Rafa returns: Was für ein Comeback nach 200 Tagen!

Von Jürgen Fritz, Do. 17. Sep 2020, Titelbild: ATP Tennis TV-Screenshot

200 Tage kein Turnier gespielt und dann so ein Comeback! Rafael Nadal, der König der roten Asche, schlägt beim B-Turnier in Rom (1000er-Serie) in seinem ersten Match nach sechseinhalb Monaten Pause den Halbfinalisten der US Open, den bärenstarken Pablo Carreno Busta mit 6:1, 6:1.

Was für ein Comeback!

Sechseinhalb Monate hatte Rafael Nadal kein einziges offizielles Match mehr gespielt. Am 29. Februar gewann er das Finale des C-Turniers in Acapulco (500er-Serie). Dann kam Corona und von Anfang März bis zum 21. August wurden sämtliche A-, B-, C- und D-Turniere der Welt abgesagt. In CinciTennis (B) und bei den US Open (A), wo er sogar Titelverteidiger war, entschied sich Rafa nach langer Überlegung, wegen der Corona-Pandemie nicht anzutreten und sich lieber ganz auf die europäischen Sandturniere zu konzentrieren, zumal er auch in Rom und Paris Titelverteidiger ist. Da COVID-19 in Spanien stärker als in jedem anderen Land Europa wütete, hatte Nadal das quasi hautnah mitbekommen, durfte auf Grund des dort viel strengeren Lockdowns seine Wohnung auf Mallorca lange nicht verlassen. Nicht in den Corona-Hotspot New York reisen zu wollen, war eine riskante Entscheidung. Denn während die anderen dort gleich doppelt punkteten, zuerst bei dem von Cincinnati nach New York verlegten B-Turnier (1000er-Serie), dann bei den US Open, trainierte er in Europa auf Sand. Gestern Abend dann sein erstes Match in Rom nach exakt 200 Tagen Turnier-Pause.

Gleich in seinem ersten Match musste Nadal gegen Carreno Busta antreten. Gegen den hatte Djokovic bei den US Open so große Probleme, lag im ersten Satz 5:6 mit Break hinten und schied dann per Disqualifikation aus. Carreno Busta zog dann anschließend sogar ins Halbfinale ein und lag dort gegen Zverev schon mit 2:0 Sätzen vorne, beherrschte den Deutschen vollkommen, verlor dann aber, auch weil er mit Rückenproblemen zu kämpfen hatte und nicht mehr voll aufschlagen konnte, doch noch in fünf Sätzen. Ein schwereres Los war für Nadal in seinem ersten Spiel (32er-Runde) nach dieser langen Pause kaum vorstellbar. Sechseinhalb Monate kein Match gespielt und dann zum Auftakt gegen so einen starken Spieler, das war hochgradig gefährlich. Doch der 34-Jährige meisterte diese Aufgabe nicht nur, es war zutiefst beeindruckend, wie er dies tat. Er schlug seinen Landsmann, wahrscheinlich einer der derzeit zehn bis 15 besten Spieler der Welt, der im Gegensatz zu Rafa schon jede Menge Spielpraxis sammelte in den letzten dreieinhalb Wochen, in nur 73 Minuten mit 6:1, 6:1.

Warum die Turniere in Rom und Roland Garros für Rafa so wichtig sind

Nadal, der mit Abstand beste Sandplatzspieler aller Zeiten, hat das B-Turnier in Rom schon neunmal gewonnen, die French Open sogar schon zwölfmal. Einmaliger Weltrekord aller Zeiten! Kein anderer Spieler hat jemals überhaupt irgendein Turnier mehr als neunmal gewinnen können, außer Nadal, der die French Open: 12 mal, Monte Carlo: 11 und Barcelona ebenfalls 11 mal für sich entscheiden konnte. Für ihn wird es wichtig sein, in Rom und Paris zu punkten. Die Sandplatzsaison ist Jahr für Jahr der Schlüssel und die Basis für seinen Erfolg. Normalerweise spielt er im Frühjahr immer fünf Turniere auf der roten Asche: Monte Carlo (B), Barcelona (C), Madrid (B), Rom (B) und als Höhepunkt Roland Garros, die French Open (A). Alle anderen A- und B-Turniere werden nicht auf Sand gespielt, sondern fast alle, außer Wimbledon (Rasen), auf Hartplatz.

Dies ist natürlich ein Nachteil für Sandspieler und ein Vorteil für Hardplatzspieler wie Djokovic, der mehr als doppelt so viele Turniere auf seinem Lieblingsbelag spielen kann wie Rafa: zwei statt einem Grand Slam-Turniere und sechs statt drei B-Turniere plus das ATP-Finale (B+). Und nun fielen die ersten drei dieser fünf Sand-Turniere dieses Jahr für Rafa komplett aus, insbesondere seine beiden Hausturniere Monte Carlo und Barcelona, die er jeweils sage und schreibe elfmal gewann. Rom und Roland Garros wurden dagegen von Mai/Juni auf September/Oktober verlegt. Jetzt gilt es also für Nadal, hier zu punkten.

Sollte es Rafa gelingen, bei diesen beiden Turnieren zu reüssieren, könnte er aus dem bisherigen Zweikampf dieses Jahr um die absolute Weltspitze zwischen Djokovic, der im Januar, Februar vollkommen dominierte und auch Cincy-Tennis gewann, und Thiem, der im Finale der Australian Open stand und die US Open gewinnen konnte, einen Dreikampf machen. Seit dem 1. Januar 2020 sammelte Djokovic trotz der fast sechsmonatigen Corona-bedingten Turnierpause vor Rom bereits sagenhafte 4.165 Weltranglistenpunkte. Dabei wurden ihm die bei den US Open bereits erspielten 180 Punkte auf Grund seiner Disqualifikation aberkannt, sonst wären es noch mehr. Thiem bringt es bereits auf 3.365 Punkte und Zverev auf 1.975. Nadal, der dieses Jahr erst drei Turniere bestritt (Djokovic, Thiem und Zverev alle fünf) hat dagegen vor Rom „nur“ 1.110 Punkte erspielen können, liegt hier im Moment also weit zurück. Für einen Triumph in Rom gibt es 1.000, für den Einzug ins Finale 600 Punkte. Für Rafa wäre es also enorm wichtig, hier zu punkten.

Seit über 15 Jahren in der absoluten Weltspitze

Der Einstand ist ihm auf jeden Fall glänzend gelungen. Im Endspiel von Rom könnte Nadal  übrigens auf Djokovic treffen, der hier ebenfalls antritt, an Position 1 gesetzt ist und mit einem 6:3, 6:2 über Caruso ähnlich stark ins Turnier startete. Der an drei gesetzte Stefanos Tsitsipas, der aktuelle ATP Finals-Champion, der schon bei den US Open enttäuschte, als er in der dritten Runde sechs Matchbälle gegen Borna Coric vergab und doch noch verlor, enttäuschte auch in Rom. Gleich in seinem ersten Match verlor die Nr. 6 der Welt gegen den gerade erst 19 Jahre alt gewordenen Italiener Jannik Sinner, den besten Teenager der Welt (Nr. 81 der Weltrangliste) mit 1:6, 7:6 und 2:6. Thiem und Zverev pausieren nach ihrem Wahnsinns-Finale in New York bis zu den French Open, die am Sonntag den 27. September beginnen. Dort muss Nadal sich dann womöglich gegen Zverev, Djokovic und Thiem durchsetzen, wenn er das Turnier erneut gewinnen will und Pech hat bei der Auslosung. Zuzutrauen wäre dem 34-Jährigen selbst das, aber es wird dieses Jahr für ihn sicherlich sehr schwer.

Sollte Nadal es noch immer schaffen, ganz oben mitzumischen, wäre das 15 Jahre nach seinem ersten Grand Slam-Sieg (zwei Tage nach seinem 19. Geburtstag gewann er die French Open, das schwerste Turnier der Welt, das erste Mal) und 15 Jahre nachdem er im Sommer 2005 erstmals die Nr. 2 der Welt wurde, eine unglaubliche Leistung. Vor gut einer Dekade, Ende der 2000er Jahre, hätte ihm das kaum einer zugetraut. Auf Grund seiner enorm körperlichen, kräftezehrenden Art zu spielen, dachten viele, Nadal werde mit dieser Spielweise kaum bis 30 durchhalten. Nicht wenige meinten sogar, womöglich werde, ähnlich wie bei Borg, mit Mitte zwanzig schon Schluss sein. Denn Rafa fegt seine Gegner nicht spielerisch leicht vom Platz wie Federer, er zermürbt sie oftmals regelrecht, ringt und kämpft sie mit immer wieder neuen Energie-, Willens- und Konzentrationsleistungen nieder. Das kostet viel Kraft und verschleißt den Körper im Laufe der Jahre. Entsprechend sieht die Verletzungsliste des Spaniers aus, die ausgedruckt mehrere Meter umfassen dürfte.

ATP Tennis-TV-Screenshot

Aber allen Unkenrufen zum Trotz gewann Nadal letztes Jahr mit 33 sowohl die French als auch die US Open und war am Jahresende zum fünften Mal in seiner Karriere die Nr. 1 der Welt, darüber hinaus sechsmal am Jahresende die Nr. 2. Ja er ist sogar der Einzige in der Geschichte des Herrentennis, der es schaffte, in drei verschiedenen Dekaden, in den 2000ern, den 2010ern und den 2020ern, die Weltrangliste anzuführen. Er gewann in 17 Kalenderjahren in Folge, von 2004 bis 2020, jedes Jahr mindestens ein A-, B-, C- oder D-Turnier und zehn Jahre in Folge, von 2005 bis 2014 jedes Jahr mindestens ein Grand Slam-Tournament. Beides schaffte nicht einmal Roger Federer. Nun ist er 34 Jahre und drei Monate und scheint noch immer mit den besten Spielern des Planeten mithalten zu können. Ein Sieg in Rom wäre für ihn eminent wichtig, um zu Djokovic und Thiem wenigstens ein Stück weit aufzuschließen. Der Anfang ist zumindest gemacht. Weiter so, Rafa!

Kurzzusammenfassung Nadal – Carreno Busta (die ersten 2:42 Min.)

Hier eine etwas längere Zusammenfassung in 13,5 Minuten: https://www.youtube.com/watch?v=c9UakXjkmOQ

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