Von Jürgen Fritz, Sa. 14. Nov 2020, Titelbild: Twitter-Screenshot
Nachdem gestern klar wurde, dass der traditionell republikanische Bundesstaat Arizona an Joe Biden geht, kann dieser nun auch noch Georgia und damit die US-Präsidentschaftswahl mit insgesamt 306 zu 232 Wahlmännerstimmen doch deutlich gewinnen. Im People Vote kommt Biden auf 78,5 Millionen Stimmen (50,9%), Trump auf 73,0 Millionen (47,3%), also 5,5 Millionen Stimmen weniger als Biden.
Schon vor der Wahl war klar: entscheidend werden die Swing States werden
Entscheiden für den Wahlausgang waren letztlich die unten aufgeführten sogenannten Swing States oder Battleground States („Schlachtfeldstaaten“). Swing States sind solche, in denen beide großen Parteien, Demokraten und Republikaner, gute Chancen auf den Wahlsieg haben, also quasi diejenigen, die auf der Kippe stehen.
Dass Biden in District of Columbia (3 Wahlmännerstimmen), also der Hauptstadt der Vereinigten Staaten Washington, D.C. gewinnen würde, war vor der Wahl schon klar. Dort holte er über 92 Prozent der Stimmen, Trump nicht mal 6 Prozent. Ebenso war klar, dass er im mit Abstand bevölkerungsreichsten Bundesstaat Kalifornien (55 WMS) gewinnen würde. Dort holte er fast 64 Prozent, Trump nur 34. In diesen und einigen anderen Staaten gewinnen die Demokraten immer.
Umgekehrt haben die Republikaner ihre Hochburgen, wo sie immer gewinnen, so zum Beispiel Wyoming (3 WMS) im Westen der USA, der bevölkerungsärmste Bundesstaat der Vereinigten Staaten und nach Alaska der Staat mit der geringsten Bevölkerungsdichte. Hier holte Trump fast 70 Prozent der Stimmen, Biden nicht mal 27 Prozent. Ähnliches gilt für West Virginia im Osten der USA oder Oklahoma im Mittleren Wesen.
35 bis 38 Bundesstaaten waren also letztlich nicht wirklich interessant, weil es keine Rolle spielt, ob man einen Bundesstaat mit 50, 60 oder 70 Prozent der Stimmen gewinnt. Es zählt nur, wer den Staat für sich entscheiden kann, der erhält in aller Regel alle Wahlmännerstimmen von dort. In den folgenden zwölf Staaten war es vor der Wahl aber gar nicht klar, wer dort gewinnen würde. Klar war nur, Trump müsste höchst wahrscheinlich mindestens acht dieser zwölf Staaten gewinnen, wenn nicht sogar neun.
2016 gewann Trump zehn der zwölf entscheidenden Schlüsselstaaten
2016 gelang ihm dies. Trump gewann damals: 1. Georgia (16 WMS), 2. Arizona (11), 3. Florida (29), 4. Iowa (6), 5. Michigan (16), 6. North Carolina (15), 7. Ohio (18), 8. Pennsylvania (20), 9. Texas (38) und 10. Wisconsin (10). Trump gewann vor vier Jahren also zehn dieser zwölf Swing States und damit klar die Wahl.
Und in der Wahlnacht letzte Woche sah es zunächst wieder gut aus für den noch amtierenden Präsidenten. Schnell schon war klar, dass er die zwei eminent wichtigen Staaten Texas mit 38 Wahlmännern und Florida mit 29 WMS gewinnen würde. Dann kam auch noch Ohio mit 18 WMS dazu, das meist als Gradmesser gilt. Wer Ohio gewinnt, gewinnt meist auch die Präsidentschaftswahl, heißt es seit langem. Auch Iowa mit 6 WMS konnten sich die Republikaner noch sichern. Aber dann geriet der Trump-Zug ins Stocken und Staaten, in denen er knapp führte, kippten im Laufe der Auszählung immer mehr zu Biden.
Biden nimmt Trump gegenüber 2016 fünf Swing States weg und gewinnt damit die Wahl recht deutlich mit 306 zu 232
In New New Hampshire (4) war schnell klar, dass Biden gewinnen würde, aber dann kamen Wisconsin (10) und Michigan (16) dazu und damit sah es schon schlecht aus für Trump. Als er dann auch noch Nevada (6), Pennsylvania (20) und Arizona (11) dazu kamen, war das Ding für Trump bereits hoch verloren. Schließlich kam dann Georgia (16) auch noch dazu. Trump hat gegenüber 2016 fünf dieser zwölf Swing States verloren (!) und damit die Wahl doch recht deutlich mit 232 – 306.
Den Republikanern fehlen mindestens drei bis vier Staaten zum Sieg
In Georgia und wohl auch anderen Staaten wird es zu einer Zweitauszählung kommen. An Bidens Sieg dürfte dies aber nichts mehr ändern. In Georgia werden Wahlhelfer in den 159 Landkreisen des US-Bundesstaats alle Stimmzettel per Hand nachzählen. Damit soll überprüft werden, ob die Zählmaschinen akkurat gearbeitet haben. Diese Nachzählung ist möglich, weil der Abstand zwischen Trump und Biden weniger als 0,5 Prozentpunkte beträgt. Bis Mittwoch soll die Aktion abgeschlossen sein, bis zum 20. November muss das Wahlergebnis in Georgia beglaubigt werden.
Bidens Vorsprung in Georgia beträgt aber über 14.000 Stimmen, in Arizona über 10.000 Stimmen, in Wisconsin über 20.000, in Pennsylvania über 63.000 und in Michigan sogar über 146.000. Dass sich dies durch eine zweite Auszählung diese Verhältnisse nochmals ändern könnten, gilt als sehr unwahrscheinlich.
Und selbst wenn sich in einem Staat die Verhältnisse doch nochmals ändern sollten, was wie gesagt, sehr unwahrscheinlich ist, so würde das Trumps Niederlage ja nur in der Höhe abmildern. Den Republikanern fehlen bis zu den 270 nötigen Wahlmännerstimmen 38. Es müsste also in mindestens drei, wenn nicht vier Staaten nachgezählt werden und alle Nachzählungen müssten dann ergeben, dass Trump dort doch gewonnen hat.
Trumps Anwälte scheitern vor Gericht mit mehreren Klagen
Hinzu kommt, das Team von Trump scheiterte bereits mit mehreren Klagen, jetzt auch in Michigan. Ein Gericht des Bundesstaates wies den Antrag zurück, die Zertifizierung des Ausgangs in dem Wahlbezirk um die Großstadt Detroit zu untersagen. „Die Interpretation der Ereignisse durch den Kläger ist falsch und unglaubwürdig“, befand der zuständige Richter. Das Wahlkampfteam hatte Wahlfälschung und Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe geltend gemacht.
Auch in Pennsylvania wies ein Berufungsgericht einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen die Zählung von 9.300 Briefwahlstimmen zurück, die nach dem Wahltag am 3. November eingegangen waren. Das dreiköpfige Richtergremium habe dabei eine These berücksichtigt, die „in unserem demokratischen Prozess unstrittig ist: dass jede rechtmäßig abgegebene Stimme von allen Bürgern zählen muss„, schrieb Bezirksrichter D. Brooks Smith. Die Kläger hätten schlicht nicht das Recht, von pflichtbewussten Wählern eingereichte Wahlzettel anzufechten, die im chaotischen Corona-Jahr versucht hätten, die Regeln zu befolgen.
Insofern deutet alles darauf hin, das Joe Biden der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden wird, höchstwahrscheinlich übrigens mit genau dem gleichen Ergebnis wie Trump 2016, mit 306 zu 232 Wahlmännerstimmen. Und mit 5,5 Millionen mehr Stimmen der US-Bürger.
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