Von Jürgen Fritz, Sa. 9. Nov. 2024, Titelbild: tagesschau-Screenshot
Ich fasse die Ereignisse der letzten Tage zusammen: Christian Lindner (FDP) hat Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck, Annalena Baerbock (Grüne) vorgeschlagen, die Ampel auf würdige Weise zu beenden und baldige Neuwahlen anzustreben, da man sich insbesondere in der Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht mehr einigen konnte.
Bundeskanzler Scholz entlässt Finanzminister Lindner und beschimpft ihn anschließend öffentlich
Bei der Frage der Ukraine-Unterstützung war man schon lange auseinander, da bremste die SPD permanent Grüne und FDP. Diesen Lindner-Vorschlag einer würdigen Beendigung der Ampel-Regierung hat Scholz abgelehnt und hat Lindner – zumal dessen Vorschlag des Ampel-Endes und der Neuwahlen bereits an die BILD durchgestochen worden war – daraufhin entlassen (genauer: den Bundespräsidenten um Lindners Entlassung gebeten), Lindner anschließend öffentlich ziemlich wüst beschimpft, woraufhin dann Lindner sich auch recht negativ über Scholz öffentlich ausließ.
Das war von beiden Seiten – SPD und FDP – vorbereitet
Vorbereitet war das meines Erachtens von beiden Seiten. Lindner und große Teile der FDP wollten die letzten Wochen sichtlich raus aus der Ampel, weil sie merkten, dass die aus ihrer Sicht notwendigen Wirtschaftsreformen mit SPD und Grünen nicht würden umgesetzt werden können. Scholz und die SPD haben das natürlich gemerkt, was sich da in der FDP anbahnte und worauf man hinarbeitete, und sie haben sich auf diesen Mittwoch entsprechend vorbereitet. Offensichtlich hat man in der SPD panische Angst vor baldigen Neuwahlen. Daher lehnte man den Lindner-Vorschlag eines würdigen Ampel-Endes ab und inszenierte ein Schauspiel, bei dem man anschließend Lindner und der FDP den alleinigen schwarzen Peter zuschieben und sich selbst als „staatstragende Partei“ darstellen (verstellen) konnte.
Scholz‘ ziemlich lange und umfangreiche Wutrede gegen Lindner, die er vom Teleprompter ablas, war offensichtlich vorher schon verfasst worden. Die entstand nicht spontan am Mittwoch. Das hat der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil inzwischen auch öffentlich zugegeben. Man hatte verschiedene Reden vorbereitet, je nach Ausgang der Koalitionssitzung. Und man hatte offenbar folgenden Plan in der SPD: Wenn man sich nicht würde einigen können, weil die FDP der SPD aus deren Sicht nicht genügend entgegenkommt, dann wird man Lindner den Vorschlag unterbreiten, die Schuldenbremse zu umgehen, wissend dass dieser das ablehnen wird. Damit hätte man einen Grund, dass Scholz Lindner als Finanzminister entlassen kann und so könnte man Lindner und der FDP die Schuld geben, weil sie so „stur“ sei. Genau so wurde es dann auch durchgezogen. Ob Scholz‘ Wut gespielt oder halbwegs echt war, ist schwer zu sagen. Beides ist möglich.
Die Ampel und auch Rot-Grün sind am Ende, die SPD versucht nun aber, Neuwahlen über Monate hinweg zu verschleppen
Damit sind die Ampel und auch Rot-Grün am Ende. Ohne die FDP genießt Scholz nicht mehr das Vertrauen des Deutschen Bundestages. Insbesondere die SPD will dieses Ende nun aber um mehrere Monate verschleppen, wahrscheinlich um sich auf Neuwahlen länger vorbereiten zu können und weil am 02.03.2025 in Hamburg LT-Wahlen stattfinden. Hamburg ist eine der letzten SPD-Hochburgen (2020: 39,2 Prozent, aktuell: ca. 30 Prozent).
In der SPD erhofft man sich wohl Rückenwind aus dieser LT-Wahl für die BT-Wahl und versucht daher, die Neuwahlen in den März 2025 hinauszuzögern und das zum Schaden unseres Landes, zum Schaden der Bevölkerung, zum Schaden der deutschen Wirtschaft, zum Schaden der Sicherheit Deutschlands, weil wir, wenn es wirklich erst Ende März Neuwahlen geben sollte und wenn wir drei Monate für die Regierungsbildung einplanen, ca. 7,5 Monate (bis Mitte/Ende Juni 2025) keine wirklich handlungsfähige, seriöse, stabile Bundesregierung haben werden.
Scholz hat keinerlei Format, er hätte niemals ins Kanzleramt einziehen dürfen
Und noch etwas ist gestern deutlich geworden. Bundesfinanzminister Lindner und noch mehr Vizekanzler Habeck, der die Ampel ehrlich retten wollte und auch nach ihrem Scheitern nicht über Lindner herzog, haben sich darum bemüht, in dieser sehr schwierigen Situation staatsmännisch, mit Charakter und Stil zu agieren. Lindners Vorschlag eines würdevollen Ampel-Endes war richtig, angemessen und gut. Ganz anders Bundeskanzler Scholz, der meint, er müsse der Bevölkerung einen Schuldigen für sein eigenes Scheitern als Kanzler präsentieren und dem hierfür offensichtlich jedes Mittel recht ist.
So spricht man nicht öffentlich über einen Minister, mit dem man fast drei Jahre zusammenarbeitete (Blame Game: Lindner ist an allem Schuld, ich habe alles richtig gemacht, während Lindner übrigens durchaus nachdenklich und selbstkritisch öffentlich zugibt, dass er die letzten Jahre Fehler machte und ihm Fehleinschätzungen unterliefen). Diese wahre Tirade gegen einen eigenen Minister war für einen (selbstgefälligen und sich selbst gegenüber völlig unkritischen) Kanzler, für die Demokratie und für unser Land vollkommen unwürdig. Dieser Mann ist nicht nur nicht ehrlich, er hat keinerlei Format. Er hätte niemals ins Kanzleramt einziehen dürfen.
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