Vom Flüchtlingstreffen direkt zum Hummeressen: Die Grünen und die Moral

Von Stefan Groß-Lobkowicz, Mo. 14. Dez 2020, Titelbild: Grüne Hamburg-Screenshot

Sie haben beste Chancen, nächstes Jahr in einer neuen Bundesregierung mitzumischen. Doch mancher Grüner fährt zweigleisig – zumindest moralisch. So geht Hamburgs Justizministerin Anna Gallina (rechts) schon mal gern auf Kosten des Steuerzahlers vom Flüchtlingstreffen direkt zum Hummeressen. Ein grüner Tempolimit-Befürworter überschreitet die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 57 km/h. Stefan Groß-Lobkowicz fühlt den Grünen auf den Zahn.

57 km/h zu schnell und Tempolimit fordern, Wasser predigen und Wein saufen

Was ist nur mit den Grünen los? Die Verbotspartei wird immer unglaubwürdiger, zumindest die schwarzen Schafe, von denen es doch einige zu geben scheint. Eigentlich wollen die Grünen doch das Gute, Schöne und Wahre, stehen für Offenheit und Transparenz, wollen sogar die Welt retten und das mit einem Image der Untadeligkeit. Mit ihrer Klimapolitik wollen sie hoch hinaus, den Verbrenner, Benzin und Dieselfahrzeuge, bis 2023 am Besten für immer abwracken und den grünen Energien zum Durchbruch verhelfen. Die Klimaziele sind ambitioniert und der Griff in der Klaviatur der Macht, das Mitregieren in einer neuen Bundesregierung 2021 unter Schwarz-Grün ein hochgestecktes und nicht unrealistisches Ziel. Alles schön, wären da nicht die ganz so Ungrünen unter den Grünen.

Der grüne baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller entpuppte sich als Raser. Ein Grüner als Raser ist zumindest schlecht für die Reputation, wenn es darum geht, die Treibhausemmissionen zu senken und das Klima zu retten. Und seine massive Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (177 statt 120 km/h) ist kein Kavaliersdelikt. Der schnelle Minister und Befürworter eines generellen Tempolimits von 130 Kilometern pro Stunde wurde auf der Autobahn 8 von der Polizei bei einer drastischen Tempoüberschreitung erwischt – fast 60 km/h zu schnell. „Es tut mir leid,“ hatte er bekundet. Doch wer Wasser predigt und Wein trinkt, muss mit Konsequenzen rechnen.

Nach seiner Tempoüberschreitung, immerhin 177 km/h hatte er auf dem Tacho, wurde er auf der Autobahn zwischen Stuttgart und Karlsruhe gestoppt – dort war Tempo 120 erlaubt. Das ganze hat schon jetzt ein Nachspiel: Der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, legte Untersteller den Rücktritt nahe. Auch die Junge Union hält ihn für nicht mehr tragbar. „Ein Umweltminister, der ein allgemeines Tempolimit fordert und dann selbst soviel zu schnell ist, hat sämtliche Glaubwürdigkeit verspielt und sollte zurücktreten“, sagte der Landeschef der CDU-Nachwuchsorganisation, Philipp Bürkle. „Wasser predigen und Wein saufen – das ist Grüne Doppelmoral pur.“

Franz Untersteller, ES-TV-Screenshot

Hamburgs Justizsenatorin: Von der Weltrettung direkt an die Hummerbar

Pikant ist auch die Angelegenheit von Hamburgs Justiz- und Verbraucherschutz-Senatorin Anna Gallina, ihres Zeichens Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Hamburg. Flüchtlinge auf Malta besuchen, war das hehre Ziel. Doch die grüne Senatorin landete beim Hummeressen. Getreu dem Motto: Erst Flüchtlinge retten, dann Hummer schlemmen, offenbart sich auch hier wiederum die Doppelmoral der Grünen.

Anna Gallina, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Hamburg und Hamburger Jusitz- und Verbraucherschutz-Senatorin, YouTube-Screenshot

Das passt eigentlich auch in das Bild der Grünen-Ex-Ministerin Sylvia Löhrmann, von 2010 bis 2017 Ministerin für Schule und Weiterbildung sowie stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen. Die wechselte 2017 kurzerhand vor einem Wahlkampftermin von ihrem teuren Audi-A8-Dienstwagen in ihr Hybrid-Auto. Der Ex-Bildungsministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen wurde damals vorgeworfen, eine Öko-Heuchlerin zu sein.

Silvia Löhrmann, von 2010 bis 2017 Ministerin für Schule und Weiterbildung sowie stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, phoenix-Screenshot

Ob Baden-Württemberg, Nordrhein-Westphalen oder eben Hamburg – die Moral lässt zu wünschen übrig. Unter Feuer steht derzeit die Grüne Senatorin Gallina. Natürlich ist nichts gegen die Flüchtlingsrettung zu sagen, dies ist moralisch sogar zu goutieren. Aber die Sache ist, dass sie ihr späteres Hummeressen, wohlverdient nach dem Anblick des Elends der ankommenden Migranten, sich direkt vom Steuerzahler bezahlen ließ. „Bewirtungsanlass Flüchtlingsrettung“. Auch dies ist kein Kavaliersdelikt – und das sieht die Hamburger Staatsanwaltschaft mittlerweile auch so. Die ist bei ihren Spesen-Ermittlungen gegen den ehemaligen Lebensgefährten der Senatorin, Michael Osterburg, jetzt auf Belege gestoßen, die Gallina weiter in Bedrängnis bringen können.

Der Fall mit dem Ex: Opulente Essen von Michael Osterburg auf Kosten des Steuerzahlers

Osterburg, selbst Grüner und ehemaliger Fraktionschef der Bundespartei Hamburg Mitte, nahm es nie so genau mit dem Geld des Steuerzahlers. Mittlerweile hat der wegen Untreueverdacht stehende Ex-Politiker Michael Osterburg den Landesverband der Hamburger Grünen verlassen, ein bitterer Geschmack bleibt. Osterburg steht derzeit im Zentrum eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Veruntreuung von Fraktionsgeldern. Auch die Summe ist beachtlich: 67.900 Euro sind kein Pappenstiel.

Und damit kein Ende. Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 4.000 Quittungen des Lebemanns und spendierfreudigen Grünen gefunden. Darunter eine Quittung für einen Strauß mit 40 roten Rosen, die Osterburg im Juni 2016 zwei Tage vor Gallinas 40. Geburtstag gekauft hatte. Und natürlich hat er auch diesen nicht aus der eigenen Tasche bezahlt, sondern großzügig von der Bezirksfraktion, also aus Steuergeldern, erstatten lassen. Osterburg war eigentlich nie zimperlich, wenn es um Bewirtungsbelege in Restaurants ging. Darunter sollen immer wieder angeblich dienstliche Termine mit Journalisten gewesen sein, die sich aber an derartig luxuriöse Einladungen nicht erinnern konnten, als die Pressevertreter vom Landeskriminalamt danach befragt wurden.

Michael Osterburg, Grüne Hamburg-Screenshot

Was aber buchstäblich das Fass zum überlaufen gebracht hatte, war jenes ominöse noble Hummeressen in Malta im Jahr 2017, wofür der Steuerzahler immerhin 250 Euro mit bezahlen musste. Vom Termin von „Sea-Eye“, einer Regensburger Nichtregierungsorganisation, die mit ihrem Rettungsschiff „ALAN KURDI“ im Mittelmeer in Seenot geratene Flüchtlinge rettet, eilte die Grüne zum Hummeressen. Und der obligatorische Bewirtungsanlass auf dem Luxus-Beleg stellte dann tatsächlich einen Bezug zum Thema Flüchtlingsrettung her. Allerdings tauchte der Name der Hamburger Grünen nicht auf.

Kostet Gallinas Ex sie jetzt ihr Amt?

Justizsenatorin Anna Gallina leidet nunmehr unter Amnesie, da die Angelegenheit heiß und ihr womöglich gar das Amt kostet. Sie will von allem nichts gewusst haben. Und gegenüber der dpa erklärte sie: „Ich habe weder Kenntnis vom Stand der Ermittlungen, noch habe ich Einfluss auf diese.“ Es sei aber „wichtig, dass die erheblichen strafrechtlichen Vorwürfe gegen Herrn Osterburg aufgeklärt werden“. Ihr Nichtwissen deckt sich aber auch nicht mit den Inhabern eines italienischen Restaurants, von dem die meisten Belege stammen und in dem das Paar gern gegessen hatte. Die bestätigten unterdessen, dass Osterburg mit seiner damaligen Lebensgefährtin Anna Gallina ausschließlich zum Essen kam.

Ob die Justizsenatorin jetzt tatsächlich eine Vorladung von der Staatsanwaltschaft erhalten wird, ist noch nicht geklärt. Doch Rückendeckung hat Gallina unterdessen von der Zweiten Bürgermeisterin, Katharina Fegebank, ebenfalls von den Grünen, bekommen. Fegebank erklärte sich solidarisch mit der Hummeresserin und betonte. „Mir ist wichtig klarzustellen: Das Ermittlungsverfahren gegen Michael Osterburg ist kein Ermittlungsverfahren gegen Anna Gallina.“

Katharina Fegebank (links), seit 2015 Zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg, zusammen mit Anna Gallina (rechts), Grüne Hamburg-Screenshot

Und die Moral von der Geschichte: Wenn es um den eigenen Vorteil geht, drücken selbst die Grünen mal ein Auge zu. Natürlich gibt es solch Unanständigkeiten auch in anderen Parteien, keine Frage: nur die Grünen, die als Verbotspartei immer mit dem Finger auf die anderen zeigen und diese moralisch disqualifizieren, hätten auch mal guten Grund ihre Moral selbst kritisch zu hinterfragen.

*

Dieser Artikels erschien zuerst auf The EuropeanEr erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Autors Stefan Groß-Lobkowicz, der zugleich Chefredakteur des The European ist.

**

Zum Autor: Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz studierte Philosophie, Theologie, Kunstgeschichte und Germanistik in Jena, München, Valladolid, Nizza und Madrid. Nach dem Studium wurde er in Jena und Madrid promoviert. Er war Lehrbeauftragter für Philosophie an der Universität Jena. Stationen seines Lebens waren Cicero, die Friedrich-Schiller Universität, die TU München u.a. – Seit drei Jahren arbeitet Stefan Groß für die Weimer Media Group – zuerst als Chef vom Dienst, stellvertretender Chefredakteur und nun als Chefredakteur und Textchef für die Print- und Online-Ausgabe des The European. Er ist Autor mehrerer Bücher.

***

Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:

Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: JFB. Oder über PayPal – 3 EUR – 5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 50 EUR – 100 EUR