Schwarz-Rot ohne Merkel?

Von Jürgen Fritz

Vier Optionen standen nach der Bundestagswahl im Raum: Jamaika, erneut eine schwarz-rote Koalition, eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen. Die erste Option ist inzwischen vom Tisch, aber auch die letztgenannte wird immer unwahrscheinlicher. Doch es gäbe noch eine weitere Möglichkeit außer einer Minderheitsregierung und hierbei eine besondere Variante.

Doch wieder eine schwarz-rote Koalition?

Die Entwicklungen der letzten Woche deuten immer mehr darauf hin, dass Neuwahlen zunehmend unwahrscheinlicher werden. CDU, CSU und der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (ruhende Mitgliedschaft in der SPD) wollen solche ganz offensichtlich wenn irgend möglich vermeiden respektive umgehen und hätten am liebsten wieder eine schwarz-rote Koalition. Von einer sogenannten GroKo kann man angesichts von ca. 53 Prozent, Tendenz weiter sinkend, kaum noch sprechen. Horst Seehofer hat sich zum Beispiel ganz explizit für Schwarz-Rot ausgesprochen, aber auch viele CDU-Politiker. Dies wäre nunmehr die beste Lösung für Deutschland.

Dass die CSU sich mit der SPD wesentlich leichter tut als mit den Grünen ist gemeinhin bekannt. Merkel und die CDU werden nun zusammen mit dem Bundespräsidenten den Druck auf die SPD immer mehr erhöhen, diese dürfe sich ihrer Verantwortung für Staat und Gemeinwohl nicht entziehen und mit der Staatsräson argumentieren. Dem wird sich die SPD auf Dauer nur schwer entziehen können. Ihr selbst wäre dagegen eine Minderheitsregierung am liebsten, die sie dann tolerieren würde, um so selbst nicht mehr in der Regierungsverantwortung zu sein, was sie in der Wählergunst wohl noch weiter nach unten ziehen würde, dann womöglich Richtung 15 Prozent.

Die strategischen Fehler des Martin Schulz

Eine Forsa-Umfrage ergab, dass 48 Prozent der befragten SPD-Mitglieder für die Tolerierung einer Minderheitenregierung sind, 36 Prozent für eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition und nur 13 Prozent Neuwahlen wollen. Die SPD-Parteibasis sieht es also ähnlich wie die Parteiführung.

Insbesondere Martin Schulz, der ganz sicher war, dass Jamaika zustande kommen würde, und andere Varianten vollkommen ausblendete, hat hier schwere strategische Fehler begangen. Denn wenn die SPD jetzt einlenkt – und alles andere wird auf Dauer enorm schwierig -, dann steht in erster Linie Schulz als der große Umfaller vor aller Augen da. Das wird seine ohnehin schon nicht sehr hohe Autorität als Parteivorsitzender zusätzlich schwächen. Auch fällt es einem schwer, sich Schulz unter Merkel als Minister und Vizekanzler vorzustellen.

Was sollten Neuwahlen bringen?

Nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen wäre den meisten Wählern Neuwahlen lieber als eine schwarz-rote Koalition und als eine (schwarz-grüne oder schwarz-gelbe) Minderheitsregierung. Hier stellt sich allerdings die Frage, was eine Neuwahl bringen sollten, wenn fast alle Wähler zugleich angeben, dass sie genau wie am 24. September stimmen würden. Denn dann stünden wir in einigen Monaten genau am gleichen Punkt: Jamaika, eine schwarz-rote Koalition, eine Minderheitsregierung unter der Union oder wieder Neuwahlen.

Legen wir die jeweils jüngsten Umfragen von Civey (Spiegel online), Emnid (Bild am Sonntag), Forsa (RTL und Stern), Forschungsgruppe Wahlen (ZDF), Infratest dimap (ARD) und INSA (Bild) zu Grunde, so könnten die Parteien derzeit in etwa mit folgenden Werten rechnen (in Klammern die Gewinne/Verluste zur Bundestagswahl):

  1. CDU/CSU: 32,0 % (– 0,9)
  2. SPD: 20,9 % (+ 0,4)
  3. AfD: 11,8 % (– 0,8)
  4. GRÜNE: 11,2 % (+ 2,3)
  5. FDP: 10,4 % (– 0,3)
  6. LINKE: 9,4 % (+ 0,2)
  7. Sonstige: 4,4 % (– 0,6)

2017-11-27b

Der große Gewinner bei Neuwahlen: Die Grünen

Sie sehen, die Veränderungen sind minimal. Bis auf eine Ausnahme alle unter ein Prozentpunkt Abweichung zur Wahl vom 24.09., mithin innerhalb des Fehlerbereichs. Die AfD, die von den Umfrageinstituten notorisch zu niedrig eingeschätzt wird, dürfte bei Wahlen wahrscheinlich eher etwas höher liegen als knapp 12 Prozent, aber selbst wenn sie 13 oder gar 14 Prozent läge, hätte dies im Grunde keine spürbaren Auswirkungen.

Der große Gewinner bei Neuwahlen wären nach derzeitigem Kenntnisstand mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Grünen, die sich von 8,9 auf über 10, eventuell sogar auf über 11 Prozent verbessern könnten. Die Union würde sicherlich ein, zwei, vielleicht auch drei Punkte verlieren und könnte unter die 30-Prozent-Marke rutschen, aber selbst das würde an der Gesamtsituation nicht viel ändern.

Nach der Neuwahl: wieder nur Jamaika oder Schwarz-Rot

Für die Regierungsbildung hätte all dies kaum oder gar keine Auswirkungen.

  1. Jamaika: 53,6 %
  2. Schwarz-Rot: 52,9 %
  3. Schwarz-Grün: 43,2 %
  4. Schwarz-Gelb: 42,4 %
  5. Ampel (Rot-Gelb-Grün): 42,5 %
  6. Rot-Dunkelrot-Grün: 41,5 %

Aus diesem Grund ergeben Neuwahlen derzeit wenig Sinn. Das wissen die handelnden Akteure. Daher wird man versuchen, die SPD dahin zu bekommen, dass sie, eventuell nach einer Mitgliederbefragung, einer Neuauflage der schwarz-roten Koalition zustimmt. Ob dann noch mit oder ohne Martin Schulz an der Spitze der Partei wird man sehen müssen.

Sollte Merkel abtreten, wenn es wider Erwarten doch zu Neuwahlen kommt?

Es gibt übrigens noch einen Grund, warum vor allen Dingen die CDU Neuwahlen vermeiden will. Dass sie bei solchen eher verlieren als gewinnen wird, darf fast schon als sicher gelten. Die CDU hätte dabei aber schon im Vorfeld ein Problem. Auf die Frage, ob Merkel bei Neuwahlen erneut als Kanzlerkandidatin der Union antreten sollte, sagten nämlich nur 39 Prozent der Befragten über alle Parteien hinweg Ja. Sieben Prozent waren irgendwie unentschlossen, 54 Prozent aber wollen Merkel nicht mehr als Spitzenkandidatin. Das ist alles andere als eine gute Ausgangsposition für einen erneuten Wahlkampf. Zudem wirkt Merkel nicht nur angeschlagen, sondern ausgebrannt.

Noch interessanter ist dagegen, wer sich für einen Rücktritt Merkels im Falle von Neuwahlen ausspricht. Die Ablehnung verteilt sich laut Civey wie folgt auf die Anhänger der verschiedenen Parteien:

  1. AfD: 87,4 %
  2. FDP: 68,5 %
  3. SPD: 63,1 %
  4. LINKE: 60,1 %
  5. Grüne: 39,5 %
  6. CDU/CSU: 18,2 %

Civey-Merkel-aufhören

Interessant, nicht wahr, bei wem Merkel außerhalb der Union noch am besten ankommt? Bei den Grünen und der SED-Nachfolgepartei (PDS, Linkspartei, Die Linke).

Mein Tipp an die SPD

Merkel und die Union sind also auf die SPD angewiesen. Eine Minderheitsregierung ist zwar nicht ausgeschlossen, ist der CDU und der CSU aber eigentlich zu unsicher. Eine Koalition mit der SPD wäre ihr lieber. Und vor Neuwahlen hat die Union aus den genannten Gründen Angst.

Mein Tipp daher an die SPD: Nutzt das aus und sagt ja zu einer neuen schwarz-roten Koalition, macht dies aber von einer Bedingung abhängig: ohne Merkel. Dann liegt der Ball wieder im Feld der Union und euch kann niemand mehr den Vorwurf machen, ihr hättet euch der staatspolitischen Verantwortung entzogen.

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Bild: Youtube-Screenshot

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5 Antworten auf „Schwarz-Rot ohne Merkel?

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  2. exkuseme

    Der Tipp an die SPD ist völlig idiotisch. Damit kann die SPD nicht den Ball in das Feld der Union legen. Jede Partei bestimmt ihre eigenen Leute. Auch und insbesondere bei der Kanzlerfrage.

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