Sechs Arten zu reagieren, wenn der Nachbar überfallen wird

Von Jürgen Fritz, Mi. 26.02.2025, Titelbild: YouTube-Screenshots

Seit mehr als drei Jahren hält Russlands Krieg gegen die Ukraine inzwischen an. Was von Putin zunächst als „Spezialoperation“ deklariert war, die in wenigen Tagen beendet sein sollte, entpuppte sich zu einem verlustreichen Krieg. Doch dies war nicht nur ein Angriff auf die Ukraine, es war viel mehr als das. Insofern stellte sich die Frage: Wie würden Europa und die westliche Welt reagieren.

Die Ausgangsituation

Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem Dorf und Sie bekommen mit, wie eine äußerst brutale Bande ein anderes Dorf nicht sehr weit entfernt, überfällt, dort schrecklich wütet, Männer umbringt, Frauen vergewaltigt, Kinder verschleppt und viele andere schlimme Dinge anrichtet, dabei verkündet, dieses Dorf gehöre ab sofort ihr und sie werde alles vernichten, was auf etwas anderes hindeutet. Außerdem ist von dieser Bande immer wieder zu hören, dass sie es nicht nur auf dieses eine Dorf abgesehen hat, sondern auf viele andere Dörfer und Städte auch, sobald sie mit diesem ersten Dorf fertig ist, welches aber erstaunlich zäh Widerstand leistet, so viel Widerstand, wie niemand das erwartet hätte, weder die brutale Bande noch all die anderen Dörfer und Städte in der Nähe und auch weiter weg. Ja dieses Dorf leistet tatsächlich jahrelang (!) erbitterten Widerstand. Dann gibt es, soweit ich sehen kann, sechs Arten, wie man darauf reagieren kann.

1. Man schickt eigene Kämpfer, um das überfallene Dorf in seinem Widerstandskampf aktiv zu unterstützen

Man hilft den Angegriffenen aktiv, indem man eigene gut bewaffnete Kämpfer schickt, die dem überfallenen Dorf helfen, die Bande zu vertreiben, sei es a) weil man das als Ehrensache ansieht, überfallenen und brutal misshandelten Menschen zu helfen, sei es b) weil man denkt.

„Sobald die mit diesem Dorf fertig sind, es erobert und vollständig unter ihre Kontrolle gebracht und alle umgebracht haben, die sich ihnen widersetzen, werden sie das nächste Dorf überfallen und dann das übernächste usw. und irgendwann auch uns. Oder aber sie drohen uns dann permanent, wenn wir Dinge tun, die ihnen nicht gefallen, könnten sie auch uns überfallen. Deshalb gilt es diesen (potentiellen) Angriff so früh wie möglich zu stoppen, um so viel wie möglich Schaden zu vermeiden und zu vermeiden, dass diese Bande permanent anderen droht und Angst einjagt, um sie so in die von ihnen gewünschte Richtung zu lenken und uns alle gefügig zu machen. Außerdem würde das andere Banden ermutigen, es genauso zu machen, wenn wir jetzt nicht eingreifen und diesen Überfall zusammen mit den Angegriffenen abwehren. Dann wären wir alle, überall nicht mehr sicher. Das gilt es unbedingt zu vermeiden, denn in so einer unsicheren Welt, wo jeder jederzeit mit Überfällen und Bedrohungen durch Stärkere, Brutalere, Rücksichtslosere rechnen muss, kann niemand leben wollen.“

Oder sei es c) aus beiden genannten Gründen, wobei wir offen lassen wollen, welches der dominante Grund ist.

2. Man unterstützt die Überfallenen ganz massiv mit allem, was sie brauchen: Waffen, Logistik, Hilfeslieferungen etc.

Man traut sich also zwar nicht, eigene gut bewaffnete Kämpfer in das angegriffene Dorf zu schicken, unterstützt die Angegriffenen aber ganz massiv mit Waffenlieferungen, mit Logistik, mit Hilfslieferungen, mit Nahrung und allem, was sie brauchen, damit sie die Bande zunächst stoppen und dann sogar zurückschlagen können. Zudem unternimmt man vieles andere, um die Bande zu schwächen, indem man zum Beispiel alle wirtschaftlichen Verbindungen, die man zu ihr unterhielt, so schnell wie möglich kappt, so dass der Bande mit der Zeit der Nachschub an Waffen, Munition, Logistik, Nahrung etc. knapp wird.

Die Gründe für diese Art der aktiven Hilfe können die gleichen sein wie oben bei (a) bis (c) beschrieben: Ehrensache, vorausschauende Selbstverteidigung oder beides zugleich.

3. Man liefert Waffen und anderes, aber nicht so viel, wie man kann und wieviel die angegriffene Stadt benötigt

Man hilft dem überfallenen Dorf und liefert ihm Waffen, Munition, Logistik, Hilfsgüter etc., das aber nicht so sehr wie man könnte und wie die Überfallenen bräuchten, um die Angreifer zurückzuschlagen, sondern nur so viel, dass man sagen kann: „Wir haben ja einiges gemacht. Wir sind sehr solidarisch. Das andere Dorf hat noch weniger geholfen als wir. Wir machen doch schon viel.“

Dabei macht man in Wahrheit aber gerade so viel, dass das angegriffene Dorf zwar nicht schnell überrannt werden kann, aber doch so wenig, dass es die Bande auch nicht zurückschlagen, ja nicht einmal völlig aufhalten und stoppen kann, so dass das Dorf allmählich zermürbt wird und mehr und mehr ausblutet, der Bande zwar unglaublich große Verluste zufügt – viel größere als es sie selbst erleiden muss -, sie aber doch nicht dauerhaft aufhalten kann.

4. Man sagt: Dieses Dorf geht uns nichts an

Man sagt: „Dieser Überfall geht uns nichts an. Die Bande hat ja nicht uns überfallen. Warum sollen wir uns da einmischen? Wir wollen Frieden. Wir sind ein friedliches Dorf. Wenn wir da Waffen hin liefern, dann dauert die Auseinandersetzung nur noch länger. Es ist doch besser, wenn das alles so schnell wie möglich vorbei ist. Und außerdem ist die Bande viel zu stark! Gegen die kann man nichts ausrichten. Niemand kann gegen die was ausrichten! Das ist unmöglich. Wir könnten jemanden hinschicken, der den Bandenchef fragt, ob sie nicht aufhören wollen mit ihrem Überfall, da ja auch viele Bandenmitglieder sterben. Das wolle er doch sicher nicht. Frieden sei doch viel schöner.

Und überhaupt, wir glauben das gar nicht, dass die Bande die einzig Bösen sind. Das angegriffene Dorf hat ja auch viele Angreifer umgebracht und das sind ja auch Menschen. Außerdem wohnen in dem angegriffenen Dorf fragwürdige Personen. Ich hab da einiges gelesen, was für welche das sind. Die haben den Angriff doch provoziert. Und schaut Euch mal den Bürgermeister dieses Dorfes an, wie ungepflegt der schon aussieht. Immer unrasiert und wie der sich immer aufspielt. Ekelhafter Typ!

Und die Bande hat uns früher sehr günstig beliefert mit allerlei Dingen. Ist doch egal, wo die herkamen. Was geht uns das an? Warum sollten wir die nicht weiter beziehen? Außerdem glaube ich nicht, dass die, selbst wenn sie weitere Dörfer überfallen sollten, bis zu uns kommen. Und wir müssen ja auch folgendes bedenken: Wenn wir dem überfallenen Dorf jetzt Waffen liefern, fehlen diese Waffen ja uns selbst. Dann müssen wir neue produzieren oder kaufen. Und wer verdient da wieder dran? Die Waffenlobby. Überlegt doch auch mal so!

Nein, wir sollten uns um die Menschen bei uns kümmern, dass die günstige Produkte kaufen können. Das überfallene Dorf geht uns nichts an! Und selbst wenn noch andere Dörfer und Städte überfallen werden, gehen uns auch die nichts an. Wir sind nur für uns zuständig und sonst niemanden. Diese elenden Sturköpfe sollen doch endlich aufgeben, dann ist der Spuk vorbei! Dann ist wieder Frieden und wir haben unsere Ruhe. Wir haben doch schon genug eigene Sorgen.“

5. Man nutzt die Notlage der Überfallenen aus und macht einen für sich selbst maximal günstigen Deal

Man versucht zum Beispiel zu eruieren, über wie viel Vermögen das angegriffene Dorf verfügt und bietet ihm dann an: „Wir haben hier sehr effektive Waffen (im Wert von einer Million Euro) und wir haben gesehen, ihr habt alle zusammen ein Vermögen von 20 Millionen Euro. Für 10 Millionen liefern wir euch diese Waffen, dann könnt ihr Eure Frauen und Kinder retten. Das ist ein super Deal. Ihr habt immer noch die Hälfte Eures Vermögens und bleibt am Leben. Wenn Ihr dazu nicht bereit seid, helfen wir Euch überhaupt nicht und werden die Bande, die Euch überfallen hat, unterstützen. Vielleicht verkaufen wir ihnen dann die Waffen. Dann seid ihr verloren und werdet alle untergehen. Überlegt Euch das gut!“

Und wenn der Bürgermeister des Dorfes in Übereinstimmung mit den Dorfbewohnern darauf nicht eingehen will, weil die Menschen sich über den Tisch gezogen fühlen, sagt man: „Dieser Typ ist ja so ein schlechter Bürgermeister! Wann wurde der überhaupt das letzte Mal gewählt? Das ist kein Demokrat, das ist ein Diktator. Krieg im eigenen Dorf oder nicht, wir verlangen, dass sofort Wahlen durchgeführt werden, damit diese miserable Bürgermeister endlich abgewählt werden kann. Wenn dieser schlechte Bürgermeister so weiter macht, wird er bald kein Dorf mehr haben! Er hätte diese Auseinandersetzung mit der Bande nie anfangen dürfen. Das war ein riesiger Fehler. Jetzt kriegen er und alle Dorfbewohner die Quittung.“

6. Man nutzt die günstige Gelegenheit und überfällt das Dorf ebenfalls, nimmt es zusammen mit der anderen Bande in die Zange

Ober aber man erkennt schnell die günstige Gelegenheit und greift das bereits schwer angeschlagene Dorf ebenfalls an, weil man sich denkt: „Das ist DIE Chance. Die sind so geschwächt, dass sie sich gegen einen zusätzlichen Angriff kaum zur Wehr setzen können. Das Risiko, dass wir große Verluste erleiden, ist minimal, die Aussicht auf leichte Eroberung und Plünderung des Dorfes dagegen optimal, geradezu verlockend. Es wäre töricht, diese Gelegenheit nicht auszunutzen. So können auch wir ohne großen Widersand Frauen vergewaltigen, Kinder entführen, ungestraft töten und können uns ein Stück vom Kuchen abschneiden.“

Schlussbemerkung

Die Art und Weise, wie der Einzelne in so einem Fall agiert, was er empfiehlt und wie er redet, ist sehr aufschlussreich.

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