Kabinettsumbildung oder Rücktritt der Kanzlerin?

Von Jürgen Fritz, Di. 30. Apr 2019

Aus dem EU-Wahlkampf hält die Kanzlerin sich fast vollständig heraus. Die Frau, die mehr als achtzehneinhalb Jahre CDU-Vorsitzende war, will irgendwie gar keine richtige CDU-Politikerin mehr sein, hat man den Eindruck. Und womöglich in wenigen Wochen auch keine Kanzlerin mehr? Jedenfalls hat die neue Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer die CDU-Spitzen eine Woche nach der EU-Wahl zu einer außerordentlichen Klausurtagung einberufen und das lässt viele aufhorchen. Wir erinnern uns: Vor der Hessenwahl Ende Oktober 2018 kündigte AKK ebenfalls eine außerordentliche CDU-Klausurtagung an und nur einen Tag nach dieser Landtagswahl gab Merkel ihren Rückzug von der Parteispitze bekannt. Folgt nun Anfang Juni der nächste Rückzug?

AKKs Stern droht zu sinken

In den Unionsparteien und in der SPD wird seit Monaten darüber spekuliert, ob die große Koalition nach der EU- und der Bremen-Wahl am 26. Mai platzen könnte. CDU/CSU drohen bei der EU-Wahl in Deutschland von über 35 auf um die 30 Prozent zurück zu fallen, die SPD gar von über 27 auf unter 17 Prozent. Am Wochenende haben die beiden Unionsschwestern den Startschuss für ihren EU-Wahlkampf gegeben und dabei betont, dass sie nach den jahrelangen Auseinandersetzungen um die sogenannte „Flüchtlingspolitik“ nun wieder an einem Strang ziehen wollten.

Aber seit Anfang/Mitte März ist die Union in einen neuen Abwärtstrend geraten. Nach der Ankündigung von Merkel Ende Oktober 2018, den Parteivorsitz Anfang Dezember abgeben zu wollen, ging es endlich wieder bergauf für CDU/CSU. Im Bundestagswahltrend konnten die Schwesterparteien von ca. 26 Prozent (bei Emnid am 27.10.2018 sogar 24) auf 31 Prozent zulegen (bei einigen Instituten im Januar bis Anfang Februar sogar 32 Prozent). Doch dieser Aufschwung war schnell wieder vorbei und in den letzten sechs Wochen zeigt die Kurve wieder nach unten. Viele haben den Eindruck: AKK schafft das nicht. Auch ihre persönlichen Beliebtheitswerte gehen seit Wochen immer weiter nach unten.

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Merkel zu AKK: Das wird deine erste Niederlage und nicht meine letzte

Und auch bei der SPD läuft es schon lange nicht mehr. Die Sozis haben zwar ihren absoluten Tiefpunkt von Anfang November, als sie nur noch um die 14 Prozent standen, überwunden, dümpeln derzeit im Bundestagswahltrend aber gerade mal bei 16 bis 17 Prozent herum und drohen auch bei der EU-Wahl in knapp vier Wochen um mehr als 10 Punkte auf unter 17 Prozent einzubrechen. Die schwarz-rote Koalition scheint am Ende. Wie also weiter nach der der EU- und der Bremenwahl?

Option eins wäre, bei einem derart schlechten Abschneiden der Sozis bei der EU-Wahl, ein Ausstieg der SPD aus der Bundesregierung. Option zwei könnte sein der Rückzug von Angela Merkel als Bundeskanzlerin. In beiden Fällen müsste Kramp-Karrenbauer sich schnell als neue Kanzlerin oder zumindest als Kanzlerkandidatin in Position bringen.

Auffallend ist auf jeden Fall, dass Angela Merkel, ihre Nachfolgerin als CDU-Vorsitzende im EU-Wahlkampf alleine lässt. Man kann sich kaum noch des Eindrucks erwehren: Merkel und die CDU haben sich auseinander gelebt. Dazu Gabor Steingart im Focus:

Einen gemeinsam angekündigten Wahlauftakt hat Merkel in letzter Minute verweigert. Ihre Botschaft an AKK: Das wird deine erste Niederlage und nicht meine letzte.“

AKK zu Merkel: Meine Inthronisierung gegen Deinen Abgang in Würde

Es scheint so, als lasse Merkel AKK im EU-Wahlkampf alleine, eine in der Tat ernüchternde Botschaft für Letztere. Robin Alexander von der WELT ist der Auffassung, die Sondersitzung der CDU-Führung diene der Vorbereitung des Machtwechsels:

Merkel habe ein hohes Interesse, würdig aus dem Amt zu scheiden. Dazu brauche sie die CDU – und sie brauche Kramp-Karrenbauer. Deshalb liege es im Interesse beider Frauen, den Abgang so zu gestalten, dass die eine gut aus dem Kanzleramt raus- und die andere gut reinkomme

Friedrich Merz habe an die Seite von Kramp-Karrenbauer gefunden. Sie als Kanzlerin und Merz als Wirtschafts-, Finanz- oder Verteidigungsminister würden der CDU die Bandbreite zurückgeben, die einige in den letzten Merkel-Jahren vermisst hätten.

Gabor Steingart analysiert sehr treffend, wie ich meine, dass AKK das Momentum verloren habe, aber nicht ihren Machtinstinkt. Das Tauschgeschäft, das sie ihrer ehemaligen Chefin vorgeschlagen habe, laute: Meine Inthronisierung gegen Deinen Abgang in Würde. 

Oder doch nur eine Kabinettsumbildung?

Doch es gäbe noch eine dritte Option: eine Kabinettsumbildung unter der Kanzlerin Merkel. Denn fest steht, Bundesjustizministerin Katarina Barley, die SPD-Sitzenkandidatin bei der EU-Wahl, wird nach dieser gen Brüssel respektive Straßburg ziehen. Eine Kabinettsumbildung ist daher unumgänglich.

Peter Altmaiers Tage als Bundeswirtschaftsminister, dem von nahezu allen Seiten ein katastrophales Zeugnis in diesem Amt ausgestellt wird, scheinen ebenfalls gezählt. Ihn wird man wahrscheinlich nach Brüssel abschieben, womöglich als EU-Kommissar. Ob Merkel dann ihre frühere Kammerzofe und Nachfolgerin als CDU-Bundesvorsitzende, die immer mehr zu ihrer Rivalin werden dürfte, einen Kabinettsposten anbieten wird, bleibt abzuwarten. Als eher unwahrscheinlich gilt, dass sie Friedrich Merz das Amt Altmaiers übergeben wird, denn Merkel und Merz können überhaupt nicht miteinander, Zugleich wünschen sich aber sehr viele Unionspolitiker Merz in diesem oder einem vergleichbaren Amt als Minister.

Auf die Frage, ob die Ankündigung der außerplanmäßige CDU-Klausurtagung mit Merkel abgestimmt gewesen sei, antworte AKK heute morgen im TV-Sender der WELT: „Ja, es war abgestimmt mit der Kanzlerin und auch mit der Fraktionsspitze“. Was der genaue Grund sei für diese Klausurtagung, fragte die Moderatorin weiter, worauf Kramp-Karrenbauer meinte, es würde darum gehen über die neue Steuerschätzung zu sprechen.

Wird Geschichte sich wiederholen?

Die Diskussionen um den Eintritt von Friedrich Merz seien nur „Spekulationen“. Es ginge nur darum zu überlegen, welche neue Impulse Deutschland brauche. Auf die Frage, ob solch ein neuer Impuls vielleicht auch eine neue Kanzlerin wäre, sagte Kramp-Karrenbauer, Geschichte würde sich nicht wiederholen – eine Anspielung auf den Rückzug von Merkel als CDU-Vorsitzende direkt nach der Hessenwahl.

Und wir erinnern uns, noch kurz vor Merkels erstem Rückzug stritt AKK eisern ab, dass Merkel als CDU-Vorsitzende zurücktreten werde. Ob Geschichte sich vielleicht doch wiederholen könnte?

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Titelbild: ZDF-Screenshot

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