Djokovic verliert vor Gericht und muss Australien verlassen

Von Jürgen Fritz, So. 16. Jan 2022, Titelbild: 9 News-Screenshot

Kurz vor 18 Uhr Ortszeit (08 Uhr MEZ) wurde die Entscheidung bekannt gegeben. Novak Djokovic, der Titelverteidiger, darf nicht an den Australian Open teilnehmen. Der Einspruch des neunmaligen AO-Champions gegen seine verweigerte Einreise und die Annullierung seines fragwürdigen Visums wurde einstimmig abgelehnt.

Novak out

Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, hieß es in der Bekanntgabe der drei Richter James Allsop, Anthony Besanko und David O’Callaghan. Die Sitzung hatte gegen 09.30 Uhr Ortszeit begonnen und ging bis ca. 18 Uhr. Wie die australische Nachrichtenagentur AAP berichtet, hatte Djokovic die Sitzung aus dem Büro seiner Anwälte in Melbourne verfolgt. Die Nacht vor der Verhandlung beim Bundesgericht hatte der Rekordsieger der Australian Open wieder in dem Abschiebehotel in Melbourne verbringen müssen. Nach Berichten habe der Tennissuperstar, der seine Teilnahme an den AO unbedingt gerichtlich erstreiten wolle und der seit seiner Reise nach Down under vor mehr als zehn Tagen kaum trainieren konnte, müde ausgesehen und zeigte sich nach dem Urteil sehr enttäuscht:

„Ich bin extrem enttäuscht über die Entscheidung.“

Laut der Nachrichtenagentur AAP wäre jetzt nur noch eine Berufung vor dem High Court, dem höchsten Gericht Australiens, möglich gewesen. Die Erfolgschancen dort wären aber sehr gering gewesen. Zudem beginnt das Turnier ja bereits morgen. Daher will Djokovic die Entscheidung des Gerichts nun respektieren und werde mit den entsprechenden Autoritäten kooperieren, was seine Abreise aus Australien betreffe, teilte der Weltranglisten-Erste in einer Stellungnahme mit.

Regierungsanwalt: „Er ist zu einer Ikone der Impfgegner geworden“

Djokovics Anwälte drängten schon vor dem Gerichtstermin heute auf eine schnelle Entscheidung, da die Australian Open (AO) bereits am Montag um 11 Uhr Ortszeit beginnen und Djokovics Erstrundenpartie auf Montag 21 Uhr angesetzt war. „Der Antragsteller bittet höflich um eine dringende Anhörung, damit der Antragsteller im Falle eines positiven Bescheids an den Australian Open teilnehmen kann“, hieß es in der Einlassung seines Anwalts Nicholas Wood.

Der Anwalt, der die australische Regierung vertrat, konzentrierte sich vor allem auf einen Punkt in seiner Argumentation: die Frage, ob es für Anti-Impfbewegung förderlich ist, wenn Djokovic bleiben darf. Das glaubt die australische Regierung. Die Anwälte des Serben dagegen argumentierten, dass könne auch der Fall sein, wenn ihr Mandant ausgewiesen würde. Stundenlang tauschten beide Seiten ihre Argumente aus.

Stephen Lloyd, der Anwalt der Regierung, sprach die Rolle von Sportstars als Werbefiguren an: „Die Menschen nutzen hochgradige Athleten dauernd, um Ideen zu verbreiten und für ihre Anliegen zu werben.“ Das gelte natürlich auch für Djokovic: „Er ist auf vielen Ebenen ein Rollenmodell, ein Vorbild. Sein Aufenthalt in Australien führt den Menschen seine Anti-Impfhaltung deutlich vor Augen – das brächte ein Risiko für die Gesundheit der Australier mit sich“, sagte Lloyd mit Blick auf Djokovics Visum. „Diese Sicht rührt nicht nur aus seinen Bemerkungen her, sondern auch daraus, dass er bis heute ungeimpft ist. Und das ist seine eigene Entscheidung.“ Stephen Lloyd brachte es wie folgt auf den Punkt:

„Er ist zu einer Ikone der Impfgegner geworden.“

Zudem hatte Djokovic Schutzmaßnahmen wiederholt ignoriert, was er selbst zugegeben hatte

Die Ansichten des Tennisstars zum Thema Corona und Impfungen seien – auch angesichts der Omikron-Welle, die Australien seit Wochen überspült – für das Land und seine Menschen gefährlich. Denn Djokovic habe ja beispielsweise auch den Schutz vor der Übertragung von Corona „ignoriert – etwa, als er eine Maske bei einem Interview abnahm, obwohl er infiziert war“.

Damit bezog sich der Anwalt der australischen Regierung auf einen Vorfall in Belgrad, für den sich Djokovic Mitte der Woche entschuldigt hatte, der also unstrittig ist und nicht erst extra bewiesen werden musste. Djokovic behauptet nämlich, er hätte am 16.12.2021 einen positiven PCR-Test gemacht, ist aber, wie ihm nachgewiesen werden konnte, am 16.12, am 17.12. und sogar noch am 18.12. öffentlich aufgetreten, unter anderem bei einem Interview plus Fotoshooting mit der französischen Sportzeitung L’Equipe, die ihn zum Sportler des Jahres küren wollte. Bei diesem Termin am 18.12.2021, zwei Tage nach dem angeblichen positiven Testergebnis, sagte der Serbe dem Journalisten und Fotografen aber gar nichts von seiner angeblichen Infektion, setzte zweitweise sogar seine Maske ab.

Sein Anwalt insistierte, Djokovic könne eine impfgegnerische Haltung und eine Stärkung der Anti-Impfung-Stimmung nicht bewiesen werden

Djokovics Anwalt Nicholas Wood hatte zuvor die Begründung des Ministers Punkt für Punkt auseinander zu nehmen versucht. Er setzte zwei Schlaglichter: Zum einen gehe der Minister davon aus, dass der Serbe eine Haltung gegen Impfungen einnehme – was Lloyd später in seiner Argumentation auch bestätige. Djokovics Anwalt aber erklärte: „Es ist schlicht vollkommen falsch zu sagen, Herr Djokovic sei eine Leitfigur für Impfgegner.“ Dies könne der australische Minister weder wissen noch belegen.

Schwerer wog aus seiner Sicht, dass Hawke fürchte, der Verbleib von Djokovic im Land werde zu einer „Anti-Impfung-Stimmung“ führen, die dann eine Gefahr für Australien sei. Es gebe aber keinen Beleg dafür, „dass eine Anti-Impf-Stimmung dadurch gestärkt würde, dass mein Klient hier für zwei Wochen Tennis spielt“, so Wood. Der Minister habe niemals geprüft, „ob eine Ausweisung nicht ebenfalls enorme Risiken für die Öffentlichkeit enthalte.“ Das sei „irrational.“ Der Anwalt fuhr fort: „Es ist auf seine Art pervers, so einen enge Sicht einzunehmen.“

Djokovics Falschangaben im Visumsantrag und die PCR-Betrugsindizien wurden gar nicht thematisiert

Dass Djokovic bei seinem Antrag des Visums teilweise falsche Angaben gemacht hatte – er sei die letzten 14 Tage vor der Einreise nicht verreist, obschon er sowohl in Serbien als auch in Spanien mehrfach öffentlich unterwegs war und obwohl er die meiste Zeit in Isolation gewesen sein müsste, hätte er sich tatsächlich am oder vor dem 16.12.2021 infiziert – und auch dass es Indizien gibt, dass der angeblich positive PCR-Test vom 16.12.2021 erst am 26.12.2021 in das System eingegeben wurde, was ein Hinweis auf einen Betrug sein könnte, wurden in der Verhandlung gar nicht mal thematisiert.

Dies müsste gegebenenfalls in einem eigenen Prozess sorgsam aufgearbeitet werden. In diesem Verfahren, in dem es nur darum ging, ob Djokovics Einspruch gegen die Annullierung seines Visums stattgegeben wird oder nicht, spielten diese beiden Faktoren aber gar keine entscheidende beziehungsweise sogar gar keine Rolle.

Der Serbe muss Australien nun verlassen und die Prozesskosten tragen

Djokovic war am Sonntagmorgen aus dem dem Abschiebehotel in Melbourne ins Büro seiner Anwälte gebracht worden: „blauer Lacoste-Pullover, müder Blick, er scheint keine gute Nacht gehabt zu haben“, schreibt der BILD-Reporter vor Ort. Er hätte selbst vor Gericht aussagen können, lehnte das aber ab. Djokovic verfolgte die Video-Verhandlung – selbst die drei Richter waren nicht in einem Raum, sondern jeweils per Video eingeschaltet – im Büro seiner Anwälte, war aber selbst im Bild nicht zu sehen.

Der Serbe mit Wohnsitz auf Marbella, Andalusien, Spanien (und vielleicht auch noch zusätzlich Monaco, wo er eine ganze Dekade seinen Erstwohnsitz hatte und wahrscheinlich auch noch einen Wohnsitz hat, das ist nicht so ganz klar) muss nun Australien verlassen, kann die AO nicht spielen und muss sämtliche Prozesskosten tragen.

Die Frage, ob der 34,6-Jährige jetzt sogar drei Jahre lang nicht mehr nach Australien einreisen darf, die Australian Open, die er neunmal gewann, also womöglich nie wieder spielen kann, ist noch nicht geklärt.

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