Der tragische Tod der Kamerafrau Halyna Hutchins nimmt eine neue Wendung

Von Jürgen Fritz, Sa. 23. Okt 2021, Titelbild: ET-Screenshot

Wie gestern ausführlich berichtet, kam es am Donnerstag am Filmset zu dem Western „Rust“ zu einer wahren Tragödie, als die 42-jährige Kamerafrau Halyna Hutchins von einem Projektil, das aus einer Requisitenwaffe abgefeuert wurde, tödlich und der Regisseur Joel Sousa schwer verletzt wurde. Inzwischen gibt es erste Hinweise, dass bei den Dreharbeiten womöglich Sicherheitsvorkehrungen grob missachtet wurden.

Polizei durchsucht Filmgelände und beschlagnahmt Requisitenwaffen und weiteres Material

Wie die New York Times und CNN berichten, geht aus einem Bericht der Polizei von Santa Fe hervor, dass ein Regieassistent dem Hauptdarsteller und Co-Produzenten Alec Baldwin (63) den Revolver mit den Worten „Cold Gun“ übergeben habe. Daher durfte der Schauspieler davon ausgehen, dass die Waffe nicht scharf geladen war.

Ironie des Schicksals: Der Western Rust handelt von einem 13 Jahre alten Jungen, der aus Versehen jemanden umbringt. Die Dreharbeiten hatten am 6. Oktober auf der Bonanza Creek Ranch südlich von Santa Fe, begonnen. Das Gelände nahe einer früheren Goldgräberstadt in der Wüste New Mexicos war ein ausgesprochen beliebter Drehort. Hier wurden bereits mehr als 130 Filme aufgenommen.

Am Freitag durchsuchte die Polizei das Filmgelände und beschlagnahmte insbesondere die Requisitenwaffen, die sogenannten prop guns, aber auch Munition, Kleidungsstücke, Computerausüstung und Filmmaterial. Laut der  Los Angeles Times soll es zu dem tödlichen und den Regisseur schwer verletzenden Schuss gekommen sein, als Baldwin den Revolver aus dem Holster zog. Doch nun wird brisant.

Es gab zuvor schon mehrere Fehlzündungen mit diesem Revolver

Der diese Schüsse aus dem Requisitenrevolver waren offenbar nicht die ersten Fehlzündungen der Waffe. Der Revolver soll zuvor schon dreimal Fehlzündungen gehabt haben. Laut der Los Angeles Times hatte just der Revolver, aus dem Alec Baldwin den tödlichen Schuss abgab, bereits am Samstag vor einer Woche zweimal und in der Vorwoche einmal, insgesamt also dreimal, fehlgezündet. Ein Stunt-Double des Hauptdarstellers Alec Baldwin habe zuvor bereits zweimal versehentlich scharfe Schüsse abgegeben, obwohl dem Double zuvor gesagt worden sei, dass die Waffe „kalt“, also nicht scharf geladen wäre.

Ein Filmcrew-Mitarbeiter habe der Los Angeles Times darüber hinaus bestätigt, dass dieser Vorfall nicht weiter untersucht worden sei. Und: „Es gab auch keine Zusicherung, dass so etwas nicht wieder passieren würde.“ Das will die überregional erscheinende US-amerikanische Tageszeitung mit Sitz in Los Angeles von einem Insider erfahren haben.

Es gab schon vor dem Unglück Proteste der Mitarbeiter gegen Sicherheitsmängel

Außerdem soll es am Filmset durchaus nicht so harmonisch zugegangen sein, wie das anfangs suggeriert wurde. Es soll sogar zu Protesten der Mitarbeiter gegen Sicherheitsmängel gekommen sein. Die Sicherheitsunterweisungen am Filmset in der Wüste von New Mexico seien mangelhaft gewesen. Mehrere Mitarbeiter der Crew sollen sogar mehrfach auf diverse Sicherheitsmängel hingewiesen und Verbesserungen eingefordert haben. Insbesondere Halyna Hutchins, die wohl Chef-Kamerafrau und Mitglied der Filmangestellten-Gewerkschaft IATSE war, habe sich für sicherere Bedingungen für ihr Team eingesetzt.

Zu einem regelrechten Streit soll außerdem gekommen sein wegen der Unterbringung des Teams und verspätete Gehaltszahlungen gegeben. Offenbar handelt es sich bei Rust um ein Low-Budget-Produktion, so dass die finanziellen Mittel sehr begrenzt waren. Der Filmcrew sei aber im Vorhinein versprochen worden, dass die Produktionsfirma die Kosten für die Unterbringung übernehmen würde und das Team nahe des Drehortes Santa Fe untergebracht sein würde, so dass zu den langen Drehzeiten nicht noch zusätzlich die Zeiten für An- und Abfahrt jeden Tag dazu kämen. Nach Drehstart habe es dann aber plötzlich geheißen, dass alle im 50 Kilometer entfernten Albuquerque wohnen und täglich zum Drehort anreisen sollten, so dass zu den langen Arbeitszeiten jeden Tag nochmals ein bis zwei Stunden für die An- und Rückfahrt dazu kamen.

Wenige Stunden vor dem tödlichen Schuss verließen sechs Crewmitglieder das Filmset aus Protest und wurden durch andere ausgetauscht

Der Streit soll schließlich dergestalt eskaliert sein, dass insgesamt sechs Kameraleute und Assistenten wenige Stunden vor dem tragischen Unglück das Set aus Protest gegen die Arbeitsbedingungen verlassen haben. Diese sechs Crewmitglieder seien dann von der Produktionsgesellschaft Rust Movie Productions durch eine neue Crew ersetzt worden, die nicht in der Gewerkschaft organisiert gewesen sei, so die Los Angeles Times weiter. Nur sechs Stunden sei es dann zu dem tödlichen Schuss auf Halyna Hutchins und der schweren Verletzung von Joel Souza gekommen.

Damit steht der Verdacht der fahrlässigen Missachtung von Sicherheitsregeln im Raum

Sollte sich diese Darstellung bewahrheiten – oder im Zuge der polizeilichen Ermittlungen gar noch weitere Details ans Tageslicht kommen -, so bekäme der Fall eine andere Wendung. Der Tod von Halyna Hutchins wäre dann womöglich kein völlig unvermeidlicher tragischer Unfall gewesen. Sicherlich lag hier von keiner Seite eine böse Absicht vor, aber es könnte sich die Frage stellen, ob hier nicht Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit Schusswaffen fahrlässig missachtet wurden. Sollte sich das bewahrheiten, dürfte aber nicht leicht festzustellen sein, wer dafür die konkrete Verantwortung getragen hat.

Es bleibt zu hoffen, dass aus diesem zutiefst tragischen Fall wenigstens Schlüsse für zukünftige Filmdreharbeiten gezogen und die Sicherheitsvorkehrungen und deren Kontrolle verbessert werden, damit so etwas hoffentlich nie wieder passiert. Halyna Hutchins, ihrer Familie und ihren Freunden wird dies freilich nichts mehr nützen.

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