Ist man automatisch immun, wenn man Antikörper hat?

Von Jürgen Fritz, Mi. 15. Jul 2020, Titelbild: WDR-Screenshot

Was sagt ein Antikörpertest aus? Ist es wirklich sicher, dass man gegen SARS-CoV-2 immun ist, wenn man entsprechende Antikörper hat? Kann man umgekehrt auch ohne Antikörper immun sein und wie wird man überhaupt immun? Mai Thi Nguyen-Kim erklärt in fünfeinhalb Minuten den wissenschaftlichen Stand.

Wie werden Antikörper im Körper produziert?

Im immun zu werden, braucht man entsprechende Antikörper, die genau zum Krankheitserreger passen müssen. Wenn wir Kontakt mit einem Erreger haben, zum Beispiel SARS-CoV-2 haben, dann aktiviert dies die T-Helferzellen und zwar nur die, die genau zu Teilen des jeweiligen Erregers passen. T-Helferzellen gibt es Milliarden verschiedener Typen.

Die T-Helferzellen aktivieren dann wiederum ganz spezifische B-Zellen, die wiederum genau zu dem Erreger passen.

Die B-Zellen produzieren dann die passenden spezifischen Antikörper, die in einem Antikörpertest nachgewiesen werden können. Wenn also Antikörper nachgewiesen werden, dann wissen wir, dass diese Person Kontakt hatte mit dem Erreger.

Keine Immunität trotz vorhandener Antikörper

Das Vorhandensein von Antikörpern ist aber kein sicherer Beleg, dass wir auch tatsächlich immun sind. Hier gibt es also keine Eins-zu-eins-Funktion.

Bei SARS-CoV-2 wissen wir zum Beispiel noch nicht genau, welche und wie viele Antikörper man braucht, um immun zu sein. Es kann also sein, dass wir Antikörper haben, diese aber nicht ausreichen, um immun zu sein.

Keine Antikörper und trotzdem immun

Wenn die Infektion schon länger zurück liegt oder die Symptome nur sehr schwach ausgeprägt waren, kann es sein, dass man nur noch sehr wenig oder gar keine Antikörper messen kann. Aber dann kann ein anderer Effekt eintreten.

Die T-Helferzellen und die B-Zellen können sich nach einer Infektion oder einer Impfung zu Gedächtniszellen entwickeln. Sie merken sich dann also, welchen Eindringling sie bekämpft haben. Sie vergessen den Feind nicht. Wenn der nun wieder kommt (Zweitinfektion), sind sie viel schneller aktiviert als bei der Erstinfektion und kurbeln die Antikörperproduktion viel schneller wieder an.

Das heißt also, selbst wenn keine Antikörper mehr im Blut nachweisbar sind, kann das Immunsystem den Erreger quasi abgespeichert haben und ist nicht zunächst mal unbewaffnet wie bei einem fremden Eindringling. Solche T-Gedächtniszellen hat man bei SARS-CoV-2 bei Genesen bereits gefunden.

Kreuzimmunität

Und jetzt kommt etwas, was zunächst mal völlig verrückt klingt: Man hat sogar bei Personen, die nachweislich nie mit SARS-CoV-2 in Berührung kamen, solche T-Gedächtniszellen gefunden, die Teile dieses Virus gleichwohl erkennen können. Wie kann das sein?

Die Vermutung liegt hier auf der Hand: Diese Menschen hatten in der Vergangenheit eine Infektion mit einem der anderen, viel harmloseren Coronavirus. Die T-Gedächtniszellen, die daraufhin gebildet wurden, sind ähnlich genug, um auf Teile des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 zu reagieren. Ob sie das dann auch wirksam gegen COVID-19 schützt, ist allerdings nicht nicht bekannt.

Dies könnte zugleich ein Grund sein, warum manche nur sehr milde Verläufe haben bei ihrer SARS-CoV-2-Infektion. Ihr Immunsystem ist quasi aufgrund früherer Infektionen mit einem verwandten Virus von SARS-CoV-2 nicht völlig hilflos und kann sich viel schneller als bei anderen wehren, die noch nie Kontakt hatten mit Coronaviren.

Wann ist die Ansteckungsgefahr am größten?

Frisch Infizierte sind in der Regel nicht sofort ansteckend, sondern erst zwei bis drei Tage nach ihrer Infektion. Etwa ein Tag, bevor die Symptome einsetzen, ca. vier bis fünf Tage nach der Infektion, ist die Infektiosität dann am höchsten. Jetzt ist der Infizierte eine wahre Virenschleuder. Etwas fünf bis sechs Tage nach der Infektion setzten dann im Schnitt die erste Symptome ein. Das heißt, die Infektiosität ist dann am höchsten, wenn der Infizierte noch gar nicht weiß, dass er sich angesteckt hat, weil er noch gar nicht spürt. Dann geht die Infektiosität die folgenden Tage immer weiter zurück:

Können Personen, die bereits immun sind, gleichwohl andere anstecken?

Um diese Frage zu beantworten, machte man in China Versuche mit Rhesusaffen. Dabei stellt man fest: Die Tiere, die bereits immun waren und dann vier Wochen nach ihrer Genesung nochmals mit SARS-CoV-2 infiziert wurden, wurden nicht nur nicht krank, sie konnten das Virus auch nicht an andere Tiere weitergeben.

Ob das bezüglich SARS-CoV-2 auf den Menschen übertragbar ist, wissen wir noch nicht. Wir wissen aber, dass zum Beispiel bei dem viel gefährlicheren Masern-Virus noch niemals ein dagegen Immuner andere mit dem Masernvirus angesteckt hat.

Quarks: Machen Antikörper wirklich immun?

Das zumindest macht doch ein wenig Hoffnung. Und hier erklärt Mai Thi Nguyen-Kim im Auftrag von Quarks alles nochmals am Stück:

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