sein müssen sowie Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, also ein bestimmtes Ethos als Voraussetzung für die Bereitschaft, etwas in sich, somit sich selbst in seinem Sein zu ändern und zwar besser, hier im Sinne von weiser zu werden.

Frage: Wie viele solcher gibt es heute noch, für die sowohl (a) als auch (b) gilt und inwiefern sind hier insbesondere gerade Ideologien für dieses geistige Wachstum hinderlich?

Sokrates und die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen

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