Natürliche Verteilung der Geschlechter

Von Jürgen Fritz und Peter Mersch, Mi. 17. Nov 2021, Titelbild: Rıfat Sefa KÜÇÜK, Pixabay, CC0 Creative Commons

Ohne Manipulationen, wie zum Beispiel Schwangerschaftsabbrüche, ist die natürliche Geschlechterverteilung beim Menschen über verschiedene Populationen hinweg nicht 50:50, sondern weicht schon bei der Geburt und auch später davon ab. Dies hat unterschiedliche Gründe und Auswirkungen.

Natürlicher Jungenüberschuss bei der Geburt

Bei der Geburt von 100 menschlichen Kindern sehen wir ganz allgemein eine Verteilung von ca. 51,3 Prozent männliche Neugeborene und 48,7 Prozent weibliche Neugeborene. Anders formuliert: auf 100 Mädchen kommen ca. 105 bis 106 Jungen bzw. auf 100 Jungen nur 94 bis 95 Mädchen.

Der natürliche höhere Anteil von Jungen bei der Geburt ist die Folge unterschiedlich hoher pränataler Sterblichkeiten von Embryonen und Föten verschiedenen Geschlechts. In der ersten Woche der Schwangerschaft ist ein Spontanabort von männlichen Embryonen häufiger, in den folgenden 10–15 Wochen jedoch eine frühe Fehlgeburt von weiblichen Embryonen bzw. Föten. Hierdurch kommt es zu dem natürlichen von 50:50 abweichenden Verhältnis und dem Jungenüberschuss. Für ca. 5 von 100 Jungen ist kein Mädchen da.

Einseitig höhere Abtreibungen bei Mädchen in Indien und China

Im Jahr 2015 kamen weltweit 107,3 Jungen auf 100 Mädchen zur Welt (51,8 zu 48,2 Prozent), wobei der Unterschied zur natürlichen Verteilung durch Schwangerschaftsabbrüche vor allem durch Abtreibung weiblicher Föten in Indien und der Volksrepublik China (den beiden bevölkerungsreichsten Ländern) bedingt sein dürfte. In China kamen vor einigen Jahren auf 100 Mädchen unter 15 Jahre sogar 117 Jungs bzw. auf 100 Jungs unter 15 Jahre nur 85,5 Mädchen.

Das wirft mittel- und langfristig gleich mehrere Probleme auf. Erstens bedeutet dies, selbst wenn alle diese 85 bis 86 Mädchen heterosexuell wären und sich später liieren würden, was ja nicht der Fall ist, aber selbst wenn, dann hätten gleichwohl fast 15 Prozent der jungen Männer keinerlei Chance, eine Partnerin zu finden, weil rein physisch ja gar keine für sie da ist.

Zweitens ist dies für die weitere demographische Entwicklung von Auswirkung, denn Kinder bekommen können ja ausschließlich Frauen. Bekommt eine Population ohnehin schon zu wenige Kinder (ca. 210 pro 100 Frauen sind für die Bestandserhaltung notwendig, China liegt aber nur bei ca. 170 Kindern pro 100 Frauen) und bekommt diese Population dann auch noch zu wenige Mädchen bei den zu wenigen Kindern, so bedeutet das in 15 bis 45 Jahren viel zu wenige Frauen, die Kinder bekommen können, so dass die wenigen das überkompensieren müssten, um die Population stabil zu halten. Bekommen diese Mädchen in 15 bis 45 Jahren auch zu wenige Kinder, vor allem zu wenige Mädchen, dann beginnt eine demographische Abwärtsspirale, die dann schon bald nicht mehr gedreht werden kann, denn Mädchen, die vor 15, 25, 35, 45 Jahren nie geboren wurden, können natürlich auch keine Kinder bekommen und die nicht vorhandenen Kinder der nicht vorhandenen Kinder wieder keine usw.

Mit einer extremen Überalterung der Bevölkerung hat daher auch China zu kämpfen. China stand quasi – wie wohl die gesamte Menschheit – vor dem Dilemma: entweder massive Überbevölkerung, im Falle Chinas mit hunderten Millionen, die Hunger leiden, oder drastische Reduktion der Geburtenraten, was dann aber zur Überalterung der Gesellschaft führt. In diesem Dilemma entschied sich die chinesische Staatsführung dann für Letzteres und verordnete die Ein-Kind-Ehe.

In Industrienationen kommt es bei den Älteren wegen der höheren Lebenserwartung zu einem deutlichen Frauenüberschuss

Allgemein gilt: Da Frauen aber eine um mehrere Jahre höhere Lebenserwartung haben – sie überwiegen also bei den Senioren – ist das Verhältnis der Geschlechter aller lebenden Menschen nicht 107 zu 100 bzw. 100 zu 93, sondern ca. 101,8 zu 100 bzw. 100 zu 98,2 zugunsten der Männer. „Es fehlen“ also nicht 7 Frauen auf 100 Männer, sondern „nur“ knapp 2, wobei sich das ungleichmäßig auf die verschiedenen Altersstufen verteilt.

In Industrienationen gibt es bedingt durch die deutlich größere Lebenserwartung der Frauen oft sogar einen Frauenüberschuss in der Bevölkerung. Denn die höhere Sterblichkeit der Männer führt dazu, dass der bei Geburt vorhandene Jungenüberschuss ab einem Alter von ungefähr 57 Jahren in einen Frauenüberschuss umschlägt. Und da es in Industrieländern im Verhältnis viel mehr Alte als Junge gibt, dreht sich dann oft sogar das Gesamtverhältnis aus Männern und Frauen. Stelle man sich das auf einer Vertikalen vor, so kann man sagen: Unten gibt es zu viele Jungs und junge Männer im Vergleich zu den Mädchen und jungen Frauen, oben gibt es relativ zu den alten Männern zu viele alte Frauen.

Wichtige Ergänzungen von Peter Mersch

Für unausgeglichene Geschlechterverhältnisse können noch zwei weitere Faktoren sorgen: 

1. Polygamie

In etlichen Ländern ist Polygamie (genauer: Polygynie) entweder legal oder sonst wie verbreitet (sie wird häufig praktiziert, obwohl sie illegal ist). In Nordnigeria sollen sich beispielsweise 40 Prozent aller verheirateten Frauen einen Ehemann teilen. Da außerehelicher Geschlechtsverkehr zudem als schwere Sünde gilt, führt das dazu, dass ein nennenswerter Teil der männlichen Bevölkerung lebenslänglich keine Chance auf eine Frau und auf Familiengründung hat. In solchen Gesellschaften sind diese Männer gewissermaßen ausgegrenzt. Sozialen Status können sie kaum erwerben, dafür bedarf es der Familiengründung. Dies ist ein entscheidender Grund für die starke männliche …

2. Migration

Wenn deutlich mehr männliche als weibliche Personen in ein Land einwandern (wie dies in Deutschland der Fall ist), dann kann das Geschlechterverhältnis in den Altersgruppen, in denen normalerweise Familiengründungen stattfinden, noch weit stärker auseinandergehen. (Davon profitieren wiederum jüngere Frauen, deren Angebot an potentiellen Partnern dadurch noch größer wird, während es für indigene deutsche junge Männer dadurch noch schwieriger wird, eine Lebenspartnerin zu finden. JFB

In Deutschland besteht in der Altersgruppe 16 bis 40 ein sehr deutlicher Männerüberschuss. Oftmals wandern die jüngeren Frauen aus wirtschaftlich abgehängten Gegenden dann auch noch in die ökonomisch erfolgreicheren Gegenden ab, sodass sich in den abgehängten Gegenden der Frauenmangel verstärkt. Auf eine männliche Zuwanderung wird dort dann besonders kritisch reagiert.

Frauen haben bei solchen innerstaatlichen Migrationen im Allgemeinen mehr Vorteile als Männer. Sie können einerseits einen besser bezahlten Job finden, andererseits aber auch einen wohlhabenden Mann. Für Männer bleibt meist nur die erste Option (für schlecht ausgebildete Männer besteht eine solche Chance realistischerweise kaum).

In unserer Gesellschaft kommt noch ein drittes Problem hinzu: Die große Zahl der Babyboomer. Viele männliche Babyboomer sind gut ausgebildet, haben gut verdient. Und falls sie Kinder hatten, sind diese jetzt aus dem Haus. Diese Männer sind oftmals ebenfalls wieder auf Frauensuche, allerdings nach jüngeren. Sie werben also genauso um die wenigen jüngeren Frauen wie die bereits zahlreicheren jungen Männer.

Das alles birgt jede Menge sozialen Sprengstoff. Dies kann aber auch erklären, warum junge Frauen oftmals so auftreten, als gehöre ihnen die Welt. Sie stoßen kaum jemals auf Widerspruch. Überall werden sie wie Königinnen behandelt. Wer wollte einer Luisa Neubauer in einer TV-Debatte schon widersprechen wollen?

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