Geheimnisverrat durch einen SPD-Abgeordneten?

Von Jürgen Fritz, Sa. 16. Mär 2024, Titelbild: YouTube-Screenshot

Es wird immer abstruser mit der SPD und ihrem Kanzler, der der Ukraine partout keine Taurus-Marschflugkörper liefern will. Anscheinend hat sich nun jemand – womöglich aus dem Umfeld von Scholz? – des Geheimnisverrats gegenüber t-online schuldig gemacht. Strafanzeige soll schon erstattet worden sein.

Der t-online Artikel

T-online hat am Freitag einen Artikel herausgebracht über die geheime Sitzung des Verteidigungsausschusses unter dem Titel „Der wahre Grund, warum Scholz keine Taurus liefert“. Die durchgestochenen Informationen sollen wohl die Position des Kanzlers stützen. Der Artikel suggeriert, es gäbe gute Gründe für Scholz Entscheidung, Taurus nicht an die Ukraine zu liefern, keine zwingenden, aber doch gute Gründe, weil Generalinspekteur Carsten Breuer einen Vortrag im Ausschuss gehalten habe, aus dem deutlich wurde, dass die Verwendung der Taurus-Marschflugkörper komplizierter sei als allgemein bekannt, insbesondere im Hinblick auf die Daten, die man zum Premium-Einsatz benötige. In dem t-online Artikel heißt es wörtlich:

»Entscheidendes passierte laut t-online-Informationen in der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses am Montag. Im ersten Teil befragten die Ausschussmitglieder zunächst den vorgeladenen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zur Abhöraffäre der Luftwaffe. In einem zweiten, geheimen Teil ging es um Taurus, dort wurden erstmals sensible Details über den Marschflugkörper mit Abgeordneten eines Fachausschusses des Bundestags geteilt. Der ebenfalls geladene Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hielt demnach ein 20-minütiges Referat über die wichtigsten Fakten zum Taurus: Neben Einsatzfähigkeit und Stückzahl (die Luftwaffe verfügt nach Schätzungen über rund 600 Taurus) soll Breuer auch über besondere Risiken einer Lieferung für die Sicherheitsinteressen Deutschlands gesprochen haben.

Eine mit dem Vorgang vertraute Person berichtet t-online, dass manchen Abgeordneten dabei „die Kinnladen heruntergeklappt“ sei. „Nach Breuers Vortrag war erst mal Stille im Raum. Selbst diejenigen, die sonst laut Forderungen stellen, hatten keine Fragen mehr.“ Ein Ausschussmitglied und Taurus-Befürworter sagte nach der Sitzung zu t-online, dass er „zum ersten Mal Zweifel bekommen“ habe und seine Position zu einer Lieferung überdenken wolle.«

Der Artikel soll wohl das Bild erzeugen, der Kanzler hätte zumindest gute Gründe für seine Entscheidung, die er aber, um die Sicherheit des Landes und seiner Verteidigung nicht zu gefährden, nicht öffentlich benennen könne. Daher liegt auch der Verdacht auf der Hand, dass die Informationen von Unterstützern des Kanzlers weitergegeben worden sein könnten. Es stellen sich aber mehrere Fragen, unter anderem ob die Informationen wahrheitsgemäß sind, ob die Sitzung wirklich so verlief, wie die Quelle (aus der SPD?) t-online verriet respektive schilderte. Dazu liegen inzwischen mehrere Statements von Bundestagsabgeordneten und Verteidigungsausschuss-Mitgliedern vor, die ein anderes Bild ergeben.

Statements zu dem t-online Artikel

Johann Wadephul, CDU-Abgeordneter, Mitglied im Verteidigungsausschuss: 1. Der Bericht übersieht: Redner/innen in der Debatte von CDU/CSU, Grüne und FDP waren vorher in der Sitzung und sind bei ihrer Pro-Taurus Position geblieben (von wegen „Kinnlade“ usw). 2. Kanzler hat sein Nein mit mangelnder Kontrolle begründet: Warum denkt sich ein Journalist Anderes aus? 3. Der Ausschuss muss ein Verfahren wegen Geheimnisverrat einleiten. Anzeige an Staatsanwaltschaft.«

Agnieszka Brugger, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und Mitglied im Verteidigungsausschuss: »Hier plaudert jemand mit sehr offensichtlichen Eigeninteressen aus einer Sitzung, die als geheim eingestuft war und behauptet Dinge, die freundlich gesagt sehr verzerrt sind. War dabei, kann aber wegen Geheimhaltung auf Details nicht eingehen. Sollten langsam alle verstehen. Auch in Abwägung aller eingestuften Informationen, (so viele neue waren für mich nicht dabei), finde ich eine Lieferung von Taurus nach wie vor überfällig und hätte sonst meine Rede dazu gestern so auch nicht gehalten.«

Agnieszka Brugger spricht sodann den verantwortlichen t-online Redakteur Daniel Mützel direkt an: »Sie zitieren jemanden, der behauptet, dass es nach dem Vortrag keine Fragen gegeben hätte. Da hiermit kein inhaltlicher Geheimnisverrat erfolgt: Es gab sehr viele Fragen, mehrere Runden, Sitzungen ging viel länger als angekündigt und Debatte wurde am Mittwoch fortgesetzt. Direkt nach dem Vortrag habe ich 5 Fragen gestellt, und in der Runde drauf noch einmal nachgehakt. Andere Kolleg*innen hatten viele Fragen. Warum haben Sie die Aussagen Ihrer Quelle nicht gründlich überprüft? Alle können gern die anderen Mitglieder des Verteidigungsausschusses fragen, ob ich direkt 5 Fragen auf dem grünen Slot gestellt habe. Um meine Behauptung zu verifizieren.«

Serap Güler, Bundesvorstandsmitglied CDU, Mitglied im Verteidigungsausschuss: »Sorry, aber: Norbert Röttgen war gar nicht in der besagten geheimen Sitzung des Verteidigungsausschusses dabei.»

(Scholz hatte im Bundestag behauptet, Röttgen hätte geheime Informationen. Scholz wörtlich: „Was mich aber ärgert, sehr geehrter Abgeordneter, lieber Norbert, dass du alles weißt, und eine öffentliche Kommunikation betreibst, die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist. Ich glaube, das sollte in der Demokratie nicht der Fall sein.“).

Serap Güler weiter: »Ich kenne auch keine andere geheime Sitzung des Bundestages, wo diese Details besprochen wurden. Kurzum: Es wird immer abstruser. Der Artikel vermittelt einen Eindruck aus der Sitzung, den ich als Teilnehmerin so nicht bestätigen kann. Zwischen den Zeilen entsteht zudem ein anderer Eindruck (eher Vorwurf muss man sagen): Als würden die, die sich nach wie vor für die Tauruslieferung aussprechen, die eigene Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit aufs Spiel setzen. Das weise ich entschieden zurück! Niemand von uns macht sich diese Entscheidung einfach, niemand geht damit leichtfertig um, niemand! Wir sehen aber: Wenn Putin jetzt nicht gestoppt wird, mit allem, was wir haben, wenn die Ukraine nicht aus der Defensive rauskommt & Putin diesen Krieg gewinnt, wird der Krieg in Europa nicht enden. Das Gegenteil wird der Fall sein. Bedauerlich, dass man das nicht sehen will.«

Norbert Röttgen, CDU-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss: »Ich stelle das hier jetzt einmal klar: Ich bin NICHT Mitglied des Verteidigungsausschusses und war in der Sondersitzung am Montag daher auch nicht anwesend! Wenn sich der Vorwurf des Kanzlers auf diese Sitzung bezieht, macht er noch weniger Sinn. Es wäre schön, wenn t-online und Daniel Mützel das klarstellen würden. Der Artikel ist mindestens irreführend mit Blick auf meine Person.«

Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik zu dem t-online-Artikel: »Diese Darstellung überzeugt nicht. 1. Warum soll Scholz dann nicht von Beginn an so argumentiert haben? 2. Warum sollen andere Info-träger (Auswärtiges Amt, Verteidigungs-Ausschuss) dann öffentlich ganz anders reden? Verstehe ich den Frame richtig: Verständnis für Scholz?«

Carmina Burana @KaCarmina: »Des Pudels Kern ist die alte SPD-Moskau-Agenda, die – außer bei Mützenich durchscheinend – nicht kommuniziert wird. Hintergrund aller Vorwände. Wir springen lauteren Sinnes über jedes Stöckchen, das uns jedoch – letztlich unlauter – hingehalten wird.«

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, äußert sich wie folgt: »Informationen aus einer geheimen Ausschusssitzung zu verraten, ist kein Kavaliersdelikt. Die Anzeige läuft. Wer Geheimnisverrat begeht, um seine eigene Agenda durchzusetzen, hat in einem Parlament nichts zu suchen

Zum Straftatbestand Geheimnisverrat

Dazu heißt es in § 353b StGB Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht:

»(1) Wer ein Geheimnis, das ihm als

    1.  Amtsträger,
    2. für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten,
    3. Person, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnimmt oder
    4. Europäischer Amtsträger,

anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Hat der Täter durch die Tat fahrlässig wichtige öffentliche Interessen gefährdet, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.«

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