Von Jürgen Fritz, Di. 15. Jun 2020, Titelbild: tagesschau-Screenshot
Niemals wäre die SPD vor 2015 auf die Idee gekommen, soziale Plattformen von Staats wegen zum Ausschnüffeln der Bürger zu verpflichten, sagt der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber. Sie sei zu einer Schande ihrer freiheitlichen Geschichte geworden. Die SPD rückte nach links, die Merkel-CDU zog hinterher und beide schufen rechts der Mitte ein Vakuum für die AfD. So wurde die Gesellschaft gespalten. Es sei der linke SPD-Flügel gewesen, welcher die SED-Nachfolger durch Koalitionen in den Ländern salonfähig machte. Die SPD habe sich von einer sozialdemokratischen zu einer sozialistischen Partei gewandelt. Hinzu sei der von der SPD massiv eingeforderte Merkel’sche Jahrtausendfehler der völlig unkontrollierten Masseneinwanderung gekommen. Seither werde gelogen, dass sich die Balken biegen. Die Partei habe vergessen, das der ideologische Weg ins Paradies auf Erden immer durch Lager führe. Die heutige SPD stehe dem Lager näher als der Freiheit.
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Gunter Weißgerber, Jahrgang 1955, gehörte in der DDR zu den Leipziger Gründungsmitgliedern der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) in Leipzig. Bereits Anfang Oktober 1989 hatte er sich zum Treffen in der Leipziger Michaeliskirche in die Liste des Neuen Forum eingetragen. Von November 1989 bis März 1990 war er für die SDP Redner auf den Leipziger Montagsdemonstrationen. Diese vertrat er 1990 in der freigewählten Volkskammer und war anschließend fast 20 Jahre lang Mitglied des Deutschen Bundestages für die SPD.
1990 zog er noch über die SPD-Landesliste Sachsen in den Bundestag ein, danach stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Leipzig II. Bei der Bundestagswahl 2005 erreichte er dort 35,3 Prozent (!) der Erststimmen. Dies war das sachsenweit beste SPD-Einzelergebnis als Direktkandidat (ohne Landeslisten-Absicherung). Von 1990 bis 2005 war er der Vorsitzende der Landesgruppe Sachsen in der SPD-Bundestagsfraktion. 2008 erhielt Weißgerber das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Anfang 2019 ist er aus der SPD ausgetreten.
Deutschland galt vor zwanzig Jahren als kranker Mann Europas, Schröders Agenda 2010 machte die Bundesrepublik zur Wirtschaftslokomotive der Europäischen Union
Nun hat das langjährige Partei- und Bundestagsmitglied einen mehr als bemerkenswerten Artikel veröffentlicht, in welchem er sich der Entwicklung seiner ehemaligen Partei auseinandersetzt. „Heute schreibe ich über die älteste demokratische Partei Deutschlands, über die SPD„ beginnt er seinen Text und fährt fort: „Gegründet 1863 von Ferdinand Lasalle, stand sie in ihren erfolgreichsten Zeiten für den sozialen Teilhabe- und Aufstiegsanspruch der Arbeiter, Handwerker, Techniker, Ingenieure zuerst im Kaiserreich, später in der ‚Weimarer Republik‘, in der alten Bundesrepublik bis 1990 und seitdem in der vereinigten Bundesrepublik.“
Die erfolgreiche Geschichte der Bundesrepublik sei ohne die SPD und ihre Kanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder nicht denkbar gewesen. Was Gerhard Schröder seit seiner Abwahl 2005 mache, gefalle ihm keineswegs, stellt Weißgerber klar, aber dies schmälere seine erfolgreiche Politik als Bundeskanzler nicht. Denn:
„Deutschland galt vor zwanzig Jahren als kranker Mann Europas, Schröders Agenda 2010 mit ihrem sozialdemokratischen Prinzip des ‚Förderns und Forderns‘ machte die Bundesrepublik zur Wirtschaftslokomotive der Europäischen Union.“
Und jetzt sei es ausgerechnet die nach-Schröder-SPD, die Deutschland erneut zum kranken Mann degenerieren lasse.
Die SPD vor 2015 wäre niemals auf die Idee gekommen, sozialen Plattformen von Staats wegen zum Ausschnüffeln der Bürger zu verpflichten
Im Kaiserreich war die SPD zweitweise verboten, konstatiert Weißgerber, im Dritten Reich war sie generell verboten und in der DDR „stand sie wie keine andere deutsche Partei für Freiheit, Demokratie und Chancengleichheit“. Und dann folgt einer der Schlüsselsätze dieser bemerkenswert ehrlichen, offenen, aufrichtigen Abrechnung, die ins Mark geht:
„Die SPD vor 2015 wäre niemals auf die Idee gekommen, die sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter von Staats wegen zum Ausschnüffeln der Bürger zu verpflichten.“
Damit meint der Autor das 2017 beschlossene sogenannte „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, bisweilen auch Maas-Zensur-Gesetz genannt, da es maßgeblich auf das Betreiben des ehemaligen Bundesjustiz- und heutigen Außenministers Heiko Maas zurückgeht, ein Gesetz, welches von nicht wenigen Juristen nicht nur als dubios, sondern als verfassungswidrig angesehen wurde. Dieses Gesetz soll „auf Inhalte und Töne in den Plattformen achten und im Fall von ‚Verstößen‘ gegen politisch einseitig auslegbare sogenannte Verstöße einschreiten und disziplinieren“. Was mit diesem Gesetz getrieben wird, beschreibt Weißgerber sehr schön anhand einer Metapher: Es sei gerade so, „als ob in den Gasthäusern und Restaurants die Wirte auf die Gespräche ihrer Gäste achten, diese zurechtweisen, der Gaststätten verweisen und an den Staat melden sollen.“
Die SPD ist zu einer Schande ihrer freiheitlichen Geschichte geworden
Und Weißgerber, der langjährige SPD-Politiker und Bundestagsabgeordnete benennt auch Ross und Reiter, sagt klippe und klar, auf welchen Kappe diese menschenrechtsfeindliche Gesetz geht:
„Die jetzige SPD ist hauptverantwortlich für den öffentlichen Geruch nach Spitzeln und Repression in Deutschland.“
Deutschland sei
„was Meinungsfreiheit angeht, ein Rückentwicklungsland geworden und das wurde maßgeblich durch die SPD in Gang gesetzt.“
Und dann wird er noch deutlicher:
„Die SPD ist zu einer Schande ihrer freiheitlichen Geschichte geworden.“
Wir Ost-Sozialdemokraten ließen die westdeutsche Illusion vom wichtigen Versuchslabor ‚Sozialismus‘ platzen
Schlimmer noch: Besserung sei nicht in Sicht, im Gegenteil. Die Friedliche Revolution 1989, für Ostdeutsche das überragende Ereignis, habe die bundesdeutsche SPD auf dem falschen Fuß erwischt, fährt Weißgerber fort. „Der linke Parteiflügel um Oskar Lafontaine setzte auf die Kooperation mit dem SED- und Stasi-Staat DDR und wurde von der Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) ins Mark getroffen.
Wir Ost-Sozialdemokraten, nicht aus der SED kommend, zerstörten nicht nur die Anmaßung der SED, eine Partei von Kommunisten und Sozialdemokraten zu sein, was faktisch der Todesstoß für die SED war, sondern wir ließen die westdeutsche Illusion vom wichtigen Versuchslabor ‚Sozialismus‘ platzen.“ Keiner von denen im Westen habe in der DDR leben wollen, „uns gönnten sie dagegen das Schicksal von Versuchskaninchen. Linke Heuchler halt“, so Weißgerber wörtlich.
Die Ostsozialdemokraten wollten die Deutsche Einheit, so seine Beschreibung, „als Sicherheit vor einer möglichen Rückabwicklung der Friedlichen Revolution durch die Sowjetunion“. Der Moskauer Augustputsch 1991, als eine Gruppe von Funktionären der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), die sich als Staatskomitee für den Ausnahmezustand bezeichnete, den Präsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow abzusetzen und das Land unter ihre Kontrolle zu bringen, versuchte, habe ihnen nachträglich recht gegeben.
Der linke SPD-Flügel machte die SED-Nachfolger in den Bundesländern durch Koalitionen salonfähig
Der gemäßigte westdeutsche SPD-Flügel habe im Gegensatz zum linken Parteiflügel die Deutsche Einheit ebenso gewollt. Damit sei die SPD uneinig in die Einheit gegangen und habe dafür einen hohen Preis in der DDR-Volkskammerwahl im März 1990 gezahlt wie auch in der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Dezember 1990 (als die Union auf fast 44 Prozent kam, die SPD aber nur auf 33,5 Prozent).
Acht Jahre sollte es dann bis zum fulminanten SPD-Wahlsieg mit Gerhard Schröder 1998 dauern. Fulminant sei dies auch deshalb gewesen, „weil in dieser Wahl die SED-Nachfolgepartei aus dem Bundestag gewählt wurde und nur noch mit zwei in Berlin direkt gewonnen Mandaten im Parlament vertreten war“. Die SED sei als wahrnehmbare Kraft quasi verschwunden gewesen, „was ein Ziel der Ostsozialdemokraten seit 1989 war“.
Doch der linke SPD-Flügel machte etwas für die weitere Geschichte unserer Gesellschaft etwas höchst Verhängnisvolles: Er machte „die SED-Nachfolger in den Bundesländern durch Koalitionen salonfähig“. Auch hierfür findet Weißgerber ein Bild: „Die SPD blies ihren Gegner sozusagen wie einen Frosch auf und staunte dann über dessen Ballongröße.“ Ähnlich betreibe es inzwischen die CDU mit den Grünen.
Die SPD bewegte sich nach links und verzichtete damit auf die Wählermehrheiten in der Mitte der Gesellschaft
Doch dies sei nicht der einzige dramatische Fehler der SPD gewesen: „2007 gab sie sich in Hamburg ein neues Grundsatzprogramm, in dem der Sozialismus wieder einen höheren Stellenwert bekam.“ Das sei ein Signal an die SED-Nachfolgepartei gewesen, die inzwischen unter „Die Linke“ firmiere. „Die SPD bewegte sich nach links und verzichtete damit auf die Wählermehrheiten in der Mitte der Gesellschaft.“
Den Höhepunkt dieser Entwicklung sieht Weißgeber im Leipziger SPD-Parteitag von 2013. „Dort beschloss die SPD den Koalitionsanspruch mit der Linkspartei auf Bundesebene.“ Da die Linkspartei sowohl eine kommunistische Plattform besitze und sich mit der Antifa umgebe, schloss die SPD faktisch auch mit diesen linken Demokratiegegnern die Zusammenarbeit nicht aus.
Erläuterung: Die Kommunistische Plattform (KPF) ist ein politischer Zusammenschluss innerhalb der Partei Die Linke, die dafür eintritt, dass kommunistische Positionen in der Linkspartei verankert bleiben. Ihr wesentliches Anliegen ist die Bewahrung und Weiterentwicklung marxistischer Positionen innerhalb der Partei. Ein „strategisches Ziel“ für ihre Mitglieder, die sich selbst als „Kommunisten“ bezeichnen, ist die „Errichtung einer neuen sozialistischen Gesellschaft, welche die positiven Erfahrungen des realen Sozialismus nutzt und aus den begangenen Fehlern Lehren zieht“. Der Zusammenschluss wendet sich vehement gegen jegliche Art von Antikommunismus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählt die KPF in seinem Jahresbericht für 2019 zu den „extremistischen Strukturen der Partei Die Linke“. Diese Einschätzung wird auch in der Parteienforschung weitgehend geteilt
Die Merkel-CDU zog der nach linksgerückten SPD hinterher und beide schufen rechts der Mitte ein Vakuum für die AfD, so wurde die Gesellschaft gespalten
Seit diesem Bundesparteitag 2013, so Weißgerber weiter, kämpfe die ehemalige Sozialdemokratische Partei einen inhaltlosen Phrasenkampf gegen „Rechts“ unter Einschluss von Linksextremisten. Demokratietheoretisch unglaubwürdiger gehe es nicht, so das langjährige SPD-Mitglied. Die Warnungen, dass durch dieses Agieren die Gesellschaft gespalten würde, dass Parteien am rechten Rand gestärkt würden und Wählerzulauf bekämen, haben sich in der Folge erfüllt, so der Autor weiter.
„Die SPD rückte nach links, die CDU unter Frau Merkel zog ihr hinterher und beide schufen rechts der Mitte ein Vakuum, in das die AfD bequem reinrutschen konnte.“ Nun gebe man im SPD-Wahn der AfD schuld an der AfD-Stärke und nicht etwa der SPD und der CDU. Stand die SPD in ihren guten Zeiten für Wahlergebnisse um die vierzig Prozent, so ging es mit ihrem Linkskurs stetig bergab. Im September erhält die SPD vielleicht fünfzehn Prozent – ein selbstverschuldeter Niedergang ohnegleichen.“
Die SPD hat sich von einer sozialdemokratischen Partei zu einer sozialistischen Partei gewandelt
Ohnehin sei die heutige SPD absolut lernunwillig, so Weißgerber. „Von Wahl zu Wahl werden ihre Ergebnisse schlechter“ und an den Wahlabenden reiche es im Bund nie für Rot-Rot-Grün. Im Gegenteil, denn es seien negativ kommunizierende Röhren. Das Bekenntnis zu RRG nehme der SPD mehr Stimmen, als sie im Gegenzug dafür bekomme. Eine Kursänderung sei gleichwohl nicht in Sicht.
„Die SPD hat sich in den vergangenen 15 Jahren von einer sozialdemokratischen Partei zu einer sozialistischen Partei gewandelt.“
Fachlich fundierte Positionen würden immer weniger gelten oder würden gar als rechts diffamiert. Linke praxisuntaugliche Haltung werde zum Ticket für Parlamentskarrieren. „Die SPD entwertete die Aufgabe, möglichst vielen Menschen die Existenzsicherung durch Arbeit zu ermöglichen.“ Eine religiös anmutende Weltrettungshysterie habe in der SPD um sich gegriffen.
Hinzu kam der Merkel’sche Jahrtausendfehler, der völlig unkontrollierten Völkereinwanderung, welche die SPD massiv einforderte, seitdem wird gelogen, dass sich die Balken biegen
„Hinzu kam der Merkel’sche Jahrtausendfehler von 2015, den die SPD nicht nur wohlwollend begleitete, sondern noch massiver forderte. Im September 2015 öffnete die CDU mit der SPD völlig unkontrolliert die Schleusen für Millionen Menschen aus völlig kulturfremden und rückschrittlichen Weltregionen, Grüne und Linke standen daneben und zollten Beifall und die AfD wurde sozusagen von der Völkereinwanderung in den Bundestag geschoben.“
Seitdem werde in Deutschland gelogen, bis sich die Balken biegen, werde Kriminalität verschwiegen und in der Statistik meist unter rechter Kriminalität eingeordnet, was tatsächlich muslimische und muslimisch-judenfeindliche Kriminalität sei. Aktuell erlebe die Bundesrepublik eine Welle der Gewalt gegen Israel und die Juden und das „ausgerechnet in dem Staat, dessen Vorgänger Millionen Juden vieler Nationen auslöschte. Was die Juden dabei erleben ist, dass diese Gewalt gegen sie vor allem vom zugewanderten muslimischen Bevölkerungsteil ausgeht.“ Viele kluge Menschen hätten vor dieser unkontrollierten Zuwanderung gewarnt und täten dies noch immer. Wer den Orient reinhole, importiere auch dessen archaischen Regeln und dessen Konflikte. Dabei stehe die SPD ganz vorne bei denen, die die Feinde derer ins Land holen, die sie schützen müssen: die Juden jeglicher Nationalität.
Die SPD hat vergessen, das der ideologische Weg ins Paradies auf Erden immer durch Lager führt, die heutige SPD steht dem Lager näher als der Freiheit
Und in der Wirtschafts-, Energie- und Forschungspolitik zerstöre die SPD den Standort Bundesrepublik Deutschland nachhaltig. Die Automobilindustrie kämpfe durch die SPD ums Überleben. Die Deutschen zahlten schon jetzt doppelt so hohe Energiepreise wie ihre Nachbarn. Für die SPD seien die exorbitanten Energiepreise, die vor allem ihre frühen Wähler stöhnend bezahlen müssen, aber kein Grund des sozialen Nachdenkens.
„Der Erde würde es ohne die Menschen aus SPD-Sicht besser gehen – aber wer braucht so eine Erde?“
Die deutsche Sozialdemokratie habe sich sich von einer freiheitlichen Partei, die Gesellschaftsarchitekturpolitik als Dressur eines Volkes ablehnte, zu einer Partei, die die Bevölkerung umerziehen wolle. Die SPD habe vergessen, das der ideologische Weg ins Paradies auf Erden immer durch Lager führe. Die heutige SPD stehe einer Lagerordnung näher als der Freiheit.Damit aber habe sich die SPD unwichtig gemacht.
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Quelle: Gunter Weißgebers Text erschien am 30. Mai 2021 in der ungarischen Magyar Nemzet und auf Deutsch in The European – Das Debattenmagazin.
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