Von Jürgen Fritz, Sa. 14. Mai 2022, Titelbild: © JFB
13 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen sind morgen aufgerufen, ihren Landtag neu zu wählen. Seit 2017 regiert in NRW Schwarz-Gelb, bis Ende Oktober 2021 unter Ministerpräsident Armin Laschet, seither unter Hendrik Wüst. Die morgige Wahl steht auf Messers Schneide: Schwarz-Grün, Rot-Grün oder eine Ampel?
In den letzten knapp 56 Jahren regierten fast 46 Jahre SPD-Ministerpräsidenten
Mit fast 18 Millionen Einwohnern, mehr als die Niederlande, doppelt so viele wie Österreich, ist Nordrhein-Westfalen das mit Abstand bevölkerungsreichst und wichtigste Bundesland in Deutschland. Bayern liegt mit ca. 13,1 Millionen Einwohnern, also fast fünf Millionen weniger auf Platz zwei. Allein schon wegen der Größe hat diese Landtagswahl mithin große Bedeutung auch über NRW hinaus.
Nordrhein-Westfalen ist ein Bundesland, in dem sich CDU und SPD immer wieder abwechseln als stärkste politische Kraft. Bis 1966 stellte meist die CDU den Ministerpräsidenten, seither aber meist die SPD:
- 1966 bis 1978 führte Heinz Kühn (SPD) ein rot-gelbe Landesregierung an.
- 1978 bis 1998 führte Johannes Rau (SPD) zunächst eine rot-gelbe Regierung und konnte dann von 1980 bis 1995 sogar eine von der SPD alleine geführte Regierung bilden. 1995 bis 1998 gab es dann unter Rau eine rot-grüne Landesregierung, die
- Wolfgang Clement (SPD) 1998 bis 2002 weiterführte.
- 2002 bis 2005 führte dann Peer Steinbrück (SPD) Rot-Grün weiter, bis
- Jürgen Rüttgers (CDU) 2005 nach fast 40 Jahren erstmals NRW für die CDU zurückgewann und bis 2010 eine schwarz-gelbe Koalition bildete.
- Aber schon bei der Wahl 2010 übernahm Rot-Grün mit der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wieder die Regierungsgeschäfte, bis 2017.
- Dann konnte Armin Laschet (CDU) die Wahl 2017 gewinnen und wieder eine schwarz-gelbe Landesregierung bilden, die Hendrik Wüst (CDU) Ende Oktober 2021 als neuer Ministerpräsident übernahm.
Insgesamt regierten in den letzten knapp 56 Jahren fast 46 Jahre SPD-Ministerpräsidenten und nur zehn Jahre führte die CDU die Landesregierung an. Und Hendrik Wüst hatte kaum mehr als ein halbes Jahr Zeit, sich als Regierungschef zu etablieren, so dass sein Amtsbonus ausgesprochen gering ausfällt. Hinzu kommt, dass die SPD in NRW die letzten Jahrzehnte tendenziell etwas stärker ist als die CDU. Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten Thomas Kutschaty ist aber wenig bekannt und die SPD bekommt aus der Bundes-SPD, die mit ihrer Russland-Ukraine-Politik seit Wochen deutlich im Sinken ist, eher Gegen- denn Rückenwind.
Entscheidend wird in NRW morgen aber etwas anderes sein. Schauen wir uns dazu zunächst die Prognose von Wahl-O-Matrix (Jürgen Fritz Blog), Deutschlands führendem Meta-Analyse-Tool an, dann wird nämlich schnell deutlich, was am Sonntag der ausschlaggebende Faktor sein wird.
Wahl-O-Matrix-Prognose: So wird NRW morgen wählen
- CDU: 33 %
- SPD: 28,5 %
- Grüne: 16,5 %
- FDP: 6,5 %
- AfD: 6,5 %
- Die Linke: 3 %
- Sonstige: 6 %

© JFB
Gewinne und Verluste gegenüber der Landtagswahl 2017 (in Prozentpunkten)
- Grüne: +10,1
- Sonstige: +1,4
- CDU: +-0
- AfD: −0,9
- Die Linke: −1,9
- SPD: −2,7
- FDP: −6,1
Regierungsbildung: Schwarz-Grün, Rot-Grün oder eine Ampel
Die CDU wird voraussichtlich mit mehrere Punkten Vorsprung, womöglich vier bis fünf, vor der SPD auf Platz eins landen. Dies wird jedoch nicht der ausschlaggebende Faktor sein. Denn die Königsmacher werden auf jeden Fall Die Grünen sein. Diese werden sich nicht nur auf Platz drei vorschieben, sie werden voraussichtlich um die 10 Punkte zulegen und die FDP sehr weit hinter sich lassen.
Die Freien Demokraten werden massive Verluste erleiden. Wenn es ganz hart kommt, können sie etwa die Hälfte ihrer Wähler verlieren. 2017 kamen sie auf 12,6 Prozent. Viel mehr als 6 bis 7 Prozent werden dieses Jahr aber nicht möglich sein. Das aber heißt, selbst wenn die CDU ihr Ergebnis von 2017 (knapp 33 Prozent) halten oder sogar leicht steigern kann, wird es für Schwarz-Gelb unmöglich für eine Mehrheit im Landtag reichen.
Für eine Mehrheit der Sitze im Landtag wird es ca. 45,5 bis 46 Prozent der gültigen Stimmen brauchen, da die Stimmen für Die Linke (um die 3 Prozent) und für die sonstigen Klein- und Kleinstparteien (ca. 6 Prozent) im Landtag nicht abgebildet sein werden. 46 Prozent sind für Schwarz-Gelb aber kaum im Bereich des Erreichbaren, selbst wenn wir eine Fehlerquelle bei der Prognose von Wahl-O-Matrix und einen zusätzlichen Schub im letzten Moment vor der Wahl mit einrechnen. Laut Wahl-O-Matrix-Prognose, die sich an den fünf aktuellsten Umfragen und den jeweiligen Tendenzen der letzten Tage orientiert, kommt Schwarz-Gelb auf ca. 39,5 Prozent. Das ist zu weit weg von 46 Prozent, als dass dies noch wettgemacht werden könnte. Da mit der AfD niemand koalieren wird, bleiben somit nur drei Möglichkeiten für eine Koalitionsbildung: Schwarz-Grün, Rot-Grün oder eine Ampelregierung.
Die entscheidende Frage morgen wird lauten: Reicht es für Rot-Grün für eine Mehrheit der Sitze im Landtag?
Die Grünen tendieren in NRW wohl eindeutig zur SPD. Das aber heißt, sobald Rot-Grün eine Mehrheit im Landesparlament haben wird, werden sie wie schon 1995 bis 2005 und 2010 bis 2017 eine rot-grüne Landesregierung bilden. Somit ist die entscheidende Frage: Kommen SPD und Die Grünen zusammen auf über ca. 45,5 bis 46 Prozent? Reicht es für Rot-Grün für eine Mehrheit der Sitze?
Falls es nicht ganz reichen sollte – und die Wahl steht wohl wirklich auf Messers Schneide, laut Wahl-O-Matrix-Prognose kämen SPD und Die Grünen zusammen auf ca. 45 Prozent -, dann bleibt im Grunde als realistische Option nur Schwarz-Grün oder eine Ampel. Denn eine schwarz-rote GroKo werden weder CDU noch SPD wollen. Damit wird es auf Die Grünen und auf die FDP ankommen, ob die Grünen bereit sind, mit der CDU eine Koalition zu bilden oder ob die FDP bereit ist, mit SPD und Grünen ein Bündnis zu bilden.
Kurzum: Kommen SPD + Grüne auf mehr gültige Stimmen und mehr Sitze im Landtag als CDU + FDP + AfD, dann werden wir in NRW Rot-Grün bekommen. Kommen aber CDU + FDP + AfD auf mehr gültige Stimmen als SPD + Grüne und mehr Landtagssitze, dann werden wir eine schwarz-grüne NRW-Landesregierung bekommen oder eine Ampel, weil die Stimmen für Die Linke und die anderen Klein- und Kleinstparteien, die alle weit unter fünf Prozent bleiben, für die Sitzverteilung im Landtag keine Rolle spielen.
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