Von Jürgen Fritz, Do. 10. Jun 2021, Titelbild: Anemone123, Pixabay, CC0 Creative Commons
Die Prognose (aus altgriech. πρόγνωσις = prognosis = Vorwissen oder Voraus-Kenntnis) ist eine Aussage über Ereignisse oder Entwicklungen in der Zukunft. Die Prognose sagt also nicht etwas darüber aus, was im Moment der Fall ist, sondern was zukünftig der Fall sein wird. Das tut die Prophezeiung auch. Auch sie trifft eine Aussage nicht über die Gegenwart, sondern über die Zukunft. Was ist dann also der Unterschied? Und was besagen Umfrageergebnisse?
Prognosen unterscheiden sich von Prophezeiungen durch ihren wissenschaftliche Basis
Die Prognose unterscheidet sich von der Prophezeiung, die beispielsweise Resultat eines Traums, einer Eingebung oder eines Gefühls sein kann, durch ihre Wissenschaftsorientierung. Die Basis einer validen Prognose bilden Fakten, die meist mit formalisierten Methoden zur Erstellung von Datenmaterial erhoben werden, zum Beispiel Befragungen.
Auf diesen Grundlagen können dann mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit Voraussagen über die Zukunft gemacht werden, wobei Prognosen umso ungenauer werden, je weiter das prognostizierte Ereignis in der Zukunft liegt, weil sich die Meinungen der Befragten ja mit der Zeit ändern können, insbesondere wenn etwas Einschneidendes passiert, siehe beispielsweise die Pandemie, welche die politische Meinung vieler Menschen innerhalb weniger Monate stark verändert hat. Und die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Einschneidendes passiert, ist umso größer, je länger der Zeitraum zwischen Befragung und prognostiziertem Ereignis ist. Und was ist nun das Ergebnis einer Umfrage?
Umfrageergebnisse sind keine Zukunfts-, sondern Gegenwartsaussagen
Befragungsergebnisse sind überhaupt keine Zukunftsaussagen. Das wird oftmals falsch verstanden. Umfrageergebnisse werden ebenfalls aus Daten gewonnen, die mit wissenschaftlichen Methoden eruiert wurden, sie geben aber Auskunft nicht über die Zukunft, sondern über die Gegenwart.
In der Sonntagsfrage wird z.B. gefragt, wen man jetzt wählen würde, wenn heute oder am kommenden Sonntag Wahlen wären. Das kann ein Befragter recht sicher sagen. Er kann natürlich auch die Auskunft verweigern, Stichwort: Schweigefaktor. Personen, die zu einer Partei tendieren, die von der Allgemeinheit wenig Akzeptanz erfährt, neigen viel öfter dazu, gar keine Auskunft geben zu wollen, als die Anhänger anderer Parteien, die allgemein als sehr akzeptiert gelten. Oder der Befragte kann zwar Auskunft geben, in dieser aber lügen, weil er nicht schräg angeguckt werden will, Stichwort: social desirability bias = Antwort- und Verzerrungstendenz der angenommenen sozialen Erwünschtheit.
Denn Menschen sind Wesen, welche nicht nur ein Bewusstsein ihres eigenen Bewusstseins haben, sondern denen auch bewusst ist, dass andere ebenfalls ein solches Bewusstsein haben, und die Vorstellungen und Erwartungen anderer wahrnehmen, erahnen, von ihnen wissen können und dies in ihr eigenes Verhalten und ihre eigenen Handlungen mit einbeziehen, zum Beispiel um Erwartungen nicht zu enttäuschen oder aus Furcht, im Ansehen anderer zu sinken. All dies führt zu diesem Schweigefaktor und zu dieser Verzerrungstendenz der angenommenen sozialen Erwünschtheit, weil man als soziales Wesen, das Menschen von Natur aus sind, kein Außenseiter sein respektive nicht aus der Gemeinschaft irgendwie ausgegrenzt werden will.
Repräsentative Umfragen geben aufgrund von Befragungen eines Teils und mittels Hochrechnungen nach bestimmten Kriterien Informationen über die Gesamtheit
Dies beides wird von Forschungsinstituten wiederum mit einkalkuliert und mit hochgerechnet. Repräsentative Umfrageergebnisse geben nicht einfach wieder, was die tausend oder zweitausend Befragten sagten – dann wären sie noch nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, sofern die Befragtengruppe nicht so ausgesucht wurde, dass sie sich exakt so zusammensetzt wie die Wahlberechtigten insgesamt -, sondern repräsentative Erhebungen gewichten etliche Faktoren mit, so vor allem die Zusammensetzung der Befragtengruppe nach a) männlich-weiblich, b) Alter, c) berufliche Stellung (Arbeiter, Angestellter, Beamter, Selbstständiger), d) Wohnort: Stadt-Land, Ost-West, Nord-Süd … usw. usf. Und auch den Schweigefaktor und die Verzerrungstendenz der sozialen Erwünschtheit werden mit in die Kalkulation und Berechnungen mit einbezogen.
Wenn der Befragte ehrliche Auskunft gibt, was er im Moment tun würde, wenn jetzt Wahlen wären, so ergibt sich daraus eine wahre Information und wie viele der Befragten tatsächlich solch eine wahre Information über ihre eigene augenblickliche politische Tendenz geben, kann wiederum aus Vergangenheitswerten, also aus empirischen Daten meist recht gut abgeschätzt werden. Eine wahre Information darüber, was ich in drei, sechs oder zwölf Monaten tun werde, kann ich, wenn ich jetzt befragt werde, dagegen meist gar nicht geben, weil ich ja gar nicht wissen kann, was bis dahin alles passiert und wie ich dann denken und bewerten werde. Was ich im Moment tun würde, kann ich wissen und wahrheitsgemäß angeben. Was ich in einem viertel oder halben Jahr oder gar in zwei Jahren tun werde, kann dich dagegen gar nicht sicher wissen und daher auch nicht sicher angeben. Daher wird in Umfragen auch nicht gefragt, wen man in einigen Monaten (oder Jahren) wählen wird, sondern wen man jetzt wählen würde.
Aus diesen Jetzt-Daten sind wiederum Rückschlüsse auf die nahe Zukunft möglich
Aus diesen Daten können dann aber natürlich wieder Rückschlüsse auf die Zukunft geschlossen werden. Wenn heute nur 14,x Prozent die SPD wählen würden, dann ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass es in drei Monaten plötzlich 30 Prozent sein werden. Aus 14,x Prozent können natürlich 13 oder 17 Prozent werden, vielleicht auch 12 oder 18, 10 oder 20, je nachdem was diese Partei in den nächsten Monaten anstellt, was über sie publik wird und was sich allgemein ereignet, wie die gesellschaftliche und politische Lage sich entwickelt. Dass aber aus 14,x Prozent innerhalb weniger Monate 4 oder 30 Prozent werden, ist eher unwahrscheinlich. Nicht völlig unmöglich, aber eben sehr unwahrscheinlich, so ähnlich wie es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine Fußballmannschaft, die nach 60 Minuten 0:5 zurück liegt, das Spiel noch gewinnen wird.
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