Von Jürgen Fritz, Di. 10. Nov 2020, Titelbild: 3sat-Screenshot
Die Deutsche Islamkonferenz, initiiert vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, wurde 2006 ins Leben gerufen. Ihr Ziel: „eine bessere religions- und gesellschaftspolitische Integration der muslimischen Bevölkerung“. 2010 wurde der islamkritische Politikwissenschaftler und Publizist Hamed Abdel-Samad erstmals zur DIK eingeladen. Heute trat er zurück. Hier seine Begründung.
Hamed Abdel Samad zieht sich aus der Deutschen Islamkonferenz zurück
Das folgende Schreiben veröffentliche Abdel-Samad heute auf seiner Facebookseite (Hervorhebungen durch JFB).
»Sehr geehrter Herr Innenminister Horst Seehofer,
hiermit trete ich aus der deutschen Islamkonferenz (DIK) zurück. Als ich vor 10 Jahren in dieses Forum eingeladen wurde, hatte ich die Hoffnung, Teil eines ehrlichen Dialogs über den Islam in Deutschland zu werden. Doch seit dieser Zeit konnten die Islamverbände alle kritischen Themen, die die kritischen Stimmen auf den Tisch gebracht haben, wie etwa das Thema Radikalisierung von jungen Muslimen oder die Stellung der Frau, aus der Tagesordnung verbannen.
Am Ende blieben nur die Themen, die für die orthodoxen Verbände, nicht für die Gesamtgesellschaft, von Relevanz sind, wie Imamausbildung, Islamunterricht und muslimische Seelsorge. Mir wurde klar, dass die Verbände nur Geld vom Staat wollten, und dass der Staat nicht einmal wusste, was er von den Verbänden will!
Ich stellte fest, dass die staatlichen Vertreter ebenfalls keine kritischen Stimmen wirklich hören wollen. Man hat uns eingeladen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass alle Stimmen im Forum vorhanden sind. Doch die Realität ist: Der Staat biedert sich an den Vertretern des politischen Islam in dieser Konferenz an und ignoriert alle Warnungen und Vorschläge der kritischen Stimmen.
Bei der letzten öffentlichen Sitzung erklärte der DITIB-Chef, dass er Absolventen der Fakultäten für islamische Theologie der deutschen Universitäten nicht als Imame einstellen würde, weil diese die DITIB-Standards nicht erfüllen würden. Ich habe danach erwartet, dass die anwesenden Vertreter des Staates sich über diese Arroganz empören, doch dies ist nicht passiert. Stattdessen unterstützt der Staat nun, dass die DITIB und andere Vereine selbst ihre Imame ausbilden und zwar auf Kosten der Steuerzahler.
Nein, ich mache nicht mehr mit. Denn die DITIB-Standards sind: Loyalität zu Erdogan und zum türkischen Nationalismus.
Ja, lieber Herr Innenminister, ich mache auch die Islamkonferenz für die politische Aufwertung von DITIB und dem Zentralrat der Muslime verantwortlich, und somit für den Aufbau von Erdogan-Kult und die Stärkung des politischen Islam mitverantwortlich!
Und ich halte die Unterstützung dieser Vereine nicht für Veruntreuung von Staatsgeldern, sondern auch für eine Gefahr für die Innere Sicherheit.
Deshalb nehme ich weder an der heutigen Sitzung noch an zukünftigen Sitzungen der Islamkonferenz teil und ziehe mich endgültig zurück. Wir haben Sie oft gewarnt, unsere Warnung wurde nicht gehört. Nun tragen Sie die ganze Verantwortung alleine!«
„Wir haben die Aufklärung zugunsten einer falsch verstandenen Toleranz aufgegeben, zugunsten von Multi-Kulti und Ethno-Fetischismus …“
Vor wenigen Tagen erst mahnte Abdel-Samad in 3sat an, dass irgendetwas schief laufe in Deutschland und auf diesem Kontinent, dass man im Namen der Toleranz zulasse, dass die Intoleranten hier bei uns ihre Infrastruktur aufbauen. Man habe keinerlei Strategie, damit umzugehen und bestärke Islamisten und Rechtsradikale, schwäche die (liberale) Demokratie. Statt Selbstbewusstsein herrsche bei uns ein Schuldkult, der abstoßend wirke, so dass sich viele gar keine Motivation hätten, sich da hinein zu integrieren.
Wir hätten Integrationsangebote, aber keine Integrationsgebote, so dass manche Immigranten über uns lachen und uns als schwach empfinden. Es könne nicht sein, dass alle Themen und Diskurse in Deutschland von den Rändern her bestimmt und alles emotional aufgeladen werde(n). Es könne nicht sein, dass Erdogan mehr Einfluss habe auf Deutschland als umgekehrt. Es könne nicht sein, dass wir es nicht schaffen, den Islam in Europa zu modernisieren und stattdessen Europa islamisiert werde. Wir müssten Kante zeigen und die Engführung des Toleranzbegriffs ändern.
„Wir haben die Aufklärung zugunsten einer falsch verstandenen Toleranz aufgegeben, zugunsten von Multi-Kulti und Ethno-Fetischismus“,
so Abdel-Samad wörtlich. Deutschland müsse wieder zeigen, was diese Land ausmache. Ein offenes Land ja, aber „wir müssen auch Grenzen zeigen und Sanktionen“ gegenüber Islamisten und Rechtsradikalen. Die bürgerliche Mitte ziehe sich in Komfortzonen zurück und die Ränder bestimmen. Die größte Gefahr für die westliche Zivilisation sei nicht der Islamismus, sondern dass diese Kultur sich selbst aufgebe, so der Politikwissenschaftler, Publizist und Bestsellerautor.
Zur Person
Hamed Abdel-Samad wurde am 1. Februar 1972 bei Kairo (Ägypten) als drittes von fünf Kindern eines sunnitischen Imams geboren. Als Student war er Mitglied der radikal-islamischen Muslimbruderschaft. 1995 kam er im Alter von 23 Jahren nach Deutschland. Bald darauf heiratete er eine 18 Jahre ältere „rebellische linke Lehrerin mit Hang zur Mystik“, wie er es selbst formulierte. Nicht aus Liebe, „sie hatte die Lohnsteuerklasse drei und ich den deutschen Pass vor Augen“.
Er studierte Englisch und Französisch in Kairo sowie Politik in Augsburg, später auch noch Japanisch in Japan. Abdel-Samad arbeitete als Wissenschaftler in Erfurt und Braunschweig sowie in Japan, wo er sich für Shintoismus und Buddhismus interessierte. In Japan lernte er dann seine spätere zweite Ehefrau kennen, deren Vater Däne und deren Mutter Japanerin ist. Bis 2009, er war jetzt 37, lehrte und forschte er am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. Er begann eine Dissertation zu dem Thema: „Bild der Juden in ägyptischen Schulbüchern“, die er aber nicht abschloss.
2010 wurde Abdel-Samad als Teilnehmer der 2. Deutschen Islamkonferenz vom damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière berufen. Seit 2011 ist er im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung. 2013 war er Redner auf der 2. Kritischen Islamkonferenz. Seit 2015 ist er im Beirat der Raif Badawi Foundation for Freedom. Im Herbst 2020 gehörte er zu den Erstunterzeichnern des Appell für freie Debattenräume. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Abdel-Samad bekannt vor allem durch die in der ARD ausgestrahlte Satiresendung Entweder Broder, zusammen mit Henryk M. Broder (2010-2012) und durch seine Bücher, unter anderem:
- Mein Abschied vom Himmel – Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland (2009)
- Der Untergang der islamischen Welt – Eine Prognose (2010)
- Krieg oder Frieden: Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens (2011)
- Der islamische Faschismus: Eine Analyse (2014)
- Mohamed – Eine Abrechnung (2015)
- Der Koran: Botschaft der Liebe. Botschaft des Hasses (2016)
- Integration: Ein Protokoll des Scheiterns (2018)
- Aus Liebe zu Deutschland: Ein Warnruf (2020)
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