Wolfgang Kubicki liest SPD und den Grünen die Leviten

Von Jürgen Fritz, Di. 04. Feb 2025, Titelbild: Bundestag-Screenshot

Letzten Freitag kam es im Bundestag zu einer historischen Debatte zur Migrationspolitik. Eine der besten Reden hielt der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. Es lohnt sich, diese Rede zu lesen und anzuhören. Etwas enttäuschend war dann aber das Abstimmungsverhalten der FDP-Fraktion.

Die Rede von Wolfgang Kubicki in Textform

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir nicht ganz sicher, ob wir alle gut beraten sind, angesichts der Frage, wie wir die Migration steuern können, permanent eine Anti-AfD-Debatte zu führen. Ich bin mir nicht sicher.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin vor 54 Jahren in die FDP eingetreten und habe schon Wahlkampf für Willy Brandt und Walter Scheel gemacht, als viele von denen, die hier im Saal sitzen, noch nicht einmal geboren waren. Und auch ich bin damals für „… mehr Demokratie wagen“ eingetreten. Ich war 1990 Abgeordneter des ersten freigewählten gesamtdeutschen Parlaments seit 1933, das Willy Brandt als Alterspräsident eröffnet hat, nachdem mutige Menschen in der DDR für Demokratie und Freiheit aufgestanden sind. Ich habe 25 Jahre als Vorsitzender einer Landtagsfraktion meinem Land gedient und die Institutionen unseres Staates in den 90er-Jahren schon gegen die DVU verteidigt und gemeinsam mit Ralf Stegner dafür gesorgt,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Um Gottes willen!)

dass die AfD wieder aus dem Schleswig-Holsteinischen Landtag verschwunden ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich wurde 2019 für meinen jahrzehntelangen Einsatz für den Rechtsstaat und die Demokratie vom Bundespräsidenten mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Und jetzt muss ich mir von einer Vorfeldorganisation der regierungstragenden Grünen sagen lassen, ich würde einer Initiative zustimmen, die rechtsextrem, rassistisch und demokratiefeindlich ist, und ich würde dem Faschismus Tür und Tor öffnen. Gleichzeitig muss ich mir von der Vorsitzenden der Grünenfraktion sagen lassen, meine Partei stünde rechts der AfD. Was soll das eigentlich heißen, liebe Kollegin Haßelmann? Ist die AfD für Sie gesprächsfähiger als wir? Was soll das heißen?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn sich jemand entschuldigen muss, dann Frau Haßelmann bei meiner Partei.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Liebe Grüne, wer politische Mitbewerber auf diese Weise abqualifiziert, die ihre parlamentarische Pflicht erfüllen und in der Sache einer politischen Initiative ihre Zustimmung geben, der sollte sich in Fragen der Moral besser zurückhalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Und ich finde, eine Partei, bei der die Unschuldsvermutung in eine Schuldvermutung umgekehrt wird, sollte sich insgesamt mit Belehrungen zurückhalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias Helferich [fraktionslos] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wenn wir jetzt erleben, dass CDU-Zentralen beschmiert werden und die Polizei Veranstaltungen mit CDU- und FDP-Beteiligung schützen muss, frage ich Sie: Was tun Sie gegen diese Verrohung des demokratischen Diskurses? Was tun Sie dagegen?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos] und Matthias Helferich [fraktionslos] -Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ganz genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es unmoralisch, dass die Grünen in den vergangenen Jahren bei jeder vernünftigen Initiative zur Begrenzung der Migration versucht haben, diese zu hintertreiben oder zu verschleppen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias Helferich [fraktionslos] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich finde es unmoralisch, dass die deutschen Grünen im Europäischen Parlament gegen die GEAS-Reform gestimmt haben, Frau Außenministerin.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Joana Cotar [fraktionslos] und Matthias Helferich [fraktionslos])

Ich finde es unmoralisch, dass die Grünen die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer immer wieder verhindert haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Thomas Ehrhorn [AfD] und Joana Cotar [fraktionslos])

Und ich finde es unmoralisch, dass die Grünen nach dem Anschlag von Aschaffenburg, von sich selbst ergriffen, Selfie-Fotos machen, während wenige Hundert Meter davon entfernt Dutzende Hamas-Anhänger brüllen: „Tod den Juden!“ – und kein Wort dazu.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Alexander Ulrich [BSW], Joana Cotar [fraktionslos] und Matthias Helferich [fraktionslos])

Ich finde es unmoralisch, dass Sozialdemokraten und Grüne bei jedem Anschlag tief betroffen sind, aber seit Jahren wegschauen, wie die Freiheit im Land meterweise stirbt,

(Beifall bei der FDP)

– hören Sie genau zu! –: dass sich ein schwules Pärchen nicht mehr in jedem Stadtteil in Berlin sicher fühlen kann, dass Juden auf deutschen Straßen nicht mehr sicher sind und dass sich Frauen aus bestimmten öffentlichen Bereichen mittlerweile zurückziehen. Wenn Ricarda Lang postet: „Ich gehe nicht mehr durch den Görlitzer Park“, dann ist es 12 Uhr.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Matthias Helferich [fraktionslos])

Wer glaubt, andere mit moralischen Appellen beeindrucken zu können, während er selbst nichts tut, um offenkundige Probleme im Land anzugehen, der zeigt nur eines: Es geht ihm nicht um das Land, es geht ihm nur um sich selbst.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf ist richtig. Dass jetzt Begrenzung als Ziel definiert wird, ist nicht neu, das stand bereits im Gesetz, und Sie wissen, dass es auf Verlangen der Grünen herausgenommen worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Und wenn der Kanzler sagt: „Darüber kann man reden“, dann sage ich: Reden wir darüber! Dass wir mit dem Gesetzentwurf die Ausweitung der Kompetenzen der Bundespolizei formulieren, kann eigentlich auch nicht kritisch sein. Es ist eine Forderung der Ministerpräsidenten aus dem Oktober 2024.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Einstimmig! Einstimmig!)

Genauso die Forderung, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten auf ganz wenige Härtefälle zu beschränken: Wir vollziehen damit nur eine Forderung der Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Stephan Weil, Manuela Schwesig, Anke Rehlinger, Daniel Günther, Hendrik Wüst, Kai Wegner und vieler anderer nach. Es ist zum Teil in Ihrem Wahlprogramm enthalten. Sie wollen dem nicht zustimmen, obwohl in Ihrem Wahlprogramm fast exakt das Gleiche steht. Die Wählerinnen und Wähler können sich entscheiden, wem sie glauben: Ihnen – dem, was Sie hier vorführen – oder uns, die wir die Probleme lösen wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Was Sie hier seit Mittwoch veranstalten, ist wirklich ein Schmierentheater. Und ich sage Ihnen mit allem Ernst: Ich habe eine lange Lebenserfahrung, Herr Kollege Mützenich. Gerade die Sozialdemokratie wird am 23. Februar dafür einen bitteren Preis zahlen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hoffentlich!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, Sie kommen zum Ende, bitte.

Ich lasse mich darauf nicht ein. Ich stimme in der Sache, wie ich das für richtig halte, und auch meine Fraktion lässt sich darauf nicht ein. Wir werden in der Sache zustimmen. Vielen Dank.

(Langanhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Die Abgeordneten der FDP-Fraktion erheben sich – Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion erheben sich)

Kubickis Rede in Bild und Ton

Das Abstimmungsverhalten der FDP-Abgeordneten

Der CDU/CSU-Gesetzesentwurf zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland wurde am Freitag mit 349 Nein-Stimmen, bei 338 Ja-Stimmen und 5 Enthaltungen, bei 41 nicht abgegebenen Stimmen abgelehnt.

Dabei hatten 12 von 196 Unions-Abgeordnete (6 Prozent) nicht mit abgestimmt. Vor allem hatten aber 23 von 90 FDP-Abgeordneten (fast 26 Prozent) dem Gesetzesentwurf nicht zugstimmt.

Scharfe Kritik von Kubicki und anderen FDP-Politikern an den 23 Abweichlern

Der Historiker und Buchautor Dr. Dr. Rainer Zitelmann, selbst FDP-Mitglied, schreibt dazu folgendes:

»Kubicki benennt klar die Leute, die der FDP in den entscheidenden Wahlkampfwochen den größten Schaden zugefügt haben. Das ist die FDP-Linke, auch „Baum-Fraktion“ genannt.«

Und Andreas Schreiner von der FDP Berlin schrieb auf X:

»Viele an der FDP-Basis kämpfen „im Regen stehend“ an Wahlständen, in sozialen Medien, im Kreise der Familie, Bekannten und Kollegen wochenlang darum, dass die FDP die 5%-Hürde schafft und das meist ohne persönlichem Interesse an einem Posten in der Partei oder gar Politik – ergo qua Überzeugung. 23 Abgeordnete (22 anwesend), u.a. Johannes Vogel, stimmten nicht über das Zustrombegrenzungsgesetz ab, enthalten sich oder stimmen gar dagegen, nachdem der Fraktionsvorsitzende Christian Duerr noch für die Fraktion sagte, man stimme zu…!

Ja, das ist Meinungsfreiheit, aber es ging im Bundestag nicht darum, sein persönliches Ego zu befriedigen, es ging darum, die Haltung der FDP als Ganzes deutlich zu machen, um auch ein Zeichen für die Wähler zu setzen. Daher wäre es wichtig gewesen, Geschlossenheit in der Sache zu zeigen und dem eigenen Team, dem Vorsitzenden Christian Lindern und der auf den Straßen und im persönlichen Umfeld kämpfenden Basis nicht in den Rücken zu fallen.

Diese 22 Abgeordneten der FDP-Fraktion haben sich aber entschieden, im Bundestag noch mal individuell für sich persönlich Werbung zu machen und der Gesamtpartei damit unter Umständen den finalen Tritt zu verpassen – die 5% sind seit gestern noch ein weiteres Stück entfernt. Ich kann diesen Leuten eigentlich nur empfehlen, in sich zu gehen, von ihren Positionen innerhalb der FDP zurückzutreten und im Extremfall bieten sich auch andere Parteien an. Die SPD und die Grünen suchen auch händeringend nach neuem und qualifiziertem Personal für ihre Parteiprogramme.

PS: Lieber Marco Buschmann, Du warst ja „krank gemeldet und lagst im Bett“. Solltest Du einen Herzinfarkt oder vergleichbares erlitten haben gilt all dies für Dich nicht, bei grippalen Effekt bis 38 Grad Fieber oder Hexenschuss bleibt es aber dann auch dabei!«

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