Von Jürgen Fritz, Do. 18. Nov 2021, Titelbild: BBC-Screenshot
Am 2. November erhob Peng Shuai auf der chinesischen Kurznachrichten-Plattform Weibo schwere Vorwürfe gegen den Ex-Vizepräsidenten Chinas Zhang Gaoli. Dieser habe sie gegen ihren Willen zum Sex gezwungen. Keine halbe Stunde später war der Eintrag verschwunden, kurz darauf auch Peng. Ihr Weibo-Konto ist weg und im chinesischen Internet kann nicht mehr nach ihrem Namen gesucht werden. Nun tauchte eine bizarre E-Mail „von ihr“ auf.
Die chinesische Tennisspielerin wirft dem ehemaligen Vizepräsidenten Chinas vor, sie vergewaltigt zu haben, kurz darauf ist ihr Beitrag, ihr Konto und dann sie verschwunden
Peng Shuai, im Januar 1986 geboren, war jahrelang eine der besten Tennisspielerinnen der Welt, vor allem im Doppel. Schon mit 15 Jahren (2001) startete sie ihre Profi-Karriere. Im Dameneinzel zog sie auf der WTA Tour viermal in ein Endspiel ein. Mehrmals schlug sie sogar Top Ten-Spielerinnen und stand 2011, mit 25 Jahren, im Einzel auf Rang 14 der Damen-Weltrangliste. 2014 zog sie sogar ins Halbfinale der US Open ein. Noch erfolgreicher war sie aber im Doppel. Hier gewann sie mehr als 20 Turniere, darunter zwei Grand Slam-Turniere, 2013 in Wimbledon und 2014 die French Open sowie 2013 die WTA Tour Championships. Im Februar 2014 wurde sie erstmals als Nr. 1 der Damen-Doppel-Weltrangliste geführt. Im September 2019 gewann sie an der Seite der Deutschen Laura Siegemund ihren letzten WTA-Titel im Damen-Doppel. Anfang November 2021 machte Peng dann etwas Ungeheuerliches.

BBC-Screenshot
Auf der chinesischen Kurznachrichten-Plattform Weibo, quasi das chinesische Twitter, veröffentliche Peng Shuai am 2. November 2021 einen Beitrag, in welchem sie dem Ex-Vizepräsidenten Chinas, Zhang Gaoli beschuldigte, dass er sie vergewaltigt habe. Zhang Gaoli, Jahrgang November 1946, also mehr als 39 Jahre älter als Peng, war seit 2002 Parteisekretär in Shandong, dann von 2007 bis November 2012 Sekretär des Parteikomitees der Kommunistischen Partei Chinas KPC der regierungsunmittelbaren Stadt Tianjin. Von 2007 bis 2017 war Zhang Mitglied des Politbüros der KPC, von 2012 bis 2017 Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros und von 2013 bis 2018 sogar Vize-Premierminister des Staatsrats der Volksrepublik China. Kurzum Zhang Gaoli war über viele, viele Jahre einer der mächtigsten Männer des Landes.

Zhang Gaoli, DW-Screenshot, DW-Screenshot

Zang hier ganz links vorne, zwei Plätze neben Xi Jinping, dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas sowie seit 2013 Staatspräsident der Volksrepublik China, DW-Screenshot
Und diesen enorm einflussreichen Mann beschuldigte nun Peng Shuai also, dass er sie sexuell missbraucht habe. Shuai und Gaoli sollen 2011 eine kurze Beziehung geführt haben, sie war damals 25, er 64 Jahre alt. 2018 soll es dann zu dem Übergriff gekommen sein, so Peng. Zhang Gaoli und seine Frau hätten sie zu einem Tennis-Turnier nach Hause eingeladen berichtete Peng. Dort habe er sie in einen Raum gedrängt und zum Sex gezwungen.
„Warum musstest du zu mir zurückkommen, hast mich zu dir nach Hause gebracht, um mich zum Sex mit dir zu zwingen„, hieß es ihrem Post wörtlich. „Ich kann nicht beschreiben, wie angewidert ich war und wie oft ich mich gefragt habe, ob ich noch ein Mensch bin. Ich fühle mich wie eine wandelnde Leiche.“
Und dann drohte sie, alles öffentlich zu machen:
„Auch wenn ich um meine Selbstzerstörung werbe wie eine Motte, die in die Flamme fliegt: Ich werde die Wahrheit über dich berichten.“

DW-Screenshot
Keine halbe Stunde später war Pengs Post verschwunden. Ihr Name konnte in China online nicht mehr gesucht werden, und von ihr fehlte seither jede Spur. Bis gestern. Dazu gleich mehr.
Am Mittwoch erhält der WTA-CEO ein seltsam anmutende E-Mail angeblich von Peng Shuai
In den letzten zwei Wochen hatten sich verschiedene Tennisgrößen eingeschaltet und ihre Besorgnis auf Twitter geteilt. Der Hashtag #WhereIsPengShuai war dort sogar in den Trends zu finden.

Instagram-Screenshot

sportschau
Steve Simon, der CEO des Tennisverbands WTA (Women’s Tennis Association), schrieb:
„Die jüngsten Ereignisse in China im Zusammenhang mit der WTA-Spielerin Peng Shuai geben Anlass zu großer Sorge. Als eine Organisation, die sich für Frauen einsetzt, bleiben wir den Prinzipien verpflichtet, auf denen wir gegründet wurden – Gleichheit, Chancen und Respekt. Peng Shuai und alle Frauen haben es verdient, gehört und nicht zensiert zu werden.“
Nun hat Steve Simon, der WTA-CEO, gestern am späten Nachmittag eine E-Mail erhalten, die angeblich von Peng Shuai stammen soll. Die Nachricht wurde von CGTN veröffentlicht, einem chinesischen TV-Sender, der sich an den Markt in Übersee richtet. In dieser Nachricht heißt es:
„Die News, die die WTA über ihre Seite publizierte, sind nicht bestätigt und wurden ohne meine Zustimmung publiziert.“
Die Tatsachen, inklusive des Vorwurfs der sexuellen Belästigung, seien falsch. Auch sei sie nicht verschwunden. Sie habe sich einfach nur zu Hause ausgeruht. Am Ende bittet die Peng die WTA, zukünftige Meldungen über sie von ihr verifizieren zu lassen und sie nur mit ihrer Zustimmung zu veröffentlichen.
Ob diese Zeilen aber wirklich von Peng Shuai verfasst wurden und falls ja, ob freiwillig, das bezweifeln sehr viele. Steve Simon teilte seine Gedanken dazu bereits in einem Statement:
«Die heute von den chinesischen Staatsmedien veröffentlichte Erklärung zu Peng Shuai lässt meine Besorgnis über ihre Sicherheit und ihren Verbleib nur noch größer werden. Peng Shuai muss die Möglichkeit haben, frei zu sprechen, ohne Zwang oder Einschüchterung von irgendeiner Seite.»
Er zweifle daran, dass die Athletin diese Worte selbst geschrieben habe. Er selbst habe auch schon wiederholt versucht, Peng zu erreichen, jedoch „ohne Erfolg“.
In einem Bericht von DW Deutsch heißt es dazu:
„Dass die chinesische Führung Prominente verschwinden lässt und sie erst wieder auftauchen, wenn sich alles beruhigt hat, ist keine Seltenheit. Ob Fernsehmoderatoren, Unternehmer oder Schauspieler – niemand, der Systemkritik äußert, ist sicher.“
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