Nawalny bietet Putin die Stirn und entlarvt dessen durch Korruption erlangten unfassbaren Reichtum

Von Jürgen Fritz, Mo. 25. Jan 2021, Titelbild: YouTube-Screenshot

Zehntausende haben am Samstag in Russland gegen den autoritären Präsidenten der Russischen Föderation Wladimier Putin demonstriert. Landesweit waren sie dem Aufruf von Alexei Nawalny gefolgt. Dieser muss in U-Haft womöglich um sein Leben fürchten. Doch der Oppositionelle lässt sich nicht einschüchtern und veröffentlichte just zu diesem Zeitpunkt einen Film, der zeigt, wie unfassbar reich Putin sein soll und wo das Milliarden-Vermögen herkommt.

Zehntausende gehen in Russland auf die Straße, um gegen die autoritäre, korrupte Putin-Regierung zu demonstrieren

In mehr als 90 Städten Russlands kam es am Samstag zu Kundgebungen. Zehntausende Menschen waren dem Aufruf des erneut inhaftierten Nawalny gefolgt. Bürgerrechtlern zufolge sollen mehr als 3.400 Menschen festgenommen worden sein, allein in Moskau mindestens 1.360 Demonstranten, wie das Portal OWD-Info mitteilte. In St. Petersburg sollen über 500 Menschen festgenommen worden sein. Angaben von Russlands Kinderrechts-Beauftragten zufolge wurden auch rund 300 Minderjährige in Gewahrsam genommen. Die Polizei soll dabei mit großer Brutalität vorgegangen sein.

Die Demonstrationen richteten sich gegen den autoritären Präsidenten der russischen Föderation Wladimir Putin. Gefordert wurde insbesondere die sofortige Freilassung Nawalnys. Der Kremlkritiker wurde vor einer Woche nach seiner Rückkehr aus Deutschland in Moskau festgenommen. Nach einem Giftanschlag im August war Nawalny in Berlin behandelt worden. Für den Giftanschlag, bei dem er heimtückisch ermordet werden sollte, macht der Oppositionelle den Kreml verantwortlich.

Nach seiner Rückkehr nach Russland wird Nawalny sofort festgenommen und per Eilverfahren der Prozess gemacht

Letzten Montag verhängte ein russisches Gericht, unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Moskau, in einem Eilverfahren 30 Tage Haft gegen Nawalny wegen „Verstoßes gegen Bewährungsauflagen“, weil er diese, während er im Koma lag und sich in Deutschland von dem Giftanschlag erholte, nicht nachkam, so der Vorwurf. Direkt am Montagabend wurde Nawalny in die Haftanstalt „Matrosenruhe“ gebracht, schrieb ein Sprecher von Moskaus ziviler Beobachtungskommission in seinem Telegram-Kanal. Zuvor hatte schon Nawalnys Team diese Vermutung geäußert. In dem berüchtigten Gefängnis gab es immer wieder rätselhafte Todesfälle, manche sprechen davon, dass dort Häftlinge zu Tode gefoltert wurden. Doch Nawalny lässt sich davon nicht einschüchtern.

Direkt am nächsten Tag, am Dienstag, machte er Putin eine Kampfansage und ließ von seinem Team einen Film veröffentlichen, den er in Deutschland fertiggestellte hatte und der bereits fast 88 Millionen mal angeschaut wurde. Darin greift er Putin frontal an. Dazu gleich mehr. Doch zunächst zu dem, der dem Präsidenten die Stirn bietet. Wer ist dieser Mann?

Alexei Nawalny, der unbestrittene Anführer der Anti-Putin-Opposition

Alexei Nawalny, Jahrgang Juni 1976, ist ein russischer Rechtsanwalt, oppositioneller Dissident, demokratischer Politiker und Dokumentarfilmer. Seit ca. 2009 erlangte er eine große Popularität als politischer Blogger. 2011 gründete er die Nichtregierungsorganisation „Fonds zur Korruptionsbekämpfung“, die sich aus Spenden finanziert und laufend zur staatlichen Korruption in Russland ermittelt und ihre Ergebnisse publik macht.

Im Oktober 2012 wurde Nawalny an die Spitze eines neu geschaffenen Koordinierungsrates der russischen Opposition gewählt. Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau im September 2013 erzielte er laut Regierung 27 Prozent der Stimmen. Seither galt als unbestrittener Anführer der Anti-Putin-Opposition. Von 2009 bis 2013 nahm er an den teils als rechtsextrem eingestuften Russischen Märschen teil. Er selbst bezeichnete sich als nationalistischen Demokraten. Seit November 2013 ist Nawalny Vorsitzender der Kleinpartei Russland der Zukunft.

Durch fadenscheinige Gerichtsverfahren wird der Oppositionelle an einer Präsidentschaftskandidatur gehindert

Im Juli 2013 wurde Nawalny in einem von vielen Beobachtern als politisch motiviert angesehenen Prozess wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Drei Monate später wurde diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Februar 2016 setzte der Oberste Gerichtshof Russlands das Urteil aus, es kam zur Neuaufnahme des Prozesses. In diesem wurde Nawalny im Februar 2017 erneut zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, was insbesondere auch politisch bedeutsam war.

Denn in der Folgezeit profilierte sich Nawalny mit mehreren öffentlichkeitswirksamen Aktionen als Kämpfer gegen Korruption. Im März und im Juni sowie am 7. Oktober 2017, dem Geburtstag Putins, organisierte Nawalny landesweite Proteste gegen Korruption und gegen die Regierung, an denen schon damals zehntausende Menschen teilnahmen. Auch damals wurden bereits zahlreiche Demonstranten vorübergehend festgenommen. Auch Nawalny wurde im Juli 2017 für 25 Tage verhaftet, wegen „Verstoß gegen das Versammlungsrecht“. Am 17. Oktober 2017 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Verurteilung Nawalnys rechtswidrig sei und dass dem Verurteilten 55.000 Euro Schadensersatz zu zahlen seien.

Schon im Dezember 2016 hatte Nawalny seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im März 2018 angekündigt. Am 25. Dezember 2017 erklärte die Zentrale Wahlkommission Russlands seine Kandidatur für nicht zulässig. Zur Begründung diente ihr nur das Urteil, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits als rechtswidrig eingestuft worden war. Auf diese Weise konnte Putin seinen gefährlichsten Widersacher aus dem Rennen nehmen. Daraufhin rief Nawalny seine Anhänger zum Boykott der Präsidentschaftswahl auf. 

Der Giftanschlag im August 2020

Doch das richte Putin wohl noch nicht. Vieles spricht dafür, dass er seinen Widersacher ganz aus dem Weg räumen wollte. Denn am 20. August 2020 wurde der Oppositionelle auf einem Flug Opfer eines Giftanschlages mit einem Nowitschok-Nervenkampfstoff, der die typische Handschrift der russischen Geheimdienstes trägt.

Nawalny hatte sich anlässlich der anstehenden russischen Regionalwahlen in Sibirien aufgehalten, um Gespräche mit Oppositionsvertretern zu führen. Dabei soll er vom russischen Geheimdienst FSB, der einen detaillierten Bericht über seinen Aufenthalt angefertigt haben soll, engmaschig beschattet worden sein. Auf dem Flug von Tomsk nach Moskau brach Nawalny zusammen und hatte das Glück, dass die Piloten direkt eine Notlandung in Omsk einleitete. Dort wurde er sofort in die Städtische Klinik No. 1 gebracht und mit Atropin behandelt, künstlich beatmet und ins Koma versetzt, so dass er den Anschlag überlebte.

Handschrift des russischen Geheimdienstes: Es wurde ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe eingesetzt

Auf Veranlassung seiner Familie wurde Nawalny in die Berliner Charité verlegt. Am 24. August teilte die Charité mit, erste klinische Befunde wiesen auf eine Intoxikation Nawalnys durch eine Substanz hin, die die Cholinesterase hemmt und so das Nervensystem angreift. Am 2. September 2020 erklärte die deutsche Bundesregierung, ein Speziallabor der Bundeswehr habe zweifelsfrei ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe in den in der Charité entnommenen Proben Nawalnys nachgewiesen. Spezial-Labore in Frankreich und Schweden haben dann Mitte September unabhängig voneinander die Vergiftung mit einem Kampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe bestätigt.

Am 17. September gab Nawalnys Team bekannt, Spuren von Nowitschok seien auf einer Wasserflasche festgestellt worden, die das Team im Tomsker Hotel nach dem Zusammenbruch Nawalnys sichergestellt habe. Am 6. Oktober bestätigte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, dass Nawalny mit einer neuen, nicht im Anhang der Chemiewaffenkonvention enthaltenen Nowitschok-Variante vergiftet wurde.

Rückkehr nach Russland: Nawalny wird direkt am Flughafen festgenommen

Bereits im September 2020 konnte Nawalny in Berlin aus dem künstlichen Koma geholt werden und konnte noch im selben Monat das Krankenhaus verlassen. In den folgenden Monaten hielt sich Nawalny zur Erholung in Deutschland auf. Vor einer Woche kehrte der Gegenspieler Putins dann nach Russland zurück, obschon er wusste, was dort mit ihm geschehen werde. Er wurde sofort, noch am Flughafen festgenommen und per Gerichts-Eilentscheid für 30 Tage in Untersuchungshaft genommen.

In einem Eil- und Schauprozess, der ganze vier Stunden dauerte und nicht in einem regulären Gericht stattfand, sondern in einem Polizeirevier in der Stadt Chimki, nördlich von Moskau, wurde Nawalny erneut verurteilt wegen einem angeblichen „Verstoß gegen Bewährungsauflagen“ aus einem sieben Jahre alten Prozess, den Russlands nicht unabhängige Justiz kurz vor Silvester wieder aufrollte. Die Anklageschrift erhielt Nawalnys Anwältin eine Minute vor Prozessbeginn.

Nawalny sprach von einem „Gipfel der Gesetzlosigkeit“, der Vorgang sei nicht mit dem russischen Strafgesetz zu vereinbaren. Noch nie habe er „so etwas Illegales“ erlebt, erklärte der Kreml-Kritiker vor der Richterin. Anschließend wurde er in ein berüchtigtes Gefängnis gebracht, in dem es mehrfach zu rätselhaften Todesfällen gekommen ist.

Putins geheimer Palast?

Doch auch damit hatte der Dissident offensichtlich gerechnet und hatte das bereits eingeplant. Denn schon am Dienstag veröffentlichte sein Team diesen Film, der einen Frontalangriff auf Putin und dessen durch Korruption zusammengerafftes gigantisches Vermögen darstellt.

Nawalnys fast zweistündiger Film

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