Von Jürgen Fritz, So. 25. Nov 2018, Titelbild: YouTube-Screenshot
„Wo Jaspers hinkommt und spricht, da wird es hell. Er hat eine Rückhaltlosigkeit, ein Vertrauen, eine Unbedingtheit des Sprechens, das ich bei keinem anderen Menschen kenne“, so die große Hannah Arendt über ihren ehemaligen Lehrer und lebenslangen Freund, den Psychiater und Philosophen Karl Jaspers. Lesen und hören Sie hier, was die wunderbare Hannah Arendt ferner über Freiheit und Vernunft zu sagen hatte und über das Vertrauen in das Menschliche des Menschen.
Hannah Arendt zu Gast bei Günter Gaus
Es war im Jahre 1964 als der nicht einmal 35-jährige Günter Gaus, der spätere Chefredakteur des Spiegel und Staatssekretär im Bundeskanzleramt, die 58-jährige Hannah Arendt in seine legendären Sendung „Zur Person“ eingeladen hatte. Arendt war eine der großen Persönlichkeiten und Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Sie war als Journalistin sowie Hochschullehrerin tätig, veröffentlichte vor allem wichtige Beiträge zur politischen Philosophie. Gleichwohl lehnte sie selbst es stets ab, als „Philosophin“ bezeichnet zu werden. Auch dem Begriff „Politische Philosophie“ stand sie eher distanziert gegenüber, zog stattdessen die Bezeichnung „Politische Theorie“ für ihre Arbeit vor.
Auf Grund ihrer zahlreichen theoretischen Auseinandersetzungen mit den großen Denkern wie Sokrates, Platon, Aristoteles, Immanuel Kant, Martin Heidegger und Karl Jaspers sowie mit den maßgeblichen Vertretern der neuzeitlichen politischen Philosophie wie Niccolò Machiavelli, Charles de Montesquieu und Alexis de Tocqueville, wird sie von vielen dennoch häufig als Philosophin bezeichnet, auch wenn sie selbst das ablehnte. Gerade wegen ihres höchst eigenständigen Denkens, der Theorie der totalen Herrschaft (politisches Hauptwerk: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft) wurde sie öffentlich sehr bekannt. Auch durch ihre existenzphilosophischen Arbeiten (philosophisches Hauptwerk: Vita activa oder Vom tätigen Leben) und ihrer Forderung nach freien politischen Diskussionen nahm sie in den Debatten der Gegenwart lange Zeit, im Grunde bis heute eine bedeutende Rolle ein.
Hannah Arendt über Jaspers, Freiheit und Vernunft
Am Ende des Dialogs fragt Gaus Arendt nach Karl Jaspers. Darauf antwortete sie folgendes:
„Wo Jaspers hinkommt und spricht – ich hoffe, er hört diese Sendung -, da wird es hell. Er hat eine Rückhaltlosigkeit, ein Vertrauen, eine Unbedingtheit des Sprechens, das ich bei keinem anderen Menschen kenne. Dieses hat mich schon beeindruckt, als ich ganz jung war.
Er hat außerdem einen Begriff von Freiheit gekoppelt mit Vernunft, der mir, als ich nach Heidelberg kam, ganz fremd war. Ich wusste davon nichts, obwohl ich Kant gelesen hatte. Ich habe diese Vernunft sozusagen in praxi gesehen. (…) Ich habe mich davon erziehen lassen. Sofern es irgendeinem Menschen gelungen ist, mich zur Vernunft zu bringen, dann ist es Karl Jaspers.
Auf die Frage, worin sie das Wagnis der Öffentlichkeit sehe, antwortete die philosophisch so sehr gebildete politische Theoretikerin wie folgt:
„Das Wagnis der Öffentlichkeit scheint mir klar zu sein: Man exponiert sich im Lichte der Öffentlichkeit – und zwar als Person. (…) So weiß ich doch, dass in jedem Handeln die Person in einer Weise zum Ausdruck kommt wie in keiner anderen Tätigkeit. Im Handeln und Sprechen, das Sprechen ist eine Form des Handelns.
Das zweite Wagnis ist: Wir fangen etwas an, wir schlagen unseren Faden in ein Netz der Beziehung. Was daraus wird, wissen wir nie. (…) Das gilt für alles Handeln …, weil man es nicht wissen kann. Das ist ein Wagnis.
Dies Wagnis ist nur möglich im Vertrauen auf die Menschen. Das heißt darauf in irgendeinem, schwer genau zu fassenden grundsätzlichen Vertrauen in das Menschliche aller Menschen (JFB: in ihre Vernunftfähigkeit). Anders könnte man nicht.“
Die letzten vier Minuten des Gesprächs
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