Der Pakt der Macht mit dem Christentum: die konstantinische Wende

Von Jürgen Fritz, So. 23. Mai 2021, Titelbild: Terra X-Screenshot

Durchgesetzt habe sich der Katholizismus nicht wegen seiner „Rechtgläubigkeit“, sondern weil er sich durchsetzte, wurde er rechtgläubig, schrieb einst Karlheinz Deschner. Der Katholizismus „siegte, weil er am besten organisiert, im Konkurrenzkampf am brutalsten war… Doch erst nachdem ihn Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert favorisiert hatte, schlug er alle seine christlichen Gegner durch Zerstörung ihrer Kirchen, Konfiskation, Zwangstaufen und andere ähnliche Mittelchen nieder. Dass sich in der Geschichte nicht immer die Besten behaupten und der Sieg selten mit der Wahrheit identisch ist“, sei gerade von der theologischen Forschung oft betont worden. „Auf dem Sektor des Geistes jedenfalls sind die Entscheidungen über das, was ‚rechter‘ Glaube und ‚Irrlehre‘ war, meist nicht gefallen, sondern fast stets auf dem der Macht“, so Deschner. In der Tat spielte der Pakt der Macht mit dem Christentum für dessen Überleben und Aufstieg eine Schlüsselrolle – bis heute.

Das 3. Jahrhundert: die Zeit der langen Krise des Imperium Romanum

Lange vor dem Christentum schon waren mit Sklaven, Kaufleuten und Missionaren andere orientalische Kulte, kleinasiatische, syrische, ägyptische und persische Religionen nach Griechenland und Italien gekommen. Überall in Hafenstädten entstanden ihre Tempel. Ihre Lehren pflanzten sich durch Händler, Seefahrer und Soldaten rasch fort – bis an die äußersten Grenzen des Imperiums. Ungefähr gleichzeitig mit dem Christentum gelangte der Mithriacismus ins römische Reich und verbreitete sich ähnlich schnell. Der Zug zum Eingottglauben (Monotheismus) reicht weit zurück.

Im 3. Jahrhundert war das Imperium Romanum in eine lange Krisenzeit geraten. Der Druck auf die Grenzen nahm unentwegt zu. An Rhein und Donau sorgten verschiedene Germanenstämme, neue Großverbände wie die Franken, Alamannen und Goten immer wieder für Unruhe. Mehrmals drangen Gruppen von „Barbaren“ auf römisches Gebiet vor, plünderten römische Städte, die zuvor fast zwei Jahrhunderte lang weitgehend von Angriffen verschont geblieben waren. Im Osten war um 225 das Sāsānidenreich entstanden, das zum gefährlichsten Rivalen Roms wurde. Im Inneren des Imperiums stützten sich zahlreiche Usurpatoren und Usurpationsversuche vor allem auf die großen Heeresverbände, die nun die Kaisermacht legitimierten (Soldatenkaiser).

284: Diokletian wird römischer Kaiser

Unter Diokletian, der 284 römischer Kaiser wurde, wurde die Reichskrise des 3. Jahrhunderts endgültig überwunden, die Zeit der Soldatenkaiser beendet. Der neue Kaiser reformierte die Verwaltung und führte das Herrschaftsmodell der Tetrarchie ein. Diokletian hatte sich zunächst in der Armee bis zum Befehlshaber der kaiserlichen Leibgarde hochgedient. Im November 284 rief man ihn zum römischen Kaiser aus. Zuvor hatte Kaiser Numerian auf rätselhafte Weise den Tod gefunden. Unmittelbar im Anschluss an die Ausrufung zum imperator soll Diokletian seinen Rivalen Aper mit eigener Hand erschlagen haben. Im Frühling 285 traf er dann in der Schlacht am Margus auf das Heer des legitimen Kaisers Carinus, des älteren Bruders und Mitkaisers seines Vorgängers Numerian. Diokletians Heer unterlag zwar, aber Carinus wurde nach der Schlacht aus unklaren Gründen von seinen eigenen Leuten ermordet. Mit dessen Tod war Diokletian der unbestrittene Herrscher des Imperiums.

Das Römische Reich war, wie erwähnt, im 3. Jahrhundert immer wieder von Krisen heimgesucht worden. Die außenpolitische Lage war fragil, zumal ein Herrscher alleine unmöglich an allen Brennpunkten gleichzeitig sein konnte. Die Soldaten neigten dazu, siegreiche Feldherren schnell zu Kaisern auszurufen. Dies hatte zu zahlreichen Usurpationen geführt. Mit dieser Problematik sah sich nun auch Diokletian konfrontiert und er fand hierfür folgende Lösung.

Das Herrschaftssystem der Tetrarchie

Schrittweise richtete Diokletian das Herrschaftssystem der Tetrarchie ein: Zwei Seniorkaiser (Augusti) und zwei Unterkaiser (Caesares) herrschten hierbei über einen jeweils eigenen Reichsteil. Gesetze aber wurden im Namen des gesamten Vierer-Kollegiums erlassen. Auf diese Weise konnte sich immer ein Mitglied des Kaiserkollegiums in der Nähe der kämpfenden Truppen am Rhein, an der Donau und am Euphrat aufhalten, was die Gefahr einer Usurpation verminderte.

293 wurden zwei Caesares als Unterkaiser ernannt: Constantius Chlorus für den Westen, Galerius für den Osten. Beide wurden von den Augusti adoptiert, Galerius zudem mit Diokletians Tochter Galeria Valeria verheiratet. Sowohl Constantius als auch Galerius waren erfahrene Soldaten, denen insbesondere die Aufgabe zukam, die Außengrenzen des Reiches zu sichern.

303: Die letzte und brutalste römische Christenverfolgung, die 311 mit der Anerkennung des Christentums endet

Im Februar 303 leitete Diokletian in der neuen Reichshauptstadt Nikomedeia in Kleinasien die letzte und brutalste Welle der römischen Christenverfolgung ein, indem er ein Verfolgungsedikt verkünden ließ. Die Christenverfolgung war wohl vor allem der politischen Theologie der Tetrarchie geschuldet: Nach traditioneller römischer Ansicht waren Staat und Religion nicht zu trennen. Der Ausschließlichkeitsanspruch, den die Christen reklamierten und damit alle anderen Religionen negierten, wurde demnach nicht akzeptiert.

Die Verfolgung wurde von den einzelnen Kaisern unterschiedlich intensiv betrieben (im Westen weniger hart als im Osten). Ebenso wurde der Manichäismus von Diokletian energisch bekämpft. Da er die göttlich abgeleitete Deutungshoheit allein beim Kaiser sah, wollte er weltanschauliche Erklärungsversuche auch nicht den Manichäern überlassen und ging gesetzlich gegen sie vor. Sein Manichäeredikt drohte den Anhängern bei Verbreitung der Lehre den Tod an und die anschließende Konfiszierung ihres Vermögens. Im Jahr 311, acht Jahre nach Beginn der Christenverfolgung, gab man diese schließlich auf, nachdem sich zeigte, dass sich das Christentum nicht mehr ausschalten ließ. Also erkannte man es jetzt an.

Diokletian zieht sich 305 ins Privatleben zurück und stirbt zwischen 312 und 316

Bereits 305 zog sich Diokletian ins Privatleben zurück. Er war der einzige römische Kaiser, der freiwillig aus dem Amt schied. Schnell stellte sich heraus, dass das System der Tetrarchie vor allem von seiner Autorität zusammengehalten worden war. Schon 306, nach dem Tod von Constantius, zeigten sich erste Probleme. Im Jahre 308 musste Diokletian dann noch einmal in die Politik eingreifen: In Carnuntum fand unter seinem Vorsitz ein Kaiserkongress zwischen den Augusti Maximian und Galerius statt, um die ausgebrochenen Streitigkeiten zu beenden. Dies blieb jedoch ohne dauerhaften Erfolg. Die Nachfolger führten in den folgenden Jahren mehrere Bürgerkriege.

Diokletian verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in einem riesigen Palast, den er in der Nähe seines Geburtsortes Aspalathos (heute Split / Spalato) in Dalmatien bauen ließ. Er starb zwischen 312 und 316. Zu dem Zeitpunkt waren alle seine früheren Mitkaiser bereits verstorben, Constantius († 306), Maximian († 310) und Galerius († 311).

Ab 306: Konstantins Aufstieg zur Macht

Die Querelen konnten erst durch Konstantin beendet werden, den Sohn des Constantius. Konstantin war bereits seit 306 römischer Kaiser, ab 324 regierte er als Alleinherrscher. Grundsätzlich hielt auch Konstantin am Prinzip des Mehrkaisertums fest, dergestalt er seine Söhne zu Caesares erhob. Bis zum Untergang des Weströmischen Reiches 476 sollte es fast immer mehr als einen Kaiser im Imperium Romanum geben. Das diokletianische System der Tetrarchie allerdings wurde dabei nie wieder erneuert.

Konstantins Aufstieg zur Macht vollzog sich im Rahmen der Auflösung der römischen Tetrarchie („Viererherrschaft“), die Kaiser Diokletian errichtet hatte. 306 trat Konstantin das Erbe seines Vaters Constantius I. an, nachdem dessen Soldaten ihn zum Kaiser ausgerufen hatten. Bis 312 hatte sich Konstantin im Westen, 324 auch im Gesamtreich durchgesetzt.

Constantius, der Vater von Konstantin, stammte wie viele römische Militärs aus dem Illyricum und war in einfachen Verhältnissen herangewachsen. Er neigte zum Henotheismus (besondere Verehrung einer Gottheit unter mehreren solchen) und verehrte vermutlich den Sonnengott Sol. Konstantin lebte zuerst am Hof des Seniorkaisers Diokletian im Osten. Dort erhielt er eine formale, auch literarische Ausbildung, so dass wir von einem recht gebildeten Mann ausgehen können. Vermutlich kam Konstantin auch in Kontakt mit dem gebildeten Christen Lactantius, der am Hof Diokletians tätig war. Zu Beginn der diokletianischen Christenverfolgung im Jahr 303, die das Ende eines seit 40 Jahren bestehenden Religionsfriedens markierte, legte Lactantius sein Amt nieder.

Konstantin wird zum Caesar ernannt, womit er sich vorläufig begnügt

Bereits mit der Kaisererhebung Konstantins im Jahr 306, die im Grunde eine Usurpation darstellte, war die mühsam errichtete tetrarchische Ordnung Diokletians durchbrochen. Die dynastische Idee, der die Soldaten mehrheitlich anhingen, gewann nun wieder an Boden. Für Konstantin blieb die Lage angespannt, da sein Kaisertum faktisch illegitim war. Er konnte aber darauf vertrauen, dass das gallische Heer loyal zu ihm stand und seine Herrschaft nicht direkt bedroht wurde. Gallien und Britannien befanden sich fest in seiner Hand. Galerius, nach dem Tod des Constantius der ranghöchste Kaiser, verweigerte Konstantin allerdings die Anerkennung als Augustus. Galerius fehlten jedoch die Mittel, gegen den Usurpator vorzugehen, zumal Konstantins Usurpation nicht die einzige war. Ende Oktober 306 war Maximians Sohn Maxentius von der Prätorianergarde und stadtrömischen Kreisen in Rom zum Kaiser erhoben worden und behauptete nun Italien und Africa. Schließlich ernannte Galerius Severus zum neuen Augustus des Westens und Konstantin zu dessen Caesar, womit sich Konstantin begnügte – vorläufig.

Über die innenpolitischen Maßnahmen Konstantins in seinem Reichsteil (Britannien und Gallien, wozu noch vor 312 Hispanien kam) ist nur wenig bekannt. Den Christen, denen schon sein Vater nicht feindlich gegenübergestanden hatte (die diokletianische Christenverfolgung war in Westeuropa weitaus weniger stark ausgeprägt gewesen als im übrigen Reich), gestattete Konstantin wieder den Gottesdienst. Galerius hingegen ließ die Christen im östlichen Reichsteil noch bis 311 verfolgen. Erst als die erhoffte Zurückdrängung des Christentums ausblieb, beendete er die Verfolgungen mit seinem Toleranzedikt. Konstantin residierte damals vornehmlich in Augusta Treverorum, dem heutigen Trier, das er prachtvoll ausbauen ließ. Zahlreiche neue Gebäudekomplexe entstanden, darunter repräsentative Gebäude wie die Konstantinbasilika und die Kaiserthermen.

312: Konstantin marschiert in Italien ein – Maxentius macht den Riesenfehler, sich ihm in einer offenen Feldschlacht zu stellen, statt im gut befestigten Rom zu bleiben

Im Frühjahr 312 marschierte Konstantin, nachdem er bereits Hispanien seinem Herrschaftsbereich angeschlossen hatte, in Italien ein. Kaiser Maxentius war darauf allerdings gut vorbereitet. Er hatte mehrere Städte in Norditalien zusätzlich befestigen lassen. Zahlenmäßig waren seine Truppen wohl überlegen. Maxentius soll über etwa 100.000 Mann verfügt haben. Konstantin hingegen konnte wegen der Gefährdung der Rheingrenze nur ein Viertel seines Gesamtheeres mitführen, rund 40.000 Mann. Sein Heer aus britannischen, gallischen und germanischen Truppen war allerdings wesentlich kampferprobter als das italische. Konstantin rückte schnell vor und überraschte damit offenbar den Gegner. Er siegte bei Turin, Brescia und schließlich in der Schlacht von Verona. Mehrere Städte öffneten nun Konstantin kampflos die Tore, darunter die wichtige Residenzstadt Mailand. Nun traf Maxentius eine schwer nachvollziehbare Entscheidung, die sich bereits Zeitgenossen nicht erklären konnten. Anstatt in der befestigten Stadt Rom, die Konstantin nicht hätte erstürmen können, abzuwarten, suchte er die Feldschlacht.

Am 28. Oktober 312 zog Maxentius Konstantin entgegen. Nördlich von Rom, an der Milvischen Brücke, kam es zur Entscheidungsschlacht. Einige Kilometer nördlich von ihr kam es bereits zu Vorhutgefechten. In diesen unterlagen die Truppen des Maxentius. Daraufhin flüchteten sie zu einer Hilfsbrücke, die zuvor neben der Milvischen Brücke errichtet worden war . Diese Flucht scheint schließlich in offene Panik umgeschlagen zu sein, denn am Tiber selbst kam es wohl zu keiner Schlacht im eigentlichen Sinne. Vielmehr drängten die Soldaten des Maxentius nach Süden, viele ertranken im Fluss. So erging es auch Maxentius. Anschließend löste sich dessen Heer auf. Die Schlacht war entschieden.

Konstantin zieht feierlich in Rom ein und herrscht nun uneingeschränkt im Weströmischen Reich

Damit herrschte Konstantin nun uneingeschränkt im Westen. Nach seinem Sieg zog er feierlich in Rom ein. Der abgetrennte Kopf des Maxentius wurde der Bevölkerung präsentiert. Dem Senat der Stadt trat Konstantin mit Achtung entgegen, dieser erkannte den Sieger als ranghöchsten Augustus an. Maxentius hingegen wurde nun zu einem Tyrannen und Usurpator stilisiert und schließlich sogar von der konstantinischen Propaganda ahistorisch als Christenverfolger dargestellt. Die Prätorianergarde, das militärische Rückgrat des Maxentius, wurde aufgelöst.

In den Quellen ist von einem göttlichen Zeichen die Rede, das Konstantin vor der Schlacht zuteilgeworden sein soll. Der Bericht des Lactantius ist sehr zeitnah verfasst, während Eusebios von Kaisareia seine Darstellung, die wahrscheinlich auf Äußerungen Konstantins gegenüber Bischöfen beruht, erst mehrere Jahre später niederschrieb. Lactantius berichtet von einer Traumerscheinung, in der Konstantin angewiesen wurde, das himmlische Zeichen Gottes auf die Schilde der Soldaten malen zu lassen. Daraufhin habe er dort das Christusmonogramm anbringen lassen. Eusebios erzählt von einer Himmelserscheinung in Form eines Kreuzes mit den Worten „Durch dieses siege!“ und erwähnt kurz darauf das Christusmonogramm. Eine „pagane Variante“ der Legende bietet der Panegyricus des Nazarius aus dem Jahr 321, während der anonyme Panegyriker von 313 den Sieg auf den Beistand einer ungenannten Gottheit zurückführt.

313: Die Mailänder Vereinbarung sichert allen Religionen, so auch den Christen, im ganzen Reich Kultfreiheit zu

Nachdem Konstantin die Alleinherrschaft im Westen errungen hatte, traf er sich Anfang 313 in Mailand mit Kaiser Licinius, der Constantia nun heiratete. Die beiden Kaiser verabschiedeten dort die sogenannte Mailänder Vereinbarung. Diese wird oft auch als Toleranzedikt von Mailand bezeichnet, was aber nicht korrekt ist, da die Absprache nicht in einem reichsweiten Edikt verkündet wurde. In der Vereinbarung wurde den Christen ebenso wie allen anderen Religionen im ganzen Reich Kultfreiheit zugesichert. Es handelte sich nicht um eine Privilegierung des Christentums, sondern nur um Gleichstellung mit den anderen Religionen.

Wichtig war für die Christen auch, dass die beiden Kaiser die Kirche als Korporation anerkannten, also als eine Institution des öffentlichen Rechts mit allen Rechten und Privilegien. Für den rigorosen Christenverfolger Maximinus Daia, der das Toleranzedikt des Galerius faktisch widerrufen hatte, war die Vereinbarung eine Bedrohung, zumal da in seinem östlichen Reichsteil die meisten Christen lebten. Nur notgedrungen schwenkte er auf die neue Linie ein, rüstete aber gleichzeitig zum Krieg gegen Licinius.

Ende April 313 unterlag Maximinus Daia Licinius in Thrakien und starb nur wenige Monate später auf der Flucht. Die östlichen Christen begrüßten Licinius als Befreier. Tatsächlich betrieb er zunächst eine tolerante Religionspolitik. Der gebildete Christ Lactantius, der im Auftrag Konstantins als Erzieher von dessen Sohn Crispus in Trier tätig war, betrachtete Licinius ebenso wie Konstantin als von Gott gesandten Retter der Christen. Auf Grund der späteren Entwicklungen wurde Licinius in christlichen Quellen dann freilich negativ dargestellt.

Die Spannungen zwischen den zwei einzig verbliebenen Kaisern Konstantin und Licinius nehmen immer mehr zu, es kommt zu ersten militärischen Konfrontationen

Nun gab es nur noch zwei Kaiser im gesamten Reich, doch entstanden bald Spannungen zwischen ihnen. 316 kam es zum offenen Konflikt. Beide Seiten waren bereit, die Machtfrage militärisch zu entscheiden. Konstantin marschierte mit seinen gallisch-germanischen Truppen, etwa 20.000 Mann, in das Illyricum ein, rückte dabei rasch vor. Bei Cibalae (heute Vinkovci) trat ihm Licinius mit 35.000 Mann entgegen. Doch trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit unterlag Licinius mit seinen Truppen. In aller Eile musste er nach Thrakien fliehen, wo weitere Truppen standen. Dort kam es zur nächsten Schlacht, in der Nähe von Adrianopel. Diese endete unentschieden. Konstantin und Licinius einigten sich vorläufig. Licinius musste die gesamte Balkanhalbinsel räumen. 317 wurden zwei Söhne Konstantins sowie der einzige legitime Sohn des Licinius zu Caesaren erhoben.

Die Spannungen zwischen Konstantin und Licinius blieben aber auch nach 316 bestehen. Licinius ergriff nun feindselige Maßnahmen gegen die Christen, denen er in Anbetracht von Konstantins Religionspolitik offenbar misstraute. Es soll zu Versammlungsverboten, Konfiskationen und erzwungenen Opferungen gekommen sein. In christlichen Quellen, denen hier wenig zu trauen ist, ist auch von einer geplanten Verfolgung die Rede. Licinius wurde von den Christen nun zu einem Tyrannen stilisiert. Realistisch ist, dass er auf Grund der politischen Lage das Christentum in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken versuchte. Dies ermöglichte es Konstantin, sich in diesem Zusammenhang als Retter der Christen im Osten stilisieren und somit seine christenfreundliche Politik auch machtpolitisch nutzen.

324 kommt es zur Entscheidungsschlacht: Konstantin wird alleiniger Herrscher des Römischen Reichs und macht Byzanz (Konstantinopel) zu seiner Residenzstadt

324 kam es zum entscheidenden Konflikt. Beide Seiten waren hoch gerüstet und führten starke Armeen mit jeweils deutlich über 100.000 Mann ins Feld. Zunächst gelang es Konstantin, Licinius im Frühsommer 324 bei Adrianopel in Thrakien zu schlagen. Licinius floh ins stark befestigte Byzantion. Nachdem aber Konstantins ältester Sohn Crispus die feindliche Flotte in der Seeschlacht bei Kallipolis vernichtet hatte, drohte Licinius abgeschnitten zu werden und floh weiter nach Kleinasien. Im September 324 unterlag er dann endgültig in der Schlacht von Chrysopolis. Er musste kapitulieren. Konstantin versprach ihm, sein Leben zu schonen. Wohl aus machtpolitischem Kalkül wurde Licinius, der wie Konstantin recht rücksichtslos gegen seine Gegner vorgegangen war, im Jahr 325 auf Befehl Konstantins gleichwohl hingerichtet. Bald darauf ließ Konstantin auch den Sohn des Licinius hinrichten. Konstantin war nun unbestritten der alleinige Herrscher des Römischen Reiches.

Nach dem Sieg über Licinius verlegte Konstantin die Hauptresidenz in den Osten. Dabei entschied er sich für die alte griechische Kolonie Byzanz (heutiges Instanbul). Die Stadt lag sehr verkehrsgünstig in einer strategisch wichtigen Region und war an drei Seiten von Wasser umgeben. Kurz darauf ließ er die Stadt stark erweitern und prächtig ausbauen. Die neue Residenzstadt wurde Konstantinopel genannt. Rom war schon seit Jahrzehnten nur noch pro forma Hauptstadt und verlor durch den neuen Regierungssitz immer weiter an Bedeutung, wenn es auch weiterhin ein wichtiges Symbol für die Romidee blieb.

Konstantinopel wurde Rom in vieler Hinsicht gleichgestellt, es erhielt etwa einen eigenen, dem römischen jedoch untergeordneten Senat und unterstand nicht der Provinzverwaltung, sondern einem eigenen Prokonsul. Zusätzlich sorgte Konstantin für Anreize, sich in seiner neuen Residenz niederzulassen. Konstantinopel, dessen Stadtgebiet später noch nach Westen erweitert wurde, entwickelte sich zu einer der größten und prächtigsten Städte des Reiches und im 5. Jahrhundert sogar zur Hauptstadt Ostroms.

326: Konstantin lässt seinen Stiefsohn und seine Frau ermorden

326 befahl Konstantin die Ermordung seines ältesten Stiefsohns Crispus und kurz darauf die seiner Frau Fausta. Von christlichen Kirchenhistorikern wurde kolportiert, Fausta hätte Crispus sexuell begehrt und als dieser ihre Avancen ablehnte, hätte sie aus Rache ihren Mann dazu bewogen, den Stiefsohn zu töten. Als Fausta dann bei einer anderen Gelegenheit untreu geworden sei, habe der Kaiser auch sie töten lassen. Dies dürfte jedoch eine konstruierte Geschichte sein.

Plausibler sind politische Hintergründe. Seit 324 trugen Helena und Fausta den Augusta-Titel. Nach Erringung der Alleinherrschaft konnte sich Konstantin der Absicherung seiner Dynastie zuwenden. Sein Stiefsohn Crispus empfahl sich durch mehrere militärische Erfolge. Als möglicher künftiger Herrscher kann er das Opfer einer Intrige rivalisierender Kräfte um Fausta geworden sein. Die Aufdeckung der Intrige hätte dann zum Vorgehen gegen Fausta geführt.

Denkbar ist auch, dass Crispus ehrgeizig und mit seiner Stellung unzufrieden war und sich daher in einen Machtkampf verwickeln ließ, den er verlor, da Konstantin seine legitimen Kinder für die Nachfolge favorisierte. Nach den Regeln der Tetrarchie, die einst Diokletian eingeführt hatte, hätte ein Kaiser nach zwanzig Jahren eigentlich zurücktreten müssen. Es ist denkbar, dass Crispus und seine Unterstützer daher gefordert hatten, dass Konstantin dem Caesar spätestens 327 den Aufstieg zum Augustus ermöglichen solle. Unerklärt bleibt dann aber der Mord an Fausta, der in diesem Fall wohl in einen anderen Zusammenhang gehört. Jedenfalls handelte es sich um dramatische, wahrscheinlich politische Konflikte am Hof, die anschließend vertuscht wurden.

Die konstantinische Wende (ab 312/324)

Unklar ist, warum Konstantin das Christentum relativ früh förderte. Bis zu seiner Zeit wurde das Christentum im Römischen Reich zeitweilig geduldet, zeitweilig verfolgt. Es unterschied sich von den paganen (heidnischen) Kulten vor allem durch seinen Monotheismus und seinen Anspruch auf Alleinbesitz einer zur Erlösung führenden religiösen Wahrheit. Im frühen 4. Jahrhundert waren die Christen bereits eine relativ starke Minderheit. Die in den paganen Kulten seit dem 3. Jahrhundert hervortretende Tendenz zum Henotheismus (Konzentration auf eine einzige höchste Gottheit) zeugt von wachsender Empfänglichkeit für monotheistisches Denken.

Im östlichen Teil des Reiches waren die Christen zahlreicher als im Westen, in Kleinasien waren manche Städte bereits völlig christianisiert. Die Schätzungen für den Anteil der Christen an der Reichsbevölkerung schwanken stark, realistisch dürften es aber nicht mehr als zehn Prozent gewesen sein. Dabei ist zu beachten, dass zu dieser Zeit keineswegs jeder, der den christlichen Gott verehrte, dies exklusiv tat. Noch viele Jahrzehnte gab es zahlreiche Menschen, die lediglich unter anderem Christen waren.

Vor der Schlacht an der Milvischen Brücke verehrte der wohl seit seiner Jugend zum Henotheismus neigende Konstantin insbesondere den Sonnengott Sol Invictus. Das Christentum war ihm damals zumindest oberflächlich bekannt. Ab 312 begünstigte er es dann wohl immer mehr, wobei ihn Bischof Ossius von Córdoba als Berater beeinflusste. Diese neue Richtung in der Religionspolitik des Kaisers wird als konstantinische Wende bezeichnet. Offen bleibt dabei die Frage, inwieweit sich der Kaiser mit dem Glauben identifizierte, zumal die neuere Forschung, wie gesagt, betont, dass im frühen 4. Jahrhundert durchaus noch nicht so eindeutig wie heute definiert war, was unter einem Christen und dem Christentum zu verstehen sei.

Wenn Konstantin etwa seinen Sieg von 312 auf göttlichen Beistand zurückführte, bewegte er sich damit durchaus noch in traditionellen Bahnen und wählte lediglich einen anderen Schutzgott als seine Vorgänger. Mehrere Quellen legen zwar schon für diese Zeit eine persönliche Nähe zum Christentum nahe, doch ist die Auswertung der überlieferten Nachrichten wegen des tendenziösen Charakters sowohl der christlichen als auch der paganen Quellen schwierig. Konstantins „Weg zum Christentum“ war wohl ein Prozess, bei dem er über den Sonnengott nach einer Zeit des „Schwebezustands“ schließlich zum christlichen Glauben gelangte.

Der christliche Monotheismus bietet eine neue Basis für die monarchische Herrschaftslegitimation

Nach Ansicht der meisten Forscher war Konstantins christliches Bekenntnis zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt ernst gemeint, unabhängig von den offenen Deutungsfragen habe es seiner persönlichen Überzeugung entsprochen. Sicher ist, dass er nach 312 die paganen Kulte nicht mehr förderte und pagane Motive zunehmend vermied. Die Mailänder Vereinbarung von 313 privilegierte das Christentum zwar noch nicht, doch förderte Konstantin fortan die christliche Kirche aktiv – zunächst im Westen, später im Gesamtreich –, auch indem er die Stellung der Bischöfe stärkte. Nach Erringung der Alleinherrschaft gab Konstantin deutlicher als zuvor seine Bevorzugung des Christengottes zu erkennen. Seine Zuwendungen an die Kirche sollten teils auch zur Erfüllung der wachsenden karitativen Aufgaben der christlichen Gemeinden beitragen. Eine entscheidende Weichenstellung war, dass Konstantin seine Söhne im christlichen Glauben erziehen ließ. Zunehmend wurden Christen nun auch mit wichtigen Ämtern betraut.

Spätestens nach der Erringung der Alleinherrschaft 324 bekannte sich der Kaiser offen zum Christentum; genauer gesagt: Er präsentierte sich als Anhänger und Begünstigter des christlichen Gottes. Wahrscheinlich betrachtete er den Christengott als den Garanten militärischen Erfolgs und allgemeinen Wohlergehens. Konstantin konnte sich nun durch seine Förderung der Kirche auf eine solide Organisationsstruktur stützen, die sich teils parallel zu den nach heutigen Maßstäben eher schwach ausgestalteten staatlichen Verwaltungsstrukturen entwickelt hatte.

Zudem ermöglichte das Christentum, dessen Repräsentanten inzwischen auch philosophisch argumentierten und damit gebildete Kreise ansprechen konnten, dem Herrscher eine religiöse Untermauerung seines Machtanspruchs: Die Alleinherrschaft war in Rom seit ihrer Begründung durch Augustus stets hinterfragbar und prekär gewesen. Der christliche Monotheismus bot mit seiner bereits früh formulierten Position, wie im Himmel, so solle auch auf Erden nur einer alleine herrschen, eine neue Basis für die monarchische Herrschaftslegitimation. Sein sakrales Kaisertum war aber nicht mit dem expliziten Anspruch verbunden, dass der Herrscher über dem Recht stehe. Seine Nachfolger schritten auf diesem Weg zum Gottesgnadentum weiter.

Der Pakt zwischen Kaiser und Kirche war mitentscheidend für den weiteren Aufstieg des Christentums

Die konstantinische Wende hatte Konsequenzen für das Verhältnis Konstantins zu den traditionellen, sehr heterogenen paganen Kulten. Als Pontifex Maximus war der Kaiser weiterhin für die bisherige römische Staatsreligion verantwortlich und die große Mehrheit der Reichsbevölkerung war weiterhin pagan. Konstantins Protektion der Christen löste zwar zahlreiche Bekehrungen bei Hofe aus, Anzeichen dafür, dass der Kaiser plante, die traditionellen Kulte zu benachteiligen oder gar zu verbieten, sind aber kaum bekannt. Die großen Kulte – vor allem der Mithras- und Sonnenkult –, die im Heer und in der Reichsverwaltung weiterhin zahlreiche Anhänger hatten, blieben unbehelligt.

Recht rigoros ging Konstantin aber teilweise gegen christliche „Häretiker“ vor, da er befürchtete, diese könnten die Einheit der von ihm favorisierten und privilegierten Religion gefährden. Die Erhebung des Sonnentags zum gesetzlichen Feiertag 321 zeigt womöglich auch eine Gratwanderung des Kaisers, der sowohl den Christen als auch den Paganen noch als einer der ihren erscheinen wollte.

Allgemein lässt sich festhalten, dass Konstantin das Christentum förderte, ohne dabei konfrontativ gegen andere Religionen vorzugehen oder diese zu unterdrücken. Erkennbar ist aber eine spätestens seit 324 distanzierte, teils auch kritische Haltung gegenüber den paganen Kulten. Anders als der bei dem christlichen Geschichtsschreiber Eusebios dargestellt, war der historische Kaiser wohl ein stark nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen handelnder Politiker. Dennoch hat die von ihm initiierte Privilegierung des Christentums die paganen Kulte hart getroffen. Zwar gab es zuvor schon einen Trend immer mehr zum Henotheismus oder zu einem „paganen Monotheismus“, aber diese Kulte hatten sich bis dahin keineswegs in einem Niedergang befunden.

Durchgesetzt hat sich der Katholizismus nicht wegen seiner „Rechtgläubigkeit“, sondern weil er sich durchsetzte, wurde er rechtgläubig

Insofern war die konstantinische Wende, der Pakt zwischen Kaiser und Kirche, durchaus mitentscheidend für den weiteren Aufstieg des Christentums.

Oder wie der berühmte Schriftsteller und Kirschenkritiker Karlheinz Deschner (1924-2014) es formulierte:

»Durchgesetzt hat sich der Katholizismus jedoch nicht wegen seiner „Rechtgläubigkeit“, sondern weil er sich durchsetzte, wurde er rechtgläubig. Er siegte, weil er am besten organisiert, im Konkurrenzkampf am brutalsten war … Doch erst nachdem ihn Kaiser Konstantin m 4. Jahrhundert favorisiert hatte, schlug er alle seine christlichen Gegner durch Zerstörung ihrer Kirchen, Konfiskation, Zwangstaufen und andere ähnliche Mittelchen nieder. Dass sich in der Geschichte nicht immer die Besten behaupten und der Sieg selten mit der Wahrheit identisch ist, wurde gerade von der theologischen Forschung … oft betont. Auf dem Sektor des Geistes jedenfalls sind die Entscheidungen über das, was „rechter“ Glaube und „Irrlehre“ war, meist nicht gefallen, sondern fast stets auf dem der Macht.«

Im nächsten Teil mehr zu: Entstehung und Aufstieg des Katholizismus.

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