Von Jürgen Fritz, Sa. 26. Mrz 2022, Titelbild: AFP-Screenshot
Angesichts des desaströsen Verlaufs ihres Krieges drehen die Russen immer mehr durch. Während ihre Streitkräfte auf fremdem Boden Kriegsverbrechen auf Kriegsverbrechen begehen, sprach Außenminister Lawrow am Freitag davon, dass der Westen Russland den „totalen Krieg“ erklärt habe, Ex-Ministerpräsident Medwedew drohte erneut mit Atomwaffen und Putin verliert jede Contenance.
Lawrow: „Heute haben sie uns einen echten hybriden Krieg erklärt, den totalen Krieg“
Die russische Führung hat die Reaktionen auf ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine offensichtlich vollkommen unterschätzt und ist nun wohl völlig schockiert, mit welcher Macht die westliche, freiheitliche Welt darauf reagiert und die russische Wirtschaft komplett zu zerstören droht.
Hinzu kommt der unglaublich mutige und professionelle Widerstand der Ukraine, die militärisch zahlenmäßig und ausrüstungsmäßig zwar deutlich unterlegen sind, dies aber durch eine weit überlegene Kampfmoral und im Gegensatz zum russischen oftmals dilettantischen Vorgehen durch sehr professionelles Agieren wett machen. Das führt dazu, dass es militärisch nur langsam voran geht, teilweise gar nicht mehr und der russischen Ökonomie ein wahres Waterloo droht. Daher liegen in Moskau die Nerven zunehmend blank, wie seit vielen Tagen zu beobachten ist.
Gestern sprach der russische Außenminister Sergej Lawrow angesichts der westliche Sanktionen von einem gegen Moskau gerichteten „hybriden Krieg“ gesprochen. „Heute haben sie uns einen echten hybriden Krieg erklärt, den totalen Krieg“, sagte Lawrow bei einer Sitzung mit Vertretern einer Diplomatie-Stiftung der Staatsagentur Tass zufolge. „Diesen Begriff, der in Hitler-Deutschland verwendet wurde, sprechen jetzt europäische Politiker aus, wenn sie davon sprechen, was sie mit der Russischen Föderation tun wollen.“
Sie wollen uns „zerstören, brechen, vernichten, erdrosseln“
Europas Politiker würden Russland „zerstören, brechen, vernichten, erdrosseln“ wollen, so der notorische Lügner weiter, dabei natürlich verschweigend, dass kein einziges Land der Welt einen Angriffskrieg gegen Russland führt, sondern sein Land einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine, bei dem es zusätzlich Kriegsverbrechen auf Kriegsverbrechen begeht. „Wenn wir diese Gesetzlosigkeit der Sanktionen sehen, ist natürlich klar, dass all diese Werte, die uns unsere westlichen Kollegen ständig gepredigt haben – nämlich Meinungsfreiheit, Marktwirtschaft und die Unverletzlichkeit des Privateigentums, die Unschuldsvermutung – wertlos sind“, so Lawrow in seinem üblichen Mimimi (Opferrolle) weiter.
Eine tatsächliche Verwendung des Begriffs „totaler Krieg“ durch namhafte EU-Politiker ist übrigens in den vergangenen Wochen überhaupt nicht bekannt. Am 1. März hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zwar mit Blick auf die ergriffenen Sanktionen von einem „totalen Krieg“ gegen Russland gesprochen, das aber rein auf die wirtschaftliche und finanzielle Ebene bezogen, nicht auf die militärische. Und nach Kritik nahm Le Maire die Formulierung noch am selben Tag zurück.
Der Begriff „totaler Krieg“ ist natürlich eine Anspielung auf die berüchtigte Sportpalastrede von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels von 1943. Dieser hatte damals in einer inszenierten Veranstaltung vor 3.000 ausgesuchten Anwesenden zum „totalen Krieg“ aufgerufen.
Die Sanktionsschraube wird immer weiter angezogen, Russland immer mehr in der Welt isoliert
Das Ganze zeigt, wie sehr die Sanktionen mehr als der Hälfte der Welt Russland schon jetzt treffen und dabei stehen wir noch ganz am Anfang. Diese Sanktionen werden im Laufe der Monate und Jahre eine ungeheure Wirkung entwickeln, welche sich die meisten noch gar nicht vorstellen können. Doch den Russen dämmert dies wohl nun allmählich, was dies für ihre Wirtschaft, ihre Gesellschaft und ihre Technologie, ihr Gesundheitswesen, ihre Bevölkerung, ihren Lebensstandard und dann auch für das faschistische Regime bedeutet.
Aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine hatten die sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte (G7) und die EU am Donnerstag nochmals neue Sanktionen vereinbart, die Russland Transaktionen mit Gold deutlich erschweren sollen.
Auch die USA verhängten neue zusätzliche Strafmaßnahmen gegen Hunderte Abgeordnete des russischen Parlaments und weitere Mitglieder der russischen Elite. Außerdem kündigten die USA am Freitag an, in diesem Jahr gemeinsam mit internationalen Partnern 15 Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas (LNG) zusätzlich in die EU zu liefern. Langfristig soll die Menge auf 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen. Damit könnte etwa ein Drittel der derzeitigen Gasimporte aus Russland ersetzt werden.
Und eines dürfte Russland klar sein: So wie die Russen durch ihre permanenten Lügen und ihre Vertragsbrüche derzeit jegliches Vertrauen in sie zerstören, müssen sie damit rechnen, dass sie auf Jahrzehnte hin kaum noch Vertragspartner finden werden, mithin dauerhaft aus der Weltgemeinschaft ausgeschlossen sein könnten. Die Folgen wären verheerend.
Dmitri Medwedew droht erneut mit Atomwaffen
All das führt dazu, dass die Spitzen des faschistischen Regimes zunehmend die Nerven verlieren und in ihrer Hilflosigkeit nur eines kennen, was sie noch tun können: immer wilder zu drohen. Am Mittwoch hatte der stellvertretende Leiter des russischen Sicherheitsrates Dmitri Medwedew die USA bereits vor einem Zusteuern auf eine atomare Katastrophe für die Welt gewarnt, sollten sie mit der von ihm so bezeichneten „Verschwörung zur Zerstörung Russlands“ fortfahren.
Seit dem Ende der Sowjetunion 1991 hätten sich die USA als Teil eines „primitiven Spiels“ verschworen, um Russland zu zerstören, so der enge Vertraute von Putin. „Es bedeutet, dass Russland gedemütigt, eingeschränkt, zerschmettert, geteilt und zerstört werden“ müsse, hieß es in Medwedews Erklärung am Mittwoch weiter. Der 56-Jährige war von 2008 bis 2012 Präsident Russlands und vom 2012 bis Anfang 2020 Ministerpräsident der Russischen Föderation, letztlich aber immer eine Marionette Putins.
Putin: Wir werden den „Abschaum“ und die „Verräter ausspucken wie eine Mücke“
Extrem drastische Töne schlug auch der russische Obermafiosi selbst schon am Mittwoch vor einer Woche, am 16.03.2022, an, als er von Säuberungsaktionen sprach. Putin wandte sich dabei in seiner Rede, die im Staats-TV ausgestrahlt wurde, direkt an die Bevölkerung. Darin warf er dem Westen vor, die russische Gesellschaft spalten zu wollen. Man würde auf militärische Verluste und sozioökonomische Folgen spekulieren und eine zivile Konfrontation in Russland provozieren wollen, um ein Ziel zu erreichen: „die Zerstörung Russlands“. Dies werde aber nicht gelingen, erklärte der Präsident in seiner Videokonferenz vor Ministern.
„Jedes Volk, und insbesondere das russische Volk, wird immer die wahren Patrioten von dem Abschaum und den Verrätern unterscheiden können, um diese einfach auszuspucken wie eine Mücke, die versehentlich in ihren Mund geflogen ist.“
Er sei aber davon überzeugt, „dass eine solche natürliche und notwendige Selbstreinigung der Gesellschaft unser Land, unsere Solidarität, unseren Zusammenhalt und unsere Bereitschaft, auf alle Herausforderungen zu reagieren, nur stärken“ werde.
Unter anderem soll bereits letzte Woche einer der ranghöchsten russischen Militärs, General Roman Gawrilow, verhaftet worden sein. Weitere hohe Militärs wurde offenbar bereits entlassen und Geheimdienstler unter Hausarrest gestellt. Putins Beauftragter für nachhaltige Entwicklung Anatolij Tschubajs, der den Krieg gegen die Ukraine ablehnt, hat diese Woche seinen Rücktritt eingereicht und soll mit seiner Frau in die Türkei ausgereist sein.
Es sieht düster aus für Russland
Kurzum, es sieht mehr als düster aus für Russland. Und dabei stehen wir noch ganz am Anfang dieses Wirtschaftskrieges, den die russische Ökonomie wohl nicht überleben wird. Insofern stellt sich die Frage, ob es nicht klüger wäre, einen sofortigen Boykott fossiler Energien aus Russland durchzuführen, um der russischen Wirtschaft möglichst schnell den Todesstoß zu versetzen.
Das Embargo könnte dabei bis zum Abzug der russischen Armee aus der Ukraine befristet werden, so dass sofort nach dem russischen Rückzug die Belieferung wieder aufgenommen werden könnte, freilich mit dem Ziel, die nächsten Monate und Jahre dauerhaft aus dieser Abhängigkeit auszusteigen.
Aufruf: Europäischer Importstopp für russisches Öl und Gas!
Genau das fordern in ihrem Aufruf auch (die genannten haben sich binnen 24 Stunden zusammengefunden):
- Dr. Thomas Enders, Präsident Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik DGAP, München
- Ralf Fücks, Senator a.D., Zentrum Liberale Moderne, Bremen
- Charlotte Knobloch, ehemalige Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses
- Dr. Norbert Röttgen, MdB, Bundesminister a.D., Berlin
- Dr. Constanze Stelzenmüller, Brookings Institution, Washington, DC
- Dr. Christian Jacobs, Vorstandsvorsitzender Jacobs, Bremen
- Igor Levit, Pianist, Berlin
- Prof. Dr. Hedwig Richter, Universität der Bundeswehr, München
- Michail Chodorkowski, ehemaliger politischer Gefangener, London
- Prof. Dr. Wolfgang Ischinger, Staatssekretär a.D., ehemals Chef MSC, München
- Prof. Dr. Carlo Masala, Universität der Bundeswehr, München
- Prof. Dr. Karl Kaiser, Cambridge
- Dr. Daniela Schwarzer, Executive Director Open Society Foundations, Berlin
- Sebastian Turner, Unternehmer und Publizist, Berlin
- Prof. Dr. Jan Schnellenbach, Brandenburgische TU, Cottbus
- Prof. Dr. Rüdiger Bachmann, University of Notre Dame, Indiana
- Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin a.D., Zentrum Liberale Moderne, Bremen
- Prof. Dr. Timothy Garton Ash, University Oxford
- Peter Jungen, Geschäftsführender Gesellschafter, Köln
- Roderich Kiesewetter, MdB, Berlin
- Prof. Dr. Karolina Wigura, Kultura Liberalna Foundation, Warschau
- Kai Whittacker, MdB, Berlin
- Markus Meckel, letzter Außenminister der DDR, Berlin
- Michael Gahler, MdEP, Strasburg
- Prof. Dr. Benjamin Moll, London School of Economics, London
- Hildegard Bentele, MdEP, Strasburg
- Rebecca Harms, ehemals Mitglied des Europäischen Parlaments, Hannover
- Dr. Fritz Felgentreu, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin
- Werner Schulz, ehemals Mitglied des Europäischen Parlaments, Berlin
- Elmar Brok, ehemals Mitglied des Europäischen Parlaments, Bielefeld
- Prof. Dr. Tanja Börzel, Exzellenzcluster SCRIPTS, Freie Universität, Berlin
- Robert Ketterer, Ketterer Kunst KG, München
- Prof. Dr. Michael Zürn, Sprecher SCRIPTS, Wissenschaftszentrum, Berlin
- Katja Leikert, MdB, Berlin
- Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Direktorin HSFK, Frankfurt
- Prof. Dr. Thomas Risse, Direktor BIRT, Freie Universität, Berlin
- Dr. Thomas Kleine-Brockhoff, Publizist, Berlin
- Gerald Knaus, European Stability Initiative, Wien-Berlin
- Bernd Ziesemer, Journalist und Kolumnist, Capital, Hamburg
- Dr. Thorlef Spickschen, Unternehmer, Seeheim-Jugenheim
- Dennis Radtke, MdEP, Strasburg
- Dr. Ruprecht Polenz, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestages, Münster
- Dr. Peter Hoch, Banker, München
- Dr. Fred Kempe, President and CEO Altantic Council, Washington DC
- Prof. Dr. Jan Andrzej Zielonka, Oxford und Ca Foscari University of Vernice
- Prof. Dr. Armin Grunwald, Institut für Technologiefolgenabschätzung, Karlsruhe
- Marianne Birthler, ehemalige Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Berlin
- Alexander Bonde, Stiftungsmanager und Minister a.D., Freiburg i.Br.
- Prof. Dr. Moritz Schularick, Universität Bonn und Sciences Po, Paris
- Dr. Helga Trüpel, ehemals Mitglied des EP, Bremen
- Jacques Rupnik, Forschungsdirektor, Sciencies Po, Paris
- Volker Beck, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestages, Tikvah Institut, Berlin
- Jakub Klepal, Forum 2000, Prag
- Olga Dolburt, Philanthropistin, Nadav Foundation, Tel Aviv
- Dr. Ulrich Wilhelm, Intendant a.D., Berlin
- Dr. Anna Kuchenbecker, ECFR, Berlin
- Judy Dempsey, Carnegie Europe, Chefredakteurin Strategic Europe, London
- Knut Abraham, MdB, Berlin
- Andrew Levi, Tech Investor, ehemaliger Diplomat, Edinburgh/Berlin
- Dr. Peter Liese, MdEP, Strasburg
- Lukas Beckmann, Aufsichtsratsvorsitzender Correctiv GmbH, Berlin
- Markus Koob, MdB, Berlin
- Wolfgang Grassl, Architekt, Gransee
- Prof. Monika Grütters, MdB, Berlin
- Prof. Dr. Sabine Döring, Philosophin Universität Tübingen
- Peter Beyer, MdB, Berlin
- Wolf Lotter, Journalist, Autor, Keynoter, Köngen
- Prof. Dr. Heribert Hirte, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin
- Annette Widmann-Mauz, MdB, Berlin
- Prof. Dr. Andrea Gawrich, Politikwissenschaftlerin, Uni Gießen
- Elisabeth Motschmann, Staatsrätin a.D., Bremen
- Jens Motschmann, Pfarrer, Bremen
- Dr. Mikko Huotari, Direktor Mercator Institut for China Studies (MERICS), Berlin
- Prof. Dr. Christian Bayer, Rechtswissenschaftler Universität Bonn
- Michaela Derra, Journalistin, Bamberg
- Johannes Steiniger, MdB, Berlin
- Prof. Dr. Martin Aust, Osteuropäische Geschichte Universität Bonn
- Michael Brand, MdB, Berlin
- Prof. Dr. Armin Nassehi, Lehrstuhl Soziologie, LMU München
- Martin Patzelt, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin
- Frank Helmenstein, Bürgermeister, Gummersbach
- Carsten Müller, MdB, Berlin
- Monica Wüllner, Gewerkschaftssekretärin, Stuttgart
- Karl-Matthias Klause, Diplomat, Direktor EBRD, London
- Korbinian Kohler, Unternehmer, Tegernsee
- Prof. Dr. Gunther Hellmann, Politikwissenschaftler Universität Frankfurt
- Prof. Dr. Gwendolyn Sasse, Humboldt-Universität, Berlin
- Silke Hermann, Unternehmerin, Wiesbaden
- Prof. Dr. Antje Wiener, Politikwissenschaftlerin, Universität Hamburg
- Dr. Rainer Ohler, Senior Strategists, München
- Gustav Meibauer, Assistant Professor International Relations, Universität Nijmegen
- Dr. Sönke Ahrens, Fakultät für Bildungswissenschaften, Uni Duisburg-Essen
- Dr. Stefan Eisel, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestages, Bonn
- Prof. Dr. Christiane Woopen. Medizinethikerin, Universität Bonn
- Dr. Patrick Heinemann, RA und Rechtshistoriker, Freiburg i.B.
- Michael Jahn, Freiberufler, Grossbettlingen
- Prof. Dr. Jonas Dovern, empirischer Makroökonom, Universität Erlangen-Nürnberg
- Prof. em. Antonia Grunenberg, Bremen
- Dr. Armin Sieber, Sieber Senior Advisors, München
- Dr. Ernst-Jörg von Studnitz, Botschafter a.D. (u.a. Moskau), Königswinter
- Kerstin Müller, Staatsministerin a.D., Berlin
- Elisabeth Winkelmeier-Becker, MdB, Berlin
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