Wie Scholz und die SPD außen- und sicherheitspolitisch versagen

Von Jürgen Fritz, Fr. 23. Feb 2024, Titelbild: X-Screenshot

Nur wenige Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24.02.2022 hatte die ehemalige NATO-Chefstrategin Dr. Stefanie Babst als Gutachterin im Bundestag eindringlich vor einem Krieg in Europa gewarnt. Doch man wollte nicht auf sie hören. Nach zwei Jahren Krieg übt sie scharfe Kritik insbesondere an Bundeskanzler Scholz und seinem SPD-Umfeld.

Schon Monate vorher war deutlich: Hier braut sich etwas zusammen, aber man wollte es nicht wahrhaben, weil es nicht ins Russlandbild passte

„Bereits im Oktober und November war sehr deutlich: Hier braut sich etwas zusammen“, sagt die deutsche Politologin und ehemalige NATO-Chefstrategin Dr. Stefanie Babst im Interview mit ntv. „Ich habe das Putinsche System über zwanzig Jahre eng verfolgt und kann es gut einschätzen. Um eins und eins zusammenzuzählen, brauchte es nicht allzu viel Fantasie.“

Aber man wollte nicht auf die Politikberaterin hören. Warum nicht?

Zum einen passe es nicht zu dem weit verbreiteten Russlandbild in Deutschland, das man viele Jahre lang schöngeredet habe, so Babst. Zum anderen würden viele politische Entscheidungsträger gerne Dinge ausblenden, die unangenehm sind. „Die sogenannten ‚Blind Spots‘ gegenüber Russland, also die blinden Flecken, waren und sind in unserem Land sehr ausgeprägt. Und schließlich: Etliche der politischen Akteure, die vor zwei Jahren vor mir saßen, sind auch mitverantwortlich für das jetzige Drama.“ An Nord Stream 2 habe die Regierung noch festgehalten, als Russlands Truppen schon an der ukrainischen Grenze standen. „Als Bundeskanzler Scholz nach Moskau reiste, war bereits klar, was passieren würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Putin seine Entscheidung, die Ukraine zu überfallen, längst gefällt. Aber weder im Bundestag noch in der Regierung hatte man einen Plan, wie man darauf reagieren sollte.

Die Verantwortung dafür, dass die Ukraine nun wieder in die Defensive geraten ist, liegt in dem mangelnden politischen Willen bei uns

„Wenn wir der Ukraine von Anfang an das gegeben hätten, was sie für das Erreichen ihrer militärisch-operativen Ziele von uns erbeten hat und unsere militärische Unterstützung langfristig geplant hätten, dann wäre die Ukraine militärisch heute völlig anders aufgestellt“, sagt die Sicherheitsexpertin. „Das haben wir aber nicht gemacht und jetzt sind wir an einem Punkt, wo die Ukraine in die Defensive geraten ist.“

Für die Ukraine werde es in den kommenden Monaten sehr schwer werden, sich gegen die russischen Truppen zu verteidigen. Die Verantwortung dafür liege nicht bei den ukrainischen Kämpfern, sondern „in dem mangelnden politischen Willen auf unserer Seite.

Deutschland trägt Mitschuld, die Verzögerungstaktik der Scholz-Regierung ist mit der notwendigen strategischen Ernsthaftigkeit unvereinbar

Es klinge wie ein Armutszeugnis für Europa, wenn zwei Jahre nach Kriegsbeginn aktuell der Munitionsmangel das größte Problem in der Ukraine sei, konstatiert ntv und fragt, ob Deutschland daran eine Mitschuld trage.

„In meinen Augen ja“, antwortet Stefanie Babst klipp und klar. „Wenn man sich gegen heranstürmende Panzer wehren will, braucht man viel Artilleriemunition. Die Ukrainer haben diesen Punkt immer wieder unterstrichen.“ Es sei natürlich ein Armutszeugnis, dass die Europäische Union sich vor einem Jahr dafür feierte, eine Million Schuss herstellen zu wollen, dann aber feststellen musste, dass sie gerade mal irgendwas zwischen 200.000 und 250.000 schaffe. „Dafür ist auch die Bundesregierung mitverantwortlich.“ Auch bei anderen wichtigen Waffensystemen habe die Scholz-Regierung immer wieder gezögert: „Sollen wir Gepard und Leopard liefern? Sollen wir Raketenabwehrsysteme liefern?“ Die politische Diskussion darüber habe sich stets über viele Monate in einer Endlosschleife hingezogen, welche der russischen Seite damit konkrete operative Vorteile gebracht habe. „Das trifft auch auf die Marschflugkörper Taurus zu. Diese Verzögerungstaktik ist mit der notwendigen strategischen Ernsthaftigkeit unvereinbar“, sagt die Expertin in aller Deutlichkeit.

Scholz weigert sich zu sagen, dass wir das Terrorregime in Moskau zusammen mit der Ukraine militärisch besiegen müssen

Aber welche Strategie steckt hinter dieser Verzögerungstaktik? Warum sträuben sich die SPD und Scholz zum Beispiel seit Wochen und Monaten die so dringend benötigten Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern? Dazu sagt Frau Babst:

„Das Bundeskanzleramt hat in den letzten Monaten immer wieder verschiedene Argumente vorgebracht, warum es gegen eine Lieferung von Taurus ist. Keines dieser Argumente ist valide. Mal ganz davon abgesehen, dass Frankreich und Großbritannien bereits ähnliche Systeme liefern.“ Wenn man den Aussagen folge, die aus dem engeren Umfeld von Bundeskanzler Scholz kommen, beispielsweise von seinem sicherheitspolitischen Berater Jens Plötner, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) oder gar SPD-Fraktionschef Mützenich, „dann habe ich das deutliche Gefühl, dass sie trotz aller offiziellen Solidaritätsbekundungen daraufsetzen, dass die Ukraine an den Verhandlungstisch mit Russland gezwungen werden soll. Russland darf den Krieg nicht gewinnen, sagt Scholz; aber er sagt nicht, dass wir das Terrorregime in Moskau zusammen mit der Ukraine militärisch besiegen müssen.“

Mit einem Kriegsverbrecher und Mafiaboss verhandelt man nicht, das wird in vielen NATO-Hauptstädten so gesehen, aber nicht in Deutschland

Und während Russland eine rote Linie nach der anderen in der Ukraine überschreite, „redet die SPD-Führung davon, dass man Moskau nicht provozieren dürfte.“ Irgendwann, so habe das ja auch jüngst Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, gesagt, werden wir mit Wladimir Putin wieder an einem Tisch sitzen. „Er redet von einem weiteren Minsk-Format. Diese Vorstellung von Verhandlungen mit einem Kriegsverbrecher und Mafiaboss ist für mich persönlich komplett inakzeptabel. So wird das auch in vielen anderen NATO-Hauptstädten gesehen. Aber eben nicht in Deutschland.“

Hier das komplette, hochinteressante und sehr aufschlussreiche Interview mit Dr. Stefanie Babst, in der es auch um die Fragen geht, was Stefanie Babst schon vor dem russischen Angriffskrieg wusste, was andere nicht wussten, was sich in den letzten zwei Jahren geändert hat, ob Russland sich bereits militärisch auf eine Konfrontation mit dem Westen (der NATO) vorbereitet, was wir anders machen müssten, ob das Zwei-Prozent-Ziel der NATO ausreicht und was von der Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms zu halten ist, insbesondere dann, wenn Trump wiedergewählt wird:

NATO-Expertin zu Kriegsfolgen: „Wir müssen uns auf einen langen Konflikt mit Russland einstellen“

*

Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:

Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: JFB und ggf. welcher Artikel Sie besonders überzeugte. Oder über PayPal – 3 EUR – 5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 50 EUR – 100 EUR