Ostern, ein Fest des Lebens in vorchristlicher Tradition

Von Herwig Schafberg, So. 28. Mrz 2021, Titelbild: Rebekka DPixabay, CC0 Creative Commons

Ostern naht, das Fest, das nach der keltischen Göttin Ostara benannt ist. Diese steht mit Ei und Hase als Zeichen für die Wiedergeburt der Erde im Frühling – also für die Jahreszeit, in der Pflanzen wieder zum Wachsen und Blühen kommen, Hasen als erste im Tierreich nach dem Winter zahlreichen Nachwuchs zur Welt bringen und sich auf der Suche nach Grünfutter bis in unsere Gärten wagen. Der Historiker Herwig Schafberg nimmt uns mit auf eine Reise durch die Zeiten und Kulturen.

Das Bespritzen der Rose als Fruchtbarkeitsritual

Dass die Hasen, diese für ihre Fruchtbarkeit und Scheu bekannten Tiere sich im Frühling in die Nähe von Menschen trauen, beschäftigt die menschliche Phantasie seit langem. Daher wird beispielsweise den Kindern hierzulande erzählt, Ostern wären draußen Eier zu finden, die der „Osterhase“ dort abgelegt hätte.

Eier werden zu Ostern nicht bloß bei uns, sondern auch anderswo verschenkt, so etwa auf dem Balkan. Dort werden sie allerdings nicht vom „Osterhasen“ versteckt und von Kindern gesucht, sondern man(n) bekommt sie als Gegenleistung für das „Bespritzen der Rose“, das bei den früher sogenannten Zigeunern in der Slowakei und den Siebenbürger Sachsen in Rumänien alter Brauch ist. Bei den einen wie den anderen ist es demnach üblich, dass ein junger Mann Ostern auf ein Mädchen zugeht und die Auserwählte unverblümt fragt, ob er ihre Rose bespritzen dürfe. Wenn sie damit einverstanden ist, spritzt er ihr in die Haare – mit Kölnisch Wasser oder Parfum. Dafür wird er von dem Mädchen mit hart gekochten Eiern und zumeist auch mit Schnaps bewirtet.

Das „Bespritzen der Rose“ gehört zu Fruchtbarkeitsritualen, die in vielen Kulturen üblich sind und sinnbildlich die Bereitschaft junger Männer zeigen soll, ihren Samen breit zu streuen und insofern zur Fortpflanzung beizutragen. Es spricht manches dafür, dass Männer vom Beginn der Menschwerdung an zur Promiskuität neigten. Und da es zur unweigerlichen Konsequenz männlicher Promiskuität gehört, dass Frauen von mehreren Männern begattet werden, entstand so etwas wie eine Spermakonkurrenz bei der Fortpflanzung.

So etwas ist in rituell abgewandelter Form beispielsweise von den Sumerern überliefert. Sie feierten in jedem Frühjahr nach der Aussaat das Fest der Auferstehung des Tammuz. Er war der Gott des Wachstums und stand symbolisch für die Mannbarkeit, nach der die Göttin der Erde – „Öffnerin des Schoßes aller Frauen“ – verlangte. Zur Feier gehörte, dass Frauen nicht bloß mit ihrem Ehemann Geschlechtsverkehr hatten, sondern auch mit anderen Männern. Sie sollten allerdings beim außerehelichen Verkehr darauf achten, dass der Samen nicht in ihren Schoß, sondern auf die Mutter Erde kam.

Die antiken Griechen verehrten stattdessen Priapos, den Sohn des Weinrausch erzeugenden Gottes Dionysos sowie der betörenden Liebesgöttin Aphrodite. Er wurde in der nachgebildeten Gestalt eines erigierten Penis beim feierlichen Umzug während eines jeden Fruchtbarkeitsfestes voran getragen und fehlte auch nicht bei Intimitäten zwischen Mann und Frau. Zumindest in der Männergesellschaft von Sparta war allerdings ein Mann häufig dem Knaben, den er zum Krieger erziehen sollte, eher zärtlich zugetan als seiner Frau, die ihm hauptsächlich zur Fortpflanzung diente. Und es war nicht unüblich, dass ein Mann seine Frau zur Sicherung von Nachwuchs für das Kollektiv der spartanischen Krieger spermakonkurrierend mit seinen Brüdern oder Freunden teilte.

Das Ei als Symbol der Lebensspende und Auferstehung

Im Unterschied zu Sumerern und Griechen sollten die Israeliten einen Koitus interruptus ebenso vermeiden wie homosexuelle Praktiken, sondern in ihrer Sinnesfreude auf Fortpflanzung bedacht sein, wenn man den gängigen Deutungen biblischer Beispiele glauben mag: In einem geht es um die Legende von Onan, der sich angeblich den Zorn Gottes zuzog, weil er beim Geschlechtsverkehr mit der Witwe seines Bruders den Samen im Sand vergoss, statt seine Schwägerin zu schwängern und dadurch zum Fortleben der Sippe beizutragen.

Ein anderes Beispiel ist die Legende von Lot, der anscheinend den Sodomitern nicht die beiden Männer, die bei ihm zu Gast waren, zur Lustbefriedigung gönnen wollte und den Wollüstigen als Alternative seine Töchter zum sexuellen Gebrauch anbot. Wie es in der Legende weiter heißt, waren es dann am Ende die Töchter, die ihren Vater zur Nachwuchssicherung verführten.

Dass der Samen nicht durch Schwangerschaftsverhütung oder gleichgeschlechtlichen Verkehr zweckentfremdet werden dürfe, sondern dem „göttlichen Willen“ gemäß der Fortpflanzung dienen solle, gehört im übrigen zu den traditionellen Lehrmeinungen der christlichen Kirchen. Für sie ist das Ei – wie in anderen Kulten – ein Symbol der Fruchtbarkeit beziehungsweise Lebensspende. Dessen symbolische Bedeutung weist allerdings im Christentum über das irdische Leben hinaus. So war es zumindest bei den Urchristen lange Zeit Sitte, den Toten ein Ei als Zeichen für die Auferstehung ins Grab zu legen.

Christen sehen bekanntlich im Tod nicht das Ende ihres Lebens, sondern hoffen, dass sie bei der Wiederkehr Christi am „Jüngsten Tag“ auferweckt und von ihrer Schuld erlöst werden. Vorausgesetzt ist, dass Jesus Christus nicht am Kreuz verendete, sondern selber auferstand, wie Paulus lehrte und im 1. Korinther-Brief (15,17-8) zu bedenken gab:

„Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden. So sind auch die, so in Christo entschlafen sind, verloren.“

Es ist also nicht die Wiedergeburt des Lebens auf Erden, die Christen zu Ostern feiern, sondern die Auferstehung Christi und damit „ein Durchbruch in der Geschichte der Evolution und des Lebens überhaupt“. So heißt es in einer Predigt, die Papst Benedikt XVI. Ostern 2006 hielt. Zur Feier dieses zentralen Ereignisses im christlichen Glauben gehört traditionsgemäß das Osterlamm, das symbolisch für den gekreuzigten Christus steht und gewissermaßen Gott geopfert wird.

Was Juden und Christen voneinander scheidet

Diese Tradition übernahmen die Christen von den Juden, die am Pessachfest, das gestern begann, ein Lamm zu opfern pflegten. Wie es in den Evangelien heißt, war es an einem Pessachfesttag, als Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl vor seiner Kreuzigung am nächsten Tag teilte. Der jüdische Kalender orientiert sich allerdings nicht an dem, was Christen heilig ist, sondern hat andere Regeln, denen zufolge das jüdische Pessachfest nicht unbedingt, aber in diesem Jahr fast zeitgleich mit der christlichen Karwoche stattfindet: Die Pessachfesttage beginnen am Abend des 27. März und enden am 4. April – also an dem Tag, an dem Christen und nicht nur sie dieses Jahr Ostern feiern.

Während Christen an dem Tag die fiktive Auferstehung des jüdischen Wanderpredigers Jesus von Nazareth feiern, der von seinen Anhängern zum himmlischen Wesen verklärt wurde, auf Betreiben jüdischer Priester jedoch als „Gotteslästerer“ gekreuzigt worden war, geht es beim Pessach der Legende nach darum, dass ein Engel Gottes jeden Erstgeborenen in Ägypten tötete, die Kinder Israels aber davon verschonte und damit den ägyptischen Herrscher bewog, den Israeliten die Freiheit zu geben und sie aus dem Land ziehen zu lassen. Zur Erinnerung an dieses legendenumwobene Ereignis wird Jahr für Jahr ein Fest gefeiert. Es dient ebenso wie andere Feste der Traditionspflege und insofern der Wahrung jüdischer Identität, die so oft bedroht gewesen ist unter dem Druck der Verfolgungen durch Christianisten, Islamisten und irreligiöse Rassisten.

Ich wünsche den Juden zum Pessachfest, den Christen, aber auch anderen zu Ostern so viel Lebensfreude, wie in Zeiten der akuten Pandemie und anderer Bedrohungen möglich ist!

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Zum Autor: Herwig Schafberg ist Historiker, war im Laufe seines beruflichen Werdegangs sowohl in der Balkanforschung als auch im Archiv- und Museumswesen des Landes Berlin tätig. Seit dem Eintritt in den Ruhestand arbeitet er als freier Autor und ist besonders an historischen sowie politischen Themen interessiert. Zuletzt erschien von ihm sein Buch Weltreise auf den Spuren von Entdeckern, Einwanderern und Eroberern.

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