Schwarz-Rot ohne Mehrheit – Bekommen wir eine grüne Ampel?

Von Jürgen Fritz, So. 28. Mrz 2021, Titelbild: © JFB

Bei Kantar stürzen CDU/CSU in nur sieben Wochen von 36 auf 25 Prozent, im Wahl-O-Matrix-Mittel aller Institute auf 27,5 Prozent, Tendenz weiter fallend. Damit hat die schwarz-rote Regierungskoalition, die 2013 mit über 67 Prozent eine klare Zwei-Drittel-Mehrheit hatte, gar keine Mehrheit mehr in der Bevölkerung, kommt gerade noch auf 44,2 Prozent. Im Moment scheint alles auf einen Wechsel zu Grün-Rot-Gelb hinzudeuten. Aber betrachten wir es genauer.

CDU/CSU stürzen völlig ab

„Glanzlos, mutlos, orientierungslos“, so beschreibt der emeritierte Professor für Politikwissenschaft und Buchautor Werner J. Patzelt die CDU dieser Tage, Wochen, Monate und Jahre. Die Lage der Partei sei „übel“. Und das habe mehrere Gründe, so die politische Kurzsichtigkeit, die programmatische Unbelehrbarkeit sowie inhaltlichen Fehler. Das Ergebnis hat die CDU in Baden-Württemberg serviert bekommen und ebenso in Rheinland-Pfalz bei den dortigen Landtagswahlen vor zwei Wochen, bei denen sie jeweils historische Tiefpunkte einfuhr, ja regelrechte Klatschen erhielt. Doch es könnte noch weit schlimmer kommen. Im September stehen nämlich die Bundestagswahlen an und sämtliche Umfragen der letzten Wochen deuten auch dort auf ein desaströses Ergebnis für CDU/CSU hin.

Nach Beginn der COVID-19-Pandemie schoss die Union ab März 2020 innerhalb weniger Wochen förmlich nach oben auf Werte von 38 bis 39 Prozent und konnte dieses hohe Niveau von 35 Prozent plus X bis Ende Januar, Anfang Februar 2021 halten, als sie noch über 36 Prozent lag. Doch seither geht es steil nach unten. Im Wahl-O-Matrix-Mittel aller Institute, die in den letzten drei Wochen Erhebungen durchführten, fiel sie auf nun 27,5 Prozent, Tendenz weiter sinkend. In der heute in der BILD am Sonntag erschienen Umfrage von Kantar stürzen CDU/CSU innerhalb von nur sieben Wochen von 36 auf 25 Prozent. Und dieser Absturz hat massive Auswirkungen auf eine mögliche Regierungsbildung nach der Bundestagswahl, die in knapp sechs Monaten ansteht. Dazu gleich mehr. Doch betrachten wir zunächst, wie der aktuelle Stand ist.

So würden die Deutschen heute wählen

Angegeben ist für jede Partei der Wahl-O-Matrix-Mittelwert aller Institute,  die – bezogen auf den mittleren Tag der Befragung – in den letzten drei Wochen repräsentative Erhebungen durchführten. Dies waren sieben der neun großen Meinungsforschungs-Institute. Aufgeführt ist für jede Partei der niedrigste und der höchste Wert dieser sieben einbezogenen Institute (es wurde jeweils nur die neueste Umfrage herangezogen) sowie fettgedruckt das arithmetische Wahl-O-Matrix-Mittel aller sieben Werte:

  1. CDU/CSU: 25 – 29 % ==> 27,5 %
  2. GRÜNE: 20 – 23 % ==> 21,8 %
  3. SPD: 15 – 18 % ==> 16,7 %
  4. AfD: 1012 % ==> 10,6 %
  5. FDP: 8,510,5 % ==> 9,4 %
  6. LINKE: 79 % ==> 7,6 %
  7. Sonstige: 5 – 8 % ==> 6,4 %
2021-03-28

(c) JFB

Erläuterung: Diese Werte sind so zu verstehen, dass es für jede Partei bzw. für jede Bundestagsfraktion ein Fenster gibt, innerhalb dessen sie derzeit mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit läge. Die aufgeführten Zahlen stellen die Mitte dieses Fensters dar. Kleine Abweichungen von dieser Fenster-Mitte von ein bis zwei Prozent sind also jeweils in beide Richtungen möglich, bei größeren Parteien auch drei Prozent, wobei die Wahrscheinlichkeit, je weiter man sich von der Mitte des Fensters weg bewegt, immer mehr abnimmt und zwar drastisch. Abweichungen von fünf bis zehn Prozent sind daher nahezu ausgeschlossen. Dies läge weit außerhalb des Fensters.

Schwarz-Rot hat keine Mehrheit mehr, dafür Grün-Rot-Gelb

In den letzten Wochen kam es zu massiven Veränderungen und diese haben einen folgenreichen Effekt: Die derzeitige Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD, die bei der Bundestagswahl 2013 noch eine klare Zwei-Drittel-Mehrheit von 67,2 Prozent hatte (2017 waren es dann nur noch 53,4 Prozent) hat nun überhaupt keine Mehrheit mehr. CDU/CSU und SPD kämen zusammen derzeit gerade noch auf ca. 44,2 Prozent. Und das würde nicht reichen für eine Mehrheit im Parlament.

Für eine Mehrheit der Sitze im Bundestag wären mit diesen Ergebnissen wegen der ca. 6,4 Prozent für sonstige Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, nicht über 50, sondern etwas über 46,8, also rund 47 Prozent der Stimmen notwendig. Und da liegt die schwarz-rote Koalition nun wegen der enormen Verluste der Union darunter. Grün-Rot-Gelb, also eine grüne Ampel-Koalition hätte bei einem solchen Wahlergebnis dagegen eine Mehrheit im Parlament. Folgende Koalitionen wären denkbar:

  • SchwarzGrün: 49,3 %
  • GrünRotGelb (Ampel): 47,9 %
  • GrünRotDunkelrot: 46,1 %
  • SchwarzRot: 44,2 %
  • SchwarzGelb: 36,9 %

Zum heutigen Stand gäbe es also zwei Optionen: Sowohl Schwarz-Grün als auch Grün-Rot-Gelb kämen knapp über 47 Prozent der Stimmen und hätten damit eine Mehrheit der Sitze im Deutschen Bundestag. Für Grün-Rot-Dunkelrot würde es wahrscheinlich nicht ganz reichen, aber sie wären ebenfalls ganz nah an einer Mehrheit dran.

Damit wäre eine Regierung ohne respektive gegen CDU/CSU möglich, aber kaum noch gegen die Grünen (Schwarz-Rot-Gelb wäre natürlich rechnerisch auch eine Option, käme auf 53,9 Prozent, aber das wird die SPD auf keinen Fall mitmachen).

Fazit: Auch die Union ist inzwischen nicht mehr wählbar und mir scheint, sie braucht dringend eine Erholung von der Regierungstätigkeit

Ein sehr großer Teil der Bürger scheint die Nase voll zu haben von CDU und CSU. Die Union, der so viele zugetraut haben, mit dieser Jahrhundertkatastrophe der Pandemie am ehesten fertig zu werden, hat – man muss das so deutlich sagen – jämmerlich versagt, in einem Ausmaß, das vor wenigen Monaten noch unvorstellbar schien. Insofern distanziere ich mich auch von meinem Artikel, den ich noch am 20. Dezember hier veröffentlichte Wer keine grüne Kanzlerin will und schlau ist, wählt die Union. Diese schien mir vor gut drei Monaten noch als das kleinste aller Übel, alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien unwählbar.

Das völlige Versagen in der Impfstoffbeschaffung, das Fehlen jeder Strategie in der Bekämpfung der Pandemie, die Wahl ausgerechnet von Armin Laschet, den außerhalb der Funktionärs-Schar kaum jemand wollte und der bei einer Direktwahl des Kanzlers gegen jeden verlieren würde, auch gegen Annalena Baerbock, zum neunen Bundesvorsitzenden, die Masken- und Korruptionsaffäre, all das lässt mich zu dem Urteil kommen: Nun hat sich die Union zu den anderen, nicht mehr wählbaren Parteien dazu gesellt und ich habe Verständnis dafür, wenn nun eine Wechselstimmung aufkommt und immer stärker wird. Man hat tatsächlich den Eindruck, die Union muss nach 16 Jahren in der Regierung dringend aus dieser heraus, damit sie sich von Grund auf neu finden kann.

Die Erhebungen dieser Institute wurden ausgewertet

Die sieben Institute, die (bezogen auf den mittleren Tag der Befragung) in den letzten drei Wochen Erhebungen durchführten, welche ausgewertet wurden, waren:

  • Allensbach (FAZ), mittlerer Tag der Befragung: 14./15.03.2021, persönlich-mündliche Befragung von 1.006 nach Quotenvorgaben ausgewählten Personen
  • Infratest dimap (ARD-DeutschlandTrend), mittlerer Tag der Befragung: 16.03.2021, Mixed-Befragung (telefonisch und online) von 1.207 zufällig ausgewählten Personen
  • Forsa (RTL/ntv-Trendbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 19.03.2021, telefonische Befragung von 2.511 zufällig ausgewählten Personen
  • Civey (SPIEGEL), mittlerer Tag der Befragung: 20./21.03.2021, netzwerkbasierte Panel-Rekrutierung + Teilnehmerverifizierung + quotierte Stichprobe unverzerrter Antworten + Echtzeitgewichtung, Stichprobe: 10.066 Befragte,
  • INSA (BILD), mittlerer Tag der Befragung: 20./21.03.2021, internetbasierte Befragung von 3.104 nach Quotenvorgaben ausgewählten Mitgliedern eines Befragten-Pools
  • Kantar (BILD am Sonntag), mittlerer Tag der Befragung: 21.03.2021, telefonische Befragung von 1.447 zufällig ausgewählten Personen
  • Forschungsgruppe Wahlen (ZDF-Politbarometer), mittlerer Tag der Befragung: 24.03.2021, telefonische Befragung von 1.030 zufällig ausgewählten Personen

Wahl-O-Matrix, Deutschlands führendes Meta-Analyse-Tool (von JFB gegründet), das mit seiner Prognose bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wie auch schon bei der NRW-Wahl, mit 0,76 Prozent mittlerer Abweichung erneut näher am Ergebnis lag als sämtliche Umfrageinstitute (in Rheinland-Pfalz am drittnächsten, bei der EU-Wahl ebenfalls am drittnächsten und bei der Bundestagswahl am zweitnächsten) hat damit eine recht breite Datenbasis von insgesamt 20.3716 Befragten.

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