Doch kein Suizid? Drei Jahre nach Isabelle Kellenbergers Tod revidieren Behörden ihre Einschätzung

Von Jürgen Fritz, So. 14. Apr 2019

JFB hatte vor zehn Monaten schon über den Fall und all seine Ungereimtheiten berichtet. Gestern teilte mir nun der Vater von Isabelle Kellenberger mit, nach zwei kleinen Anfragen der AfD-Stuttgart habe er vom Justizministerium eine Antwort erhalten, die Polizei gehe nun doch nicht mehr davon aus, dass seine Tochter sich selbst das Leben genommen habe. Isabelle war im Juni 2016 unter sehr mysteriösen Umständen, nur noch mit Slip und BH bekleidet, tot aufgefunden worden und sollte in ganz flachem Wasser ertrunken sein. Obwohl vieles dagegen sprach, es fand sich zum Beispiel kein Wasser in der Lunge, gingen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft jahrelang von einer Selbsttötung aus. Dies sei das erste Mal, so Karl-Heinz Hulin, dass man nun offiziell zugebe, es könne wohl doch kein Suizid gewesen sein.

Plötzlich ist Isabelle spurlos verschwunden

Anfang Juni 2016: Isabelle Kellenberger ist 28 Jahre alt, eine fröhliche, hübsche, lebenslustige, sportliche junge Frau, die viele Freunde hat und sehr gesellig ist. Vor vor ein paar Jahren war sie in psychologischer Behandlung, aber das scheint überwunden. Ihr Freund wohnt in München, sie in Überlingen, am nördlichen Bodenseeufer, ca. 120 Kilometer südöstlich von Freiburg. Isabelle ist schon früh sehr selbstständig. Bereits mit 16 zieht sie zuhause aus, macht 60 Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt eine Ausbildung zur Fachangestellten im Bäderbetrieb. Die Eltern kaufen ihr eine eigene Wohnung, so dass sie auf eigenen Füßen stehen kann. Manche sagen, sie habe ein Helfersyndrom.

Am Donnerstag, den 2. Juni 2016 trifft sie sich mit einem befreundeten Ehepaar zu einem Spieleabend. Gegen 20 Uhr bricht sie von dort auf, fährt nach Hause in ihre Wohnung. Zwischen 22:30 Uhr und 23:15 Uhr lädt sie Musik aus dem Internet herunter. Später telefoniert sie mit ihrem Freund in München, mit dem sie seit Herbst 2015 zusammen ist und mit dem sie sich glänzend versteht. Die beiden schreiben und sprechen bis 4 Uhr nachts miteinander. Dann verabschieden sie sich in die Nacht. Ab nun ist ihr Handy ausgeschaltet. „Das war sehr ungewöhnlich für sie. Sie hat sich immer gemeldet, ihr Handy nie ausgeschaltet“, wird die Mutter später gegenüber der Bild äußern. Ab dem nächsten Tag reißt wie aus dem Nichts jeder Kontakt zu Isabelle ab. Ihr Freund in München und das befreundete Ehepaar, bei dem sie zum Spieleabend war, versuchen sie die nächsten Tage mehrfach zu erreichen, doch immer vergeblich.

Am Samstag, den 11. Juni ruft der Freund dann die Eltern von Isabelle an, da er seit acht Tagen nichts mehr von ihr gehört hat. Jetzt beginnen auch die Eltern sich Sorgen zu machen und fahren zusammen mit der jüngeren Tochter zur Wohnung der älteren. Diese wirkt so, als habe Isabelle sie nur kurz verlassen wollen. Die Geschirrspülmaschine und die Waschmaschine sind noch an. Das raumhohe Fenster ist offen (gekippt), auf dem Tisch liegen ihr Schmuck, ihre Sonnenbrille und Schminksachen. Der Familie ist sofort klar, da stimmt etwas nicht. Sie gehen zur Polizei und geben eine Vermisstenanzeige auf.

„Ihre Tochter ist wahrscheinlich tot“

Am späten Sonntagabend (12. Juni), zwischen 22 und 23 Uhr steht plötzlich die Kripo vor der Tür. Die Beamten teilen dem Vater, Karl-Heinz Hulin, mit, dass drei Tage zuvor, am Donnerstag, den 9. Juni, in Goldbach, in der Nähe der Goldbachkapelle eine junge Frau mit blonden Haaren tot aufgefunden wurde und dass sie mit achtzigprozentiger Sicherheit davon ausgehen, es handle sich um seine Tochter. Ein endgültiges Ergebnis würde aber erst ein DNA-Abgleich und der Obduktionsbericht ergeben. Es handle sich entweder um einen Unfalltod oder ein Tötungsdelikt. Das sei noch nicht klar.

Am nächsten Tag, nur zwölf Stunden später, kommt dann ein Kripobeamter zu den Eltern und behauptet, ihre Tochter habe sich selbst das Leben genommen. Das ist für die Familie nun gänzlich unfassbar. Isabelle hatte einen guten Job, sie hatten einen Freund, mit dem sie glücklich war, hatte keine Geldsorgen, hatte eine schöne Wohnung, in der sie sich ausgesprochen wohl fühlte und auf die sie sehr achtete, sie hatte Freunde und viele Pläne. Genau das strahlte sie bei den letzten beiden Zusammentreffen mit ihrer Familie am Dienstag, den 31. Mai, und Mittwoch, den 1. Juni auch aus. Und jetzt soll sie Suizid begangen haben. Das passt alles überhaupt nicht zusammen, die Eltern und Schwester können das nicht fassen. Diese Nachricht empfinden sie wie einen Schlag mit dem Vorschlaghammer, der ihnen den letzten Rest an Boden unter den Füßen wegzieht.

Wie ist Isabelle ums Leben gekommen?

Isabelles lebloser Körper wird am Donnerstag, den 9. Juni, gegen 16 Uhr auf einem Privatgrundstück von dem Pächter aufgefunden, der zunächst meint, es handle sich um eine Schaufensterpuppe, bis er registriert, dass da eine Tote vor ihm liegt. Das Grundstück ist weder von der Straße noch vom See her zugänglich und kaum einsehbar.

Fundort

Fundort von Isabelles Leichnam

Bei der ersten polizeilichen Leichenschau wird festgestellt, dass Isabelles Nasenbein gebrochen ist. Der Leichnam befindet sich in einem derart schlechten Zustand, dass man davon ausgeht, der Körper habe mindestens 14 Tage im Wasser gelegen. Dabei hat Isabelle ja sechs Tage zuvor noch gelebt, hatte stundenlang mit ihrem Freund telefoniert und war kurz zuvor bei Freunden zu Besuch. Wenige Stunden später stellt ein Arzt dann weitere Merkwürdigkeiten fest. Auch er bestätigt, die Leiche habe mindestens 14 Tage im Wasser gelegen, der Hals sei seltsam aufgedunsen.

Erste Ungereimtheiten

Besonders merkwürdig: Isabelle ist nur noch mit Slip und BH bekleidet. Sämtliche Kleidung, Geldbörse, Ausweis, Handy, Handtasche alles ist spurlos verschwunden. Nun wird eine Obuktion durchgeführt, bei der die Polizei zu dem Ergebnis kommt, es handle sich um „Tod durch Ertrinken“. Doch der Wasserstand, wo ihr Leichnam gefunden wurde, war nur 30 Zentimeter hoch, zum Zeitpunkt ihres Todes wahrscheinlich sogar nur 15 Zentimeter.

Außerdem werden bei der Obduktion starke innere Blutungen im Stirn- und Schläfen- sowie im Halsbereich festgestellt. Wie diese entstanden sind, ist unklar. Doch diese Verletzungen könnten auch postmortal entstanden sein, meinen die Ermittler. Die Leiche habe etwa eine Woche im Wasser gelegen und hätte dabei leicht an einen Stein oder Baum schlagen können. Warum sieht man dann aber keine äußeren Verletzungen?

Jetzt geht man von behördlicher Seite sogar von Suizid aus, was man unter anderem damit begründet, dass der Alkoholgehalt in Isabelles Blut über 1,1 Promille betragen habe und auch Spuren von Kokain festgestellt worden seien. Die nächste Seltsamkeit: es kann aber kein Wasser in der Lunge festgestellt werden. Außerdem war Isabelle selbst Rettungsschwimmerin. Und es gibt auch keine Abschiedsbrief oder sonst irgendetwas ähnliches, das auch nur annähernd auf eine Selbsttötung schließen ließe.

Kriminalexperte: Direkt von Suizid auszugehen, ist ein sehr kühner Schluss

Der Kriminalkommissar Axel Petermann, ein Experte für kniffliche polizeiliche Ermittlungen, wird später im SWR Nachtcafé sagen, dass es zwar schon sein könne, dass sich jemand das Leben nehme, ohne dass dies für Außenstehende irgendwie nachvollziehbar sei, dass es aber ein sehr kühner Schluss sei, direkt von Suizid auszugehen, wenn man das Opfer überhaupt nicht kannte und ohne in seinem Umfeld und in seiner Biographie umfangreiche Ermittlungen angestellt, ohne mit Angehörigen, ohne mit Freunden gesprochen zu haben. Warum wurde all das nicht getan?

Als die Eltern sich dann an die Presse wenden, welche nun nach über drei Monaten erstmals umfangreich über den Fall berichten, behauptet die Polizei, die Akte sei nicht geschlossen, obschon lange Zeit überhaupt nichts Erkennbares zur Aufklärung getan wurde. Fritz Bezikofer von der Polizeipressestelle in Konstanz äußerst sich Mitte September gegenüber der Schwäbischen Zeitung dahingehend, die Polizei gehe nicht von einem Suizid aus, sondern sei sich nur dessen sicher, dass Isabelle Kellenberger durch Ertrinken gestorben sei. Um die Umstände zu klären, würde derzeit das Umfeld der Toten untersucht. Die Akte sei noch nicht geschlossen.

Noch lange nicht abgeschlossen ist der Tod der Tochter für die Eltern. „Es gibt so viele Ungereimtheiten“, sagt Karl-Heinz Hulin. Über ihren Anwalt übermitteln er und seine Frau jetzt eine Liste mit offenen Fragen an Staatsanwaltschaft und Polizei. „Die bisher, teilweise auch auf Initiative der Angehörigen durchgeführten Ermittlungen haben keine Anhaltspunkte auf ein Fremdverschulden ergeben“, erklärt jetzt der Konstanzer Staatsanwalt Andreas Mathy.

IK2

Isabelle Kellenberger, YouTube-Screenshot aus SWR-Nachtcafé

Leitender Staatsanwalt: Es gibt keine Hinweise auf ein Fremdverschulden, daher gehen wir von Suizid aus

Die Staatsanwaltschaft habe  ihre Ermittlungen eingestellt, berichtet der Südkurier aber Ende September 2016. Die Todesursache sei ungeklärt, man gehe aber von einem Tod durch Ertrinken aus. In die Ermittlungen, so der leitende Staatsanwalt Hans-Jörg Roth, seien alle objektiven Umstände eingeflossen und er gehe von einem Suizid aus.

Die an der Leiche der Frau festgestellten Verletzungen, sogenannte Einblutungen, könnten sowohl beim ins Wasser geraten als auch postmortal erfolgt sein. Eine Todesursache könnte jetzt nicht mehr ermittelt werden. Man gehe aber seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft von einem Suizid aus. Ansonsten verweist die Staatsanwaltschaft auf ihre Schweigepflicht hinsichtlich der psychischen und physischen Verfassung Isabelle Kellenbergers.

Der Anwalt der Eltern, Hans-Peter Wetzel, stimmt seinen Mandanten zu, wenn diese von einer Reihe von Ungereimtheiten sprechen. „Ich bitte Sie, eine Rettungsschwimmerin geht bei einer Außentemperatur von rund acht Grad nur im Slip und BH in den See und ertränkt sich“, das alleine wäre doch schon seltsam, so Wetzel.

Staatsanwalt Roth sehe in den vom Rechtsanwalt übermittelten Fragen und Vermutungen aber keine neuen Anhaltspunkte. Selbstverständlich würden die Ermittlungen wieder aufgenommen, falls sich neue Fakten ergäben, die auch nur auf den Ansatz einer Straftat hinweisen würden. Dieses sei nach Meinung des ermittelnden Kripobeamten aber nicht der Fall. Man habe nach allen Seiten hin ermittelt, jedoch keine Hinweise auf ein solches Fremdverschulden gefunden.

Könnte Isabelles Tod mit dem von Maria Ladenburger und Carolin G. zusammenhängen?

Als die Eltern dann im Oktober und November von weiteren Todesfällen in Baden-Württemberg hören, bei denen jeweils junge, hübsche Frauen von Ausländern ermordet wurden, wird ihnen ganz seltsam zumute. „Wir waren schockiert. Das ist die dritte Frauenleiche in vier Monaten, sagt der Vater. „Wir werden das Gefühl nicht los, dass die Morde an Carolin und der Studentin aus Freiburg mit dem unserer Tochter Isabelle zusammenhängen“, äußert er gegenüber der Bild.

Am 16. Oktober 2016, vier Monate nach dem Tod von Isabelle, wird die 20-jährige Maria L. von dem illegal eingereisten afghanischen „Flüchtling“ Hussein K. zuerst vergewaltigt, dann getötet. Anfang November 2016, fünf Monate nach Isabelles Verschwinden, vergewaltigt ein ostrumänischer LKW-Fahrer die 27-jährige Carolin G. in einem Wald in den Weinbergen von Endingen, in der Nähe von Freiburg, auf besonders schwere Art und tötet sie dann.

Bei Isabelle gibt es jedoch keine Hinweise, dass sie vergewaltigt wurde. Dies unterscheidet ihren Fall von den beiden anderen. Allerdings erinnern die Spuren an ihrem Hals, die inneren Blutungen ein wenig daran, wie Maria Ladenburger zu Tode kam, die von Hussein K. mit einem Schal bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und dann im Wasser mit dem Gesicht unter so abgelegt wurde, dass sie ertrank.

NC2

Isabelle Kellenberger, YouTube-Screenshot aus SWR-Nachtcafé

Warum wurde die Presse nicht sofort informiert?

Der ganze Fall wirkt sehr seltsam. Irgendwie passt vieles nicht zusammen. Zu starke Parallelen zu ziehen zu den beiden anderen Todesfällen, bei denen es sich eindeutig um Mordfälle an jungen deutschen Frauen durch Immigranten handelte, wäre meines Erachtens überzogen und vielleicht auch völlig verfehlt. Aber die Selbsttötungsthese wirkt doch wenig überzeugend.

Wie schon beim Mordfall der Joggerin Carolin G. war auch bei Isabelle das Handy ausgeschaltet. Bis heute wurde es nicht gefunden. Doch noch etwas weiteres Seltsames ereignete sich. Zwei Freunde von Isabelle gaben bei der Polizei an, dass sie beim Versuch, Isabelle anzurufen, Stimmen gehört hätten, als diese bereits tot war. Hatte also jemand das Handy der Toten an sich genommen und abgehoben? Das habe nichts zu sagen, es könnte sich um Verbindungsüberlagerungen gehandelt haben, erklärte daraufhin die Staatsanwaltschaft.

Auch von Isabelles Kleidung und Handtasche fehlt bis heute jede Spur. Vor allem aber: Warum wurde nicht unmittelbar nach dem Auffinden ihres Leichnams eine öffentliche Fahndung herausgegeben nach dem Handy, der Kleidung, der Geldbörse und Handtasche? Warum wurde keine Handy-Ortung durchgeführt? Warum kam man so schnell auf die Suizidthese und wollte daran unbedingt festhalten? Und ganz wichtig: Warum haben Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sofort die Presse informiert und eingeschaltet?

Fazit

Claudia Kellenberger und Karl-Heinz Hulin fühlen sich auf jeden von den Behörden im Stich gelassen. Auch wäre ihnen von staatlicher Seite keinerlei psychologische Unterstützung angeboten worden.

Mein persönlicher Eindruck ist der: Man wird wahrscheinlich niemals herausbekommen, wie genau Isabelle Kellenberger zu Tode kam. Mit Spekulationen sollte man hier ein wenig vorsichtig sein, auch wenn bestimmte Assoziationen sich unwillkürlich einstellen. Polizei und Staatsanwaltschaft scheinen mir aber zum einen kein besonders großes Interesse an der Aufklärung des Falles an den Tag gelegt zu haben. Auch tauchten hier beachtliche Widersprüche innerhalb der Aussagen auf, was nicht für ein professionelles Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft spricht.

Und noch etwas wird für mich deutlich: Staatliche Organe büßen immer mehr an Vertrauen auf Seiten der Bürger ein und das nicht von ungefähr. Seien es zurechtgestutzte Kriminalstatistiken, sehr seltsame Informationspolitik, offensichtliche Vertuschungen bis hin zu Lügen, siehe beispielsweise die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht, oder Urteile von Richtern, bei denen man meinen könnte, nicht ein Jurist, sondern ein Sozialpädagoge würde sich äußern, zerstören systematisch das Band zwischen Bürger und den Staatsgewalten. Wenn dieses Band aber mal vollends durchtrennt ist, dann fehlt den Staatsgewalten jede Erdung, dann leben wir nicht mehr in einer auch nur halbwegs stabilen demokratischen Republik.

*

Titelbild: Isabelle Kellenberger, YouTube-Screenshot aus SWR-Nachtcafé

**

Aktive Unterstützung: Jürgen Fritz Blog (JFB) ist vollkommen unabhängig und kostenfrei (keine Bezahlschranke). Es kostet allerdings Geld, Zeit und viel Arbeit, Artikel auf diesem Niveau regelmäßig und dauerhaft anbieten zu können. Wenn Sie meine Arbeit entsprechend würdigen wollen, so können Sie dies tun per klassischer Überweisung auf:

Jürgen Fritz, IBAN: DE44 5001 0060 0170 9226 04, BIC: PBNKDEFF, Verwendungszweck: Jürgen Fritz Blog. Oder über PayPal  5 EUR – 10 EUR – 20 EUR – 30 EUR – 50 EUR – 100 EUR