99 der 100 besten Schachspieler sind Männer, 60 davon Europäer

Von Jürgen Fritz, Mi. 17. Nov 2021, Titelbild: chess24.de-Screenshot

Beim Schach kommt es nicht auf Körpergröße, Muskelkraft oder Lungenvolumen an, sondern vor allem auf zwei Dinge: numerische Intelligenz und Übung. Dabei profitieren intelligentere Spieler von gleich viel Übung mehr als weniger intelligente. Betrachtet man nun, wer die besten Schachspieler der Welt sind, so fallen gleich mehrere Dinge auf.

Schier unendlich viele mögliche Spielverläufe: gefragt sind Intelligenz (Mustererkennung) und Übung

Das Schachspiel ist eine besondere Sportart. Anders als bei anderen Disziplinen kommt es hier nicht auf Skelett und Muskulatur, sondern vornehmlich auf das Gehirn an. Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass hierbei Intelligenz und Übung je etwa 50 Prozent des Erfolgs ausmachen. „Je höher die Intelligenz und je mehr Turnierspiele absolviert wurden, desto höher war die Spielstärke. Darüber hinaus zeigte sich eine Wechselwirkung dahingehend, dass intelligentere Spieler mehr vom gleichen Ausmaß an Übung profitieren als weniger intelligente, erläuterte Roland Grabner vom Institut für Psychologie der Universität Graz den Zusammenhang. „Beim Durchrechnen verschiedener Zugmöglichkeiten scheinen die numerisch intelligenteren Spieler ihre Stärke ausspielen zu können. Allgemeines visuell-räumliches Denken spielt hier kaum eine Rolle“, so Grabner.

Dabei muss man wissen: Schach ist eines der komplexesten Brettspiele, die es gibt. Bereits nach zwei Zügen können 72.084 verschiedene Stellungen entstehen. Die Zahl der möglichen Stellungen insgesamt wird auf über 10.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000 (1043) geschätzt. Die Zahl der möglichen Spielverläufe ist noch einmal um ein Vielfaches größer: Schon für die ersten 40 Züge belaufen sich die Schätzungen auf etwa 10115 bis 10120 verschiedene Spielverläufe.

Geschichte des Schachspiels

Der Vorläufer des modernen Schachspiels entstand vermutlich in Nordindien. Spätestens im 13. Jahrhundert war das Schachspiel in Europa fest etabliert, gehörte sogar zu den Septem probitates, den sieben zu beherrschenden Fähigkeiten der Ritter. Im 15. Jahrhundert kam es, vermutlich in Spanien, zu einer großen Reform der Spielregeln, bei der schrittweise die heute gültigen Gangarten für Dame und Läufer, der Doppelschritt des Bauern von seinem Startfeld sowie die Rochade eingeführt wurden.

Der erste Schachverein wurde dann 1809 in Zürich gegründet. Anlässlich der Weltausstellung in London 1851 kam es zum ersten großen Turnier und es begann die Geschichte der modernen Schachturniere. Die erste Schachweltmeisterschaft wurde1886 ausgetragen. 1924 wurde in Paris der Weltschachbund FIDE gegründet. Die FIDE übernahm ab 1948 auch die Vergabe des Schachweltmeistertitels und organisierte Weltmeisterschaften im Dreijahresrhythmus. Und die FIDE führt auch die Schach-Weltrangliste. Diese habe ich mir nun mal etwas genauer angesehen und dabei einige verblüffende Dinge entdeckt.

99 der weltbesten Schachspieler sind Männer, 60 davon Europäer

Schaut man sich die Top 100, also die derzeit 100 besten Schachspieler der Welt an, so lassen sich folgende Dinge feststellen:

a) 99 der Top 100 sind Männer. Es gibt nur eine einzige Frau, die mit den besten männlichen Schachspielern mithalten kann: die 27-jährige Chinesin Hou Yifan. Sie war von 2010 bis 2012, von 2013 bis 2015 sowie von 2016 bis 2017 Schachweltmeisterin der Frauen und steht im allgemeinen Ranking auf Position 83. Hou Yifan qualifizierte sich viermal (2009, 2011, 2013 und 2015) für den Schach-Weltpokal, der Teil der Qualifikation zur Schachweltmeisterschaft ist. Hierbei traten jeweils 128 Spieler an. Bei ihren ersten drei Teilnahmen scheiterte Hou Yifan, die beste Schachspielerin der Welt, jeweils in der ersten Runde. Nur 2015 konnte sie sich in der ersten Runde (R128) durchsetzen, unterlag dann aber in der zweiten Runde (R64).

b) Europa macht zwar nur noch ca. 9,5 Prozent der Weltbevölkerung aus, gleichwohl sind sechs der derzeitigen Top Ten-Spieler und 60 der Top 100 Europäer. Innerhalb Europas und auch weltweit ist Russland traditionell die führende Schachnation. Von 1945 bis etwa 1990 war die Sowjetunion die dominierende Schachnation und stellte fast alle Weltmeister. Seit dem als „Match des Jahrhunderts“ bezeichneten Weltmeisterschaftskampf 1972, in dem der US-Amerikaner Bobby Fischer den russischen Weltmeister Boris Spasski bezwang, wurde das Schachspiel auch in den westlichen Industrienationen zunehmend populärer.

Noch immer ist Russland die stärkste Nation. In den Top Ten sind derzeit zwei Russen und in den Top 100 ist fast jeder vierte Spieler (24) eine Russe. Die zweitmeisten Top 100-Spieler hat in Europa die Ukraine (6), dann England (5) und Ungarn (4). Deutschland und Österreich haben je einen Spieler in den Top 100, wobei Liviu-Dieter Nisipeanu, der für den deutschen Schachbund spielt, aus Rumänien stammt und bis 2014 für Rumänien spielte.

Zu den 60 Top 100-Spielern aus Europa kommen nochmals vier aus Aserbaidschan, drei aus Armenien sowie je einer aus Kasachstan und Usbekistan, alles ehemalige Sowjetrepubliken. Dabei grenzen Aserbaidschan, Armenien und Kasachstan direkt an Europa und gehören zum kleineren Teil sogar zum europäischen Kontinent.

Aber auch ganz ohne Aserbaidschan, Armenien und Kasachstan gilt: Obschon die europäischen Männer nur 4,7 bis 4,8 Prozent der Erdbevölkerung ausmachen, stellen sie 60 Prozent der besten Schachspieler der Welt, deutlich mehr als die anderen 95,2 bis 95,3 Prozent der Menschheit.

Der überragende Spieler unserer Zeit: Magnus Carlsen

c) Die Nr. 1 der Welt ist derzeit der Norweger Magnus Carlsen, der am 30. November 31 Jahre alt wird. Mit 13,4 Jahren errang der Norweger den Titel eines Großmeisters. Und im Januar 2010 erreichte er mit nur 19 Jahren als bislang jüngster Spieler die Spitzenposition der FIDE-Weltrangliste. Seit Juli 2011 hat er diese bis heute inne. Carlsen ist bereits seit 2013 Schachweltmeister. Seine Elo-Zahl, also die Wertungszahl, die seine Spielstärke beschreibt, lag im Mai 2014 bei 2.882 Punkten. Dies war und ist die höchste seit Einführung der Liste im Jahr 1970. Eine höhere, rückwirkend berechnete historische Elo-Zahl hatte nur das US-amerikanische Schachgenie Bobby Fischer. Die aktuelle ELO-Zahl von Carlsen liegt bei 2.855, womit er der einzige ist, der über 2.800 liegt.

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Hier spielt er eine komplette Partie (alle seine Züge) in 30 Sekunden:

Afrika, Lateinamerika und Australien, die 26 bis 27 Prozent der Erdbevölkerung ausmachen, haben zusammen nur zwei Top 100-Spieler

d) Die restlichen 40 Top 100-Spieler, die nicht Europäer sind, teilen sich wie folgt auf die Kontinente auf:

  • 29 kommen aus Asien (das 59,3 Prozent der Erdbevölkerung ausmacht). Von diesen 29 sind 9 Chinesen, 6 Inder, 4 aus Aserbaidschan, 3 Armenier und zwei Israeli. Das kleine Israel mit 0,1 Prozent der Erdbevölkerung stellt also 2 Prozent der Spitzenspieler (doppelt so viele wie ganz Mittel- und Süd-Amerika und ganz Afrika).
  • 9 kommen aus Nordamerika (4,7 Prozent der Weltbevölkerung) und diese alle aus den USA (4,2 Prozent der Erdbevölkerung), keiner aus Kanada.
  • Ganz Lateinamerika (8,4 Prozent der Erdbevölkerung) stellt einen einzigen Top 100-Spieler. Jorge Cori aus Peru ist die Nr. 89 der Welt.
  • Und ganz Afrika (17,5 Prozent der Erdbevölkerung) hat ebenfalls einen Top 100-Spieler. Der ägyptische Großmeister Bassem Amin steht auf Position 52.
  • Aus Australien (0,5 Prozent der Erdbevölkerung) ist kein Spieler in den Top 100 vertreten.

Die IQ-Verteilung zeigt bei Männern eine deutlich größere Varianz

Diese Resultate dürften unterschiedliche Gründe haben, ein wesentlicher Faktor ist aber sicherlich die Intelligenz. Wie kommt es insbesondere, dass 99 Prozent der besten Schachspieler männlich sind und nur ein Prozent weiblich, in den Top 50 sogar alle männlich? Zum einen fällt auf, dass Frauen bei sprachbezogenen Aufgaben im Durchschnitt oft etwas besser als Männer abschneiden, diese dagegen im Schnitt bei mathematischen Aufgaben und solchen, die das räumliche Denken betreffen, besser sind. Ein weiterer Hinweis gibt die Verteilung der Intelligenz.

  • Die meisten Menschen, mehr als zwei Drittel (ca. 68 Prozent) erreichen bei Intelligenztests einen Intelligenzquotienten (IQ) zwischen 85 und 115.
  • Über 95 Prozent haben einen IQ zwischen 70 und 130.
  • Extrem niedrige und extrem hohe Werte sind sehr selten. Nur gut 2 Prozent haben einen IQ von unter 70 und nur gut zwei Prozent einen über 130.

Doch genau hier gibt es einen markanten Unterschied zwischen Männern und Frauen. Im mittleren Intelligenzbereich um die 100 herum finden sich deutlich mehr Frauen als Männer. An den Rändern dagegen finden sich sowohl bei sehr niedriger als auch bei sehr hoher Intelligenz deutlich mehr Männer. Die Varianz ist bei Männern also deutlich größer, das Spektrum ist breiter. Es gibt also deutlich mehr Männer, die im kognitiven Bereich stark unterdurchschnittliche, aber auch deutlich mehr Männer, die geistig stark überdurchschnittliche Fähigkeiten an den Tag legen. Und je weiter man nach außen geht, desto größer werden diese Unterschiede.

Eine Untersuchung von Paul Irwing und Richard Lynn vom Zentrum für Psychologie der Universität Manchester kam zu dem Ergebnis, dass sich bei Personen mit einem IQ oberhalb von 125 Punkten schon doppelt so viele Männer wie Frauen finden. Ab einem IQ von 155, der Genies zugesprochen wird, kommt auf 5,5 Männer sogar nur noch eine Frau. Geht man noch weiter nach oben, finden sich noch weniger Frauen. Ähnliches gilt freilich für die unteren Bereiche von unter 75 bzw. noch weit darunter. Auch dort finden sich mehr Männer als Frauen.

IQ Score Females-Males

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