Darüber lachte Laschet

Von Jürgen Fritz, Fr. 31. Dez 2021, Titelbild: YouTube-Screenshot

Am 26. September haben die Deutschen den Bundestag neu gewählt. Das entscheidende Ereignis fand aber schon mehr als zwei Monate zuvor statt, am 17. Juli in Erftstadt, als der Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet gefilmt wurde, wie er mitten im Flutgebiet völlig deplatziert lachte. Mehr als fünf Monate später wurde nun bekannt worüber.

Laschet war von Anfang an kein guter Kandidat, aber mit Scholz und Baerbock wäre er schon fertig geworden, wenn das nicht passiert wäre

Sicher, es kam vieles zusammen, aber letztlich war es diese Szene, die die Bundestagswahl 2021 entschieden hat. Dieses völlig deplatzierte Lachen, diese Bilder wurde Armin Laschet in den nächsten zehn Wochen bis zur Wahl nicht mehr los. Wäre ihm dieser katastrophale Fauxpas nicht unterlaufen respektive wäre es nicht gefilmt und fotografiert worden, wäre heute nicht Olaf Scholz, sondern höchstwahrscheinlich Armin Laschet der neunte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Armin Laschet war von Anfang an ein schwacher Kanzlerkandidat, keine Frage. Im Grunde war er der falsche. Mit Friedrich Merz, gegen den Laschet sich bei den ca. tausend CDU-Delegierten bei der Wahl zum neuen CDU-Vorsitzenden knapp durchsetzen konnte, hätte die Union wohl klar bessere Chancen gehabt, da er die eigenen Wähler besser mobilisieren hätte können. Natürlich weiß man nie, ob nicht auch ihm schwere Patzer im Wahlkampf unterlaufen wären, aber dass er so schlecht performt hätte wie Laschet, ist doch sehr unwahrscheinlich. Ähnliches gilt für den CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Mit ihm hätte die Union wahrscheinlich noch mehr Stimmen holen können. Aber es kam anders.

Mitte Juli war die Union noch fast doppelt so stark wie die SPD

Am späten Abend des 26. September bzw. in der Nacht stand dann endgültig fest: Die SPD liegt tatsächlich vor der Union. Dabei hatte es auch Anfang/Mitte Juli noch völlig anders ausgesehen. CDU/CSU standen da bei ca. 29, die SPD bei 15 bis 16 Prozent, mehr als 13 Punkte hinter der Union und sogar vier Punkte hinter den Grünen, die da schon im freien Fall waren nach Baerbocks Patzern. CDU/CSU waren da noch fast doppelt so stark wie die SPD! Doch dann entstanden am 17. Juli diese Bilder des lachenden Laschet mitten im Flutgebiet in NRW und ab da ging es Woche um Woche immer weiter nach unten. Erst kurz vor der Wahl schafften CDU/CSU und Laschet die Trendwende und konnten wieder ein klein wenig gut machen, aber da war es schon zu spät.

2021-07-11

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Schon zuvor machte die Union vier schwere Fehler

Natürlich hätte die CDU niemals Laschet zu ihrem Parteivorsitzenden wählen dürfen. Die tausend Delegierten machten im Januar 2021 den gleichen Fehler wie schon zwei Jahre zuvor, als sie im Dezember 2018 Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Bundesvorsitzenden wählten. Immer wurde Friedrich Merz von diesen tausend Parteifunktionären verhindert, obschon die fast 400.000 CDU-Mitglieder und die vielen Millionen Unionswähler jahrelang bei jeder Befragung überdeutlich zum Ausdruck gebracht hatten, wen sie sich als neuen Vorsitzenden wünschen. Und am Ende wird er es jetzt ja auch.

Die Wahl Laschets war also nach der Wahl Kramp-Karrenbauers der zweite große Fehler. Der dritte war dann die Art und Weise, wie Markus Söder sich mit Armin Laschet um die Frage stritt, wer der Kanzlerkandidat der Union werden soll und der vierte Fehler war, dass Söder auch im Nachhinein nicht bereit war anzuerkennen, dass die Entscheidung im April 2021 für Laschet gefallen war. Natürlich war er zurecht sauer, dass die CDU ihm die Unterstützung verweigerte, obschon die Union mit ihm deutlich bessere Wahlchancen gehabt hätte. Das war ein riesiger taktischer Fehler, wenngleich es wohl nicht ganz unbegründet auch viele Zweifel bezüglich des Charakters des CSU-Vorsitzenden schon damals gab.

Diese Zweifel erwiesen als mehr als berechtigt, denn Söder ließ in der folgenden Wochen kaum eine Gelegenheit aus, Laschet zu desavouieren. Auch das schadete dem Kanzlerkandidaten und der gesamten Union nochmals zusätzlich.

Nach dem 17. Juli dachten Millionen Menschen: Nein, den will ich nicht als Bundeskanzler

Dann kam aber dieser ominöse Tag. Der 17. Juli 2021. Dieser Tag gab Laschet als Kandidat für den höchsten Regierungsposten in Deutschland den Todesstoß. Diese Bilder bekamen die Deutschen nicht mehr aus dem Kopf. Und viele fragten sich natürlich völlig berechtigt: Ist das der richtige Mann, um die deutsche Bundesregierung anzuführen?

Natürlich kann man nicht von morgens bis abends durchgehend eine Trauermiene aufsetzen. Das ist menschlich, wenn man den ganzen Tag unterwegs ist und so viel Leid hautnah mitbekommt, dass es auch mal ein paar Sekunden gibt, in denen man – vielleicht auch um das innerlich auszuhalten – nach Entlastung und innerer Befreiung sucht. Kaum jemand hätte etwas gesagt, hätte Laschet einfach mal kurz geschmunzelt im Hintergrund. Aber die Art, wie er lachte, das geht einfach nicht. Dadurch musste der Eindruck entstehen, in Wahrheit geht ihm das innerlich nicht wirklich sehr nah, was dort im Flutgebiet passiert war. Wahrscheinlich stimmt das so gar nicht, aber allein dass dieser Eindruck entstehen konnte, reichte. Ab da war die Glaubwürdigkeit, die ohnehin nicht die größte war bei Armin Laschet, dahin. So jemanden möchten die meisten Menschen einfach nicht als Regierungschef haben, der das Land ja auch in der ganzen Welt repräsentiert. Noch dazu wenn er zuvor noch nie etwas Großartiges geleistet hat für das Land, das so einen Fauxpas irgendwie wieder aufwiegen könnte, sondern wenn es sich um einen Kandidaten handelt, der noch nie Kanzler war, also ohne Amtsbonus antritt.

Dabei hat der CDU/CSU nur ein Pünktchen gefehlt, die sie der SPD noch hätten wegnehmen müssen

Am Ende reichte es nicht für Laschet und es waren nur ganze 1,6 Punkte, die er und die Union am Ende hinter Scholz und der SPD lagen. Hätte die Union nur ein Pünktchen weniger an die SPD verloren, dann wäre sie bei 25,1 Prozent gelandet und die SPD bei 24,7. Dann wäre Laschet wohl heute Kanzler einer Jamaika-Koalition. Der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war schon zuvor kein guter Kandidat. Das Potenzial der Union von 35 bis 39 Prozent – so hoch stand sie von April 2020 bis Februar 2021 – konnten CDU/CSU mit ihm niemals erreichen. Aber selbst 30 oder selbst etwas über 25 Prozent hätten ja gereicht und seine Gegenkandidaten waren ja nicht wirklich besser. Scholz lag am Ende nur deswegen vorne, weil ihm keine solchen extremen Ausrutscher unterliefen wie Laschet und Baerbock. Gegen zwei starke andere Kandidaten wäre die SPD wohl irgendwo zwischen 15 und 20 Prozent gelandet, maximal. Niemals bei über 25 Prozent.

Vorl. Ergebnis

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Darüber lachte Laschet

Dieses Lachen von Laschet hat die Bundestagswahl 2021 entschieden. Und nun wurde auch bekannt, worüber er lachte, wie das Redaktionsnetzwerkt Deutschland (RND) und auch andere Medien berichten. Als nämlich Bundespräsident Steinmeier eine kurze Ansprache vor Medienvertretern hielt, wartete Laschet abseits in einer Gruppe aus Begleitern sowie CDU-Politikern aus der Region. Die Szenerie im Hintergrund des Bundespräsidenten wurde – und das wurde Laschet zum Verhängnis – von mehreren TV-Kameras eingefangen. Die Gruppe, die einige Meter entfernt stand, konnte nicht hören, was Steinmeier vorne sprach. Das berichteten mehrere Teilnehmer.

Und dann passierte das Entscheidende. Laschet wandte sich an den neben ihm stehenden Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Frank Rock, und machte ihn scherzhaft darauf aufmerksam, wie er den Bundespräsidenten begrüßt hatte. Nach übereinstimmenden Angaben von Umstehenden neckte Laschet seinen Parteikollegen damit, dass er das Staatsoberhaupt nur mit „Herr Steinmeier“ und nicht mit „Herr Bundespräsident“ angesprochen hatte. Das ist protokollarisch nicht korrekt. Der Landrat Rock habe Laschet darauf frotzelnd geantwortet, er sei so überrascht darüber gewesen, dass Steinmeier „auch so klein ist wie Du“. Auf diese Antwort hin von Rock musste Laschet so lachen und das während der Bundespräsident mit ernster Miene gerade von denen sprach, „die große Verluste erlitten haben“. Viele Menschen waren gestorben, tausende haben ihr Hab und Gut in den Fluten verloren. Einen unpassenderen Zeitpunkt zum Lachen und Witze machen hatte es wohl selten jemals gegeben.

Kurz später haben einige in der Gruppe, so auch Steinmeier darüber amüsiert, dass sich Reporter teils skurril verrenkten, um ihre Mikrofone nah an die Sprechenden zu halten, ohne dabei den Kameraleuten im Bild zu stehen. Auch dieses Lachen wirkte sehr deplatziert, zumal ja Steinmeier gerade selbst gesprochen hatte. Aber dieses Lachen war zumindest etwas dezenter, nicht so extrem wie bei Laschet.

Laschet entschuldigte sofort, aber da war es schon zu spät, die Milch war aus der Tüte

Dieser wurde später immer wieder gefragt, worüber er so gelacht habe, wollte das aber nie sagen. Ihm sei völlig bewusst, dass dies ein Riesenfehler war, für den er sich auch glaubhaft entschuldigte. „Uns liegt das Schicksal der Betroffenen am Herzen, von dem wir in vielen Gesprächen gehört haben“, schrieb Laschet sofort, noch auf dem Nachhauseweg. „Umso mehr bedauere ich den Eindruck, der durch eine Gesprächssituation entstanden ist. Dies war unpassend, und es tut mir leid.“ Aber da war es zu spät. Die Milch war aus der Tüte und wenn das mal geschehen ist, kriegt man sie nicht wieder zurück.

„Ich habe Armin Laschet bei seinen Gesprächen mit den Betroffenen begleitet, und er hat immer sehr große Empathie gezeigt“, sagte eine Nothelferin, die CDU-Kreistagsabgeordnete Regina Böhmer. Aber das half alles nicht mehr. Auch Landrat Rock entschuldigte sich gleich am nächsten Tag, sprach von einer „emotional aufgeladenen Situation“: „Ich habe gestern mit Betroffenen geweint, aber auch in einer kurzen Situation gelacht. Sollte ich damit die Gefühle von Menschen verletzt haben, entschuldige ich mich dafür ausdrücklich. Auch der Landrat ist nur ein Mensch und macht Fehler.“

Viel später, als für ihn alles verloren war, die Bundestagswahl, das Kanzleramt und auch sein Ministerpräsidentenamt in NRW sagte Laschet selbst: „Das hat ein anderes Bild von mir gemalt, als wie mich die Leute kennen. Ich bin ein empathischer Mensch, das war ich auch in der Flut. Aber das falsche Bild war in der Welt. Da kann man sich zwanzigmal entschuldigen oder erklären, warum das so war. Irgendeiner macht eine blöde Bemerkung, es lohnt nicht, darüber zu reden“. Die Milch war ab diesem Moment verschüttet. Bei all dem, was schon zuvor nicht gut gelaufen war, aber es waren diese Sekunden, die Laschet das Amt des Bundeskanzlers gekostet haben.

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