Von Michael Klonovsky, Mo. 07. Okt 2019, Titelbild: Pixabay, CC0 Public Domain
Ist es nicht erstaunlich, dass eine so widerwärtige, krumme Kreatur wie der Mensch so schöne Dinge schaffen kann wie das Negligé, die Kathedrale, das Ölgemälde, das Cembalo, die Récamiere, den Jaguar E-Type, den Eisenbahn-Salonwagen, das Dry-Aged-Tomahawk-Steak, das Schachspiel, den Cabernet-Sauvignon, den Tiger II und die Mondrakete? Reflexionen über die Nichtigkeit der menschlichen Existenz, religiöse Verheißungen, Tragik, Komik und den Sinn des Daseins von Michael Klonovsky.
Der Umgang mit der Nichtigkeit
„Wenn sich der Mensch nur zurücklehnen und über sein bevorstehendes Ende oder seine erschreckende Bedeutungslosigkeit und Einsamkeit im Kosmos nachgrübeln würde, so würde er mit Sicherheit den Verstand verlieren oder dem lähmenden Gefühl seiner Nichtigkeit erliegen. Wozu, so könnte er sich fragen, wozu soll er sich abmühen, eine große Symphonie zu komponieren oder auch nur seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder auch einen anderen Menschen zu lieben, wenn er doch nur für einen Augenblick das Leben einer Mikrobe auf einem Staubkorn fristen darf, das durch die unvorstellbaren Weiten des Raums wirbelt?“
Also frug Stanley Kubrick anno ’68 in einem Interview mit ausgerechnet dem Playboy, also einem Magazin, dass sich wie kein anderes an der Beantwortung seiner Frage abarbeitete.
Pascal rät bekanntlich, der Mensch möge sich unbedingt zerstreuen, damit ihn genau solche Gedanken nicht beschleichen. St. Martin empfiehlt, sich am Wunder aller Wunder zu erbauen, nämlich dass überhaupt Seiendes ist, und wir dieses Wunder immerhin und womöglich als einzige Gegenseite wahrzunehmen vermögen.
Die meisten Menschen trösten sich mit religiösen Verheißungen, die ihnen eine persönliche Unsterblichkeit versprechen, über die vergleichsweise beschissene Gesamtgattungssituation hinweg, am drolligsten jene frommen Wüstensöhne, deren Paradies exakt so beschaffen ist wie ein gut klimatisiertes westliches Bordell außerhalb der westlichen Gesetzgebung (Jungfrauen!), wobei sie dasselbe Etablissement um der Frömmigkeit willen hinieden auszuräuchern gehalten wären bzw. sind.
Der Augenblick ist die Ewigkeit
Das Menschenbild der Alten mit ihrem untrüglichen Gespür für die Tragik der Existenz ist mir ungleich sympathischer, wenn ich auch den Gedanken nicht teilen mag, dass es für den Menschen das Beste wäre, gar nicht erst geboren zu werden, wie der weise Silenus zu König Midas sagte (wir wissen alle nicht, wie qualvoll und jämmerlich es endet; erst dann erfährt jeder die Antwort, ob es tatsächlich besser gewesen wäre, oder ob das Leben sich gelohnt hat).
Mich persönlich deprimiert diese humanoide Nichtigkeit null. Ich finde sie amüsant, sogar ein bisschen entlastend. Zur Tragik gehört ja die Komik. Die Friedhöfe der Welt sind voll von Menschen, die sich für unentbehrlich hielten (Clemenceau). Ich mache bekanntlich gern Witze, und ich muss neidisch akzeptieren, dass meine gesamte Existenz Bestandteil des umfassendsten und vor allem besten Witzes ist, der sich überhaupt denken lässt.
Allein die Kapriolen, die Menschen anstellen, um sich ihre Rolle in diesem Großen Jokus nicht einzugestehen! Das groteske Schauspiel ihrer Bedeutungshuberei! Ich finde, man sollte dankbar sein, einen Logenplatz erwischt zu haben, wenn man nicht gerade selber auftreten muss. Der Augenblick ist die Ewigkeit. Was gibt’s zu essen?
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Dieser Artikel erschienen zuerst auf dem Blog von Michael Klonovsky, Acta diurna. Er erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Autors und Blogbetreibers. Überschrift, Teaser, Zwischenüberschriften durch JFB.
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Zum Autor des Artikels: Michael Klonovsky, 1962 im Erzgebirge geboren, ist Romanautor und Publizist. Aufgewachsen in Ostberlin. Maurerlehre. Abitur. Seit 1990 Journalist. “Wächterpreis der Tagespresse” für die „Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen durch die DDR-Justiz und den Staatssicherheitsdienst“. 1992: Wechsel zum Focus, zunächst als Redakteur, später als Chef vom Dienst bzw. Textchef, Leiter des Debattenressorts, sodann als Autor. Am 31. Mai 2016 endete die Ehe mit Focus, die Partner hatten sich auseinandergelebt. Von Juni 2016 bis Anfang 2017 war er parteiloser Berater von Frauke Petry, von Juni bis November 2017 Sprecher der von Jörg Meuthen geführten Landtagsfraktion der AfD Baden-Württemberg. Michael Klonovsky ist Autor mehrerer Bücher.
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