Oscar-Preisträger Sidney Poitier im Alter von 94 Jahren gestorben

Von Jürgen Fritz, Sa. 08. Jan 2022, Titelbild: Entertainment Tonight-Screenshot

Sir Sidney Poitier ist im Alter von 94 Jahren verstorben. Der in ärmlichen Verhältnissen auf den Bahamas Aufgewachsene avancierte in der zweiten Hälfte der 1950er und dann ab den 1960er Jahren zum wichtigsten afroamerikanischen Filmschauspieler seiner Generation. 1964 erhielt er für „Lilien auf dem Felde“ als erster Schwarzer den Oscar als bester Hauptdarsteller.

Als Kind armer Bauern von den Bahamas als Tellerwäscher nach New York und dann an den Broadway und nach Hollywood

Geboren wurde Sidney Poitier 1927 in Miami, Florida, als seine Eltern, die von den Bahamas stammten, gerade zu Besuch waren. Dadurch war Sidney gemäß Geburtsortsprinzip Staatsbürger der Vereinigten Staaten, wuchs jedoch auf den Bahamas als achtes Kind armer Bauern auf. Nur wenige Jahre Schule waren ihm vergönnt. Trotz dieses bescheidenen Starts wurde er zu einer wahren Filmlegende und in dern 1960er Jahren zu einem der bestbezahlten Schauspieler der Welt. Der Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey sagte Poitier einmal: „Meine Eltern brachten mir bei, dass ich grundlegende Rechte hatte. Dass ich jemand war. Wir hatten kein Geld, keinen Strom, kein fließendes Wasser. Meine Eltern brachten mir trotzdem bei, dass ich jemand war.“

Mit 18 ging Poitier nach New York, schlug sich anfangs als Tellerwäscher durch. Dann kam er erstmals mit dem Theater in Berührung. Da er zunächst keine Anstellung als Schauspieler bekam, begann er dort als Hausmeister, bis er schließlich ab 1946 erste Rollen bekam. Von dort aus gelang ihm dann der Sprung an den Broadway. 1950 holte ihn der Hollywood-Produzent Darryl F. Zanuck nach Hollywood. In seinem Filmdebüt spielte er in dem Rassismusdrama Der Haß ist blind eine zentrale Rolle als junger Arzt, der von einem rassistischen Patienten abgelehnt wird.

Auf sich aufmerksam machen konnte der damals 28-jährige Poitier endgültig durch die Rolle eines Schülers in dem Sozialdrama Die Saat der Gewalt (1955) von Richard Brooks mit Glenn Ford in der Hauptrolle. 1958 spielte er gemeinsam mit Tony Curtis die Hauptrollen in Stanley Kramers Flucht in Ketten, was ihm eine erste Oscar-Nominierung einbrachte.

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Der erste schwarze Schauspieler, der mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, der vier Jahre später mit einer Ohrfeige weitere Filmgeschichte schrieb

In den folgenden Jahren etablierte sich Poitier endgültig als wichtigster afroamerikanischer Filmschauspieler seiner Generation. 1961 spielte er in Ein Fleck in der Sonne (A Raisin in the Sun) unter der Regie von Daniel Petrie, der in Cannes mit dem Gary Cooper Award ausgezeichnet wurde. Sidney Poitier und Claudie McNeil wurden für für ihre darstellerischen Leistungen für einen Golden Globe Award nominiert. Die kulturgeschichtliche Bedeutung dieses Films wurde im Jahr 2005 durch seine Aufnahme in das National Film Registry gewürdigt. 1963 spielte Poitier in Lilien auf dem Felde. Der Film wurde Anfang 1964 in fünf Kategorien für den Oscar nominiert und Sidney Poitier gewann als erster schwarzer Schauspieler den Oscar als bester Hauptdarsteller.

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1967 ging Poitier mit einer Ohrfeige in die Geschichte ein. In dem Norman Jewison-Film In der Hitze der Nacht spielt Sidney Poitier neben Rod Steiger einen Ermittler aus der Großstadt, der einen Mordfall in einer Kleinstadt im vom Rassismus geprägten Süden aufklären soll. In der wohl berühmtesten Szene verpasst der mutmaßliche weiße Täter dem schwarzen Ermittler eine Ohrfeige. Doch dieser lässt sich das nicht gefallen und schlägt augenblicklich und ein wenig härter zurück. Die Symbolik dieser Szene kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: Er, der Schwarze, wehrt sich gegen einen Weißen und lässt sich diese Herabwürdigung nicht gefallen. Regisseur Norman Jewison sagte später, es sei diese Ohrfeige gewesen, die in der ganzen Welt gehört wurde.

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Der erste Schwarze, der eine weiße Frau auf der Leinwand küsste

Doch Poitier ging nicht nur mit dieser Szene in die Filmgeschichte ein, sondern auch mit einem Kuss. Noch im gleichen Jahr (1967) kam auch Rate mal, wer zum Essen kommt in die Kinos. Darin spielt Poitier zusammen mit den beiden Filmlegenden Spencer Tracy und Katharine Hepburn, deren Tochter sich im Film in einen Farbigen verliebt und diesen heiraten möchte. Dabei kommt es zum ersten Mal zu einem Kuss zwischen einer weißen Frau und einem schwarzen Mann auf der Leinwand.

Ab Anfang der 1970er Jahre war Poitier zunehmend auch als Regisseur tätig, drehte im Laufe der Jahre neun eigene Filme. Seine vorerst letzte Rolle als Darsteller spielte er 1977 in der Komödie Ausgetrickst, in der er neben Bill Cosby spielte. 1988 kehrte er mit den Filmen Mörderischer Vorsprung und Little Nikita als Schauspieler auf die Kinoleinwand zurück. Der inzwischen über 60-Jährige hatte nichts von seiner Anziehungskraft und Ausstrahlung verloren. 2001 spielte er dann seine letzte Rolle als Titelfigur in dem Fernsehfilm The Last Brickmaker in America.

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Wegbereiter für viele andere

Viele schwarze Schauspieler nennen Sidney Poitier als ihr Vorbild, als Wegbereiter für viele andere Schwarze in Hollywood. 2009 erhielt er die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung der USA. Verliehen bekam er sie vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama, der den großen Schauspieler innig umarmte. Obama sagte, Poitier mache keine Filme, sondern schaffe Meilensteine künstlerischer Extraklasse und des amerikanischen Fortschritts.

Seine Kultiviertheit in Erscheinungsbild und Auftreten machte ihn zu einem Vorbild und Kinokassenmagneten. Viele Afroamerikaner verehren ihn. Von 1997 bis 2007 war Poitier wenngleich eher repräsentativ Botschafter der Bahamas in Japan. Außerdem vertrat er die Bahamas von 2002 bis 2007 als Botschafter bei der UNESCO. Sidney Poitier starb am 6. Januar 2022. Mit seiner ersten Frau hatte er vier Töchter, mit seiner zweiten Ehefrau zwei Töchter, darunter die Schauspielerin Sydney Tamiia Poitier.

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Sei der Kapitän deines eigenen Schiffes

Für seine sechs Töchter war er ein Vorbild, wie man ein selbstbestimmtes Leben führt, so erklärte es seine Tochter Sydney Tamiia in einem Interview im vergangenen Jahr: „Er sagte uns immer: Sei der Kapitän deines eigenen Schiffes. Wir müssen unseren moralischen Kompass kennen und diese Richtung einschlagen – egal, was um uns herum passiert.“

Oprah Winfrey, die bis 2011 über ein viertel Jahrhundert lang die bei weitem erfolgreichste Talkshow des US-amerikanischen Fernsehens moderierte, meinte: „Für mich ist der größte der großen Bäume gefallen.“

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