Marilyn Monroe, Elvis Presley und die Libido

Von Herwig Schafberg, Do. 04. Aug 2022, Titelbild: The Marilyn Monroe Channel-Screenshot

Heute vor 60 Jahren starb Marilyn Monroe, vor 45 Jahren Elvis Presley. Beide zeigten im Film sowie auf der Bühne nicht bloß künstlerisches Talent, sondern auch Sex Appeal und wurden damit in den fünfziger Jahren zu Kultfiguren. An ihrem Kultstatus hat sich bis heute nichts geändert. Ein Nachruf von Herwig Schafberg.

Zum 60. Todestag von Marilyn  am 4. August und zum 45. Todestag von Elvis am 16. August

Da Frauen zu Shakespeare`s Zeit nicht auf der Bühne auftreten durften, mussten Männer weibliche Rollen übernehmen. Unter den Umständen blieb auch Romeo nichts anderen übrig, als sich bühnenwirksam in die von einem Mann verkörperte Julia zu verlieben.

Der Hays-Code

Die Zeiten, in denen Frauen Schauspielerei nicht gestattet war, sind längst vorbei. Und das ist gut so! Denn welcher Mann wäre in der Lage, eine weibliche Rolle so verführerisch zu spielen, wie es insbesondere Marilyn Monroe (01.06.1926 – 04.08.1962) vermochte? Doch allzu aufreizend durfte das auch zu ihrer Zeit nicht sein – jedenfalls nicht in den USA. Dort durfte in Filmen nichts gezeigt werden, was nach dem sogenannten Hays-Code als vulgär oder obszön galt. Daher war es für Drehbuchautoren und Filmregisseure eine große Herausforderung, durch Darstellerinnen im Film an die männliche Libido appellieren zu lassen, ohne Schwierigkeiten mit der Filmaufsicht zu bekommen oder Aufrufe zum Boykott von Kinobesuchen zu riskieren.

Dass Marlene Dietrich zwanzig Jahre zuvor in Deutschland – auf einer Tonne sitzend – ihre üppigen Schenkel ungeniert zeigen, sie schlüpfrig öffnen und dann ebenso aufreizend zusammenpressen durfte, als sie in dem Film Der blaue Engel die fesche Lola spielte (1930), wäre in Amerika vermutlich so gar nicht erst inszeniert worden.

Dort sollten Darstellerinnen zwar auch ihre Reize zeigen, dabei aber so tun, als wäre das aus Versehen passiert: Wie etwa Katherine Hepburn, als sie in dem Film Bringing up Baby (Leoparden küsst man nicht, 1938) die Schleppe an ihrem Kleid verlor, so dass ihre Beine zu sehen waren, und dann so tat, als wäre sie darüber erschrocken, in Gary Grant jedoch einen Filmpartner hatte, der sich dicht hinter sie stellte, um ihre Blöße vor den Blicken anderer zu verbergen.

Der Monroe-Effekt

Scheinbar aus Versehen geschah es auch, dass Marilyn Monroe der Rock hoch wehte und ihre Beine zu sehen waren, als sie in dem Film The Seven Year Itch (Das verflixte 7. Jahr, 1955) über einem Luftschacht der New Yorker U-Bahn stand. Was damit erreicht wurde, ging in die Filmgeschichte als Monroe-Effekt ein. Und anzüglich, aber nicht obszön wirkte es, wie sie in dem Film unbedarft erzählte, dass sie während der Hitzeperiode ihre Unterwäsche zur Abkühlung (!) in den Eisschrank gelegt hätte.

Dass Marilyn mit ihrem Sex Appeal insbesondere an die männliche Libido zu appellieren verstand, ohne sich auszuziehen, bewies sie ferner im Film Some like it hot (Manche mögen’s heiß), als sie kaum nachahmbar hüftschaukelnd einen Bahnsteig entlang ging und mit dem Anblick sowohl ihre Filmpartner Tony Curtis und Jack Lemmon als auch Millionen Kinobesucher in aller Welt entzückte.

Doch es war nicht nur ihr Hinterteil, das sie in diesem Film gekonnt in Szene setzte, sondern auch ihr hübsches Gesicht und ihre verführerisch wirkende Mimik, mit der sie auf der Bühne ins Mikrophon mehr piepste als sang: „I wanna be loved by you, just you, nobody else but you“ (1958). Der Mann ihrer Sehnsucht sollte nach Möglichkeit Millionär sein, wie sie sich nicht nur als Darstellerin in diesem Film wünschte, sondern schon zuvor in Gentlemen prefer Blondes (Blondinen bevorzugt) sowie How to Marry a Millionaire (Wie angelt man sich einen Millionär) gewünscht hatte (1952/53). Dazu passend sang sie Diamonds are a Girl`s best Friend.

Sex sells

Marilyn Monroe hätte gerne gezeigt, dass sie mehr konnte, als immer wieder Rollen in Filmkomödien zu spielen, in denen sie auf Wunsch der Filmproduzenten und wohl auch des Publikums eine laszive sowie naive Blondine darstellen sollte. Doch selbst im Kriminalfilm Niagara hatte man nicht darauf verzichtet, sie als verführerische Frau in Szene zu setzen (1953). Der Schriftsteller Arthur Miller, mit dem sie in dritter Ehe verheiratet war, schrieb ihr zuliebe das Drehbuch für den gesellschaftskritischen Film Misfits (Nicht gesellschaftsfähig, 1961), in dem Marilyn an der Seite von Clark Gable und Montgomery Clift ihre künstlerischen Fähigkeiten anders zeigen konnte als zuvor; der Film war jedoch an den Kinokassen nicht erfolgreich.

Der Misserfolg schien das Vorurteil zu bestätigen, dass Filme mit Marilyn ohne fokussierte Inszenierung ihres Sex Appeals beim Publikum nicht so gut ankämen. Sex sells, wie man in Hollywood wusste. Und für einen neuen Film mit ihr – Something Got to Give – warb man mit Bildern, auf denen sie halbnackt zu sehen war. Solche Bilder öffentlich zu zeigen, war zwar Anfang der sechziger Jahre immer noch gewagt, sollten aber dazu beitragen, ihr Image als Sexbombe noch einmal aufzupolieren.

Good bye, Norma Jean

Es war allerdings abzusehen, dass sie mit zunehmendem Alter an Sex Appeal verlieren und dann nicht mehr als Kassenmagnet wirken würde. Hinzu kam, dass sie in wachsendem Maße Barbiturate zu sich nahm, Probleme bekam, sich Texte zu merken, und zu den Dreharbeiten immer häufiger mit Verspätung oder gar nicht erschien.

Diese verhängnisvolle Entwicklung trug dazu bei, dass die Filmproduktionsfirma ihren Vertrag kündigte, so dass Something Got to Give unvollendet blieb. Und sie endete wenige Wochen später – am 4. August 1962 – damit, dass sie im Alter von 36 Jahren an einer Überdosis Barbiturate starb. Es ist bis heute nicht völlig geklärt, ob sie versehentlich zu viel davon eingenommen oder es (wahrscheinlich) mit Absicht getan hatte, weil sie mit ihrem Leben nicht zurecht kam und es beenden wollte – nach drei gescheiterten Ehen, mehreren Fehlgeburten und einer Filmkarriere, die ebenfalls nicht so verlaufen war, wie sie sich das gewünscht hatte.

Doch sie lebt nicht bloß in den Filmen weiter, in denen sie mitspielte, sondern auch in Legenden, die in Büchern, Filmen und Liedern über sie erzählt wurden. Dazu gehörte beispielsweise ein Film mit dem Titel Good bye, Norma Jean. So war sie genannt worden, bevor sie den Künstlernamen Marilyn annahm. Good bye, Norma Jean heißt es auch in dem Lied Candle in the Wind, mit dem Elton John ihr ebenso ein musikalisches Denkmal setzte wie später in der gleichen Weise Prinzessin Diana. Bezeichnend für den Kult um Marilyn sind ferner die Bilder, in denen Fotographen und andere Künstler wie etwa Andy Warhol die Erinnerung an sie wachhielten.

Elvis the Pelvis

Kaum war Marilyn Monroe in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre als laszive sowie naive Blondine zu einer der am meisten umschwärmten Hollywood-Stars aufgestiegen, trat in Memphis /Tennessee ein junger Sänger namens Elvis Presley auf, der mit lauter Stimme und lasziven Bewegungen die Teenies zum Schwärmen brachte.

Es gab nun auf der einen Seite Marilyn, die mit ihren Blicken und Bewegungen wie kaum eine andere in jener Zeit die männliche Libido erregte, aber ohne gegen die „guten Sitten“ jener Zeit zu verstoßen – die insofern das tat, was man(n) in Hollywood von ihr erwartete. Und auf der anderen Seite bekamen die Sittenwächter es mit Elvis zu tun, der mit seinen rhythmischen Becken- und Beinbewegungen die schamhaft unterdrückte Libido von Mädchen in Erregung versetzte und sich damit zum Entsetzen von Eltern sowie Behörden auf der Bühne höchst „unsittlich“ benahm.

Er würde sich nie so bewegen, dass seine Mutter sich für ihn schämen müsste, wandte Elvis ein, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihm der Spitzname „Elvis the Pelvis (deutsch: das Becken) verpasst wurde.

The King of Rock ’n’ Roll

Dass Elvis als einer der ersten Sänger Country-Klänge von Weißen mit Rhythm and Blues von Schwarzen verband und dazu beitrug, Weiße beiderseits des Atlantiks für „Negermusik“ – wie man sie auch bei uns abfällig nannte – zu begeistern, mochte vielen Befürwortern der Rassentrennung nicht gefallen, war strafrechtlich aber nicht zu beanstanden.

Dass er sich jedoch als weißer Junge auch noch auf offener Bühne so bewegte, wie man es Schwarzen und Schwulen nachsah, soweit die einen und die anderen unter sich blieben, ging vielen anderen ebenfalls zu weit. Mit Rücksicht auf deren sittliche Empfindungen wurde Elvis bei einigen Konzertauftritten im Fernsehen nur von der Hüfte aufwärts gezeigt. Und mancherorts drohte man ihm Auftrittsverbote und Arreststrafen an, falls er sich auf der Bühne weiter so „pervers“ bewegte und „Lust“ erregte, vor der insbesondere Mädchen bewahrt werden müssten.

You are looking for Trouble, you came to the right place“, sang der aufsässige Junge in dem Song, der mit dem Titel Trouble in den Charts weit nach oben kam, und betonte an anderer Stelle: „I was born standing up“. Es waren Songs wie dieser, mit denen Elvis nicht bloß reihenweise Mädchen erregte, sondern auch massenhaft Jungen aufreizte und zur Identifikationsfigur der Rock ’n’ Roll-Bewegung in den fünfziger Jahre wurde. Dass er damals als Gegenstück zu den harten Rock ’n’ Roll-Klängen und Rhythmen mit sanftem Sound Christmas-Songs sang, ging im Trubel um den King of Rock ’n‘ Roll beinahe unter.

Elvis has left the building

„I am evil, evil, evil, evil“, sang er in dem genannten Lied und „I take no orders from no kind of man“. Das sollte sich allerdings ändern, als er ab 1958 Militärdienst leistete, in dem man ihm beibrachte to take orders. Und der evil-boy zeigte sich offensichtlich als braver Junge, nachdem man ihm in Hollywood den Schneid abgekauft hatte. In den Filmrollen, die er während der sechziger Jahre spielte, war weniger ein junger Rebell wie James Dean zu sehen, sondern viel mehr ein Sonnyboy, an dem Mütter ebenso Gefallen fanden wie ihre Töchter.

Gegen wen sollte er denn auch noch rebellieren in einer Zeit, in der ihm mittlerweile halb Amerika zu Füßen lag und Polizisten ihn nicht mehr wegen seines „unsittlichen“ Benehmens von der Bühne holen wollten, sondern ihn eskortierten – zum Schutz vor weiblichen Fans, die mit ihm älter wurden und sich nichtsdestoweniger persönlich angesprochen fühlten, wenn er vor ihnen auf der Bühne So, my Darling, please surrender sang, Falling in love with you oder Are You lonesome tonight? Seit dem Ende der sechziger Jahre ging Elvis – nach längerer Pause – wieder auf Tournee und verließ nach jedem Konzertauftritt fluchtartig das Gebäude, um übergriffigen Fans zu entgehen, während ein großer Teil des Publikums wie gebannt im Saal blieb, bis die erlösende Durchsage kam, die es im Laufe der Zeit zum geflügelten Wort brachte: „Elvis has left the building!“

Reflektiert und nicht so rebellisch wie einst gab er sich, wenn er In the Ghetto sang oder – wohl in Anspielung auf Martin Luther King’s Traum (I have a Dream) – „If I can dream of a better land where all my brothers walk hand in hand“. Elvis war auch nicht mehr „the Pelvis“, dessen Bewegungen mit zunehmendem Alter und ebenso zunehmender Leibesfülle ohnehin nicht mehr so lasziv wirken konnten wie früher. Dass seine Stimme gleichfalls an Volumen zugenommen hatte, zeigte er beispielsweise mit Liedern wie It`s Now or Never und im Besonderen mit dem Gospelsong How great Thou art. Das ließe sich zu ihm ebenso gut sagen!

Der Tag, an dem Elvis nach Bremerhaven kam

Am 16. August 1977 verließ Elvis seine Fans, seine Freunde sowie seine Familie für immer und starb im Alter von 42 Jahren an Herzversagen, erzielt jedoch nachhaltig große Wirkung mit Ton- und Bildaufzeichnungen: Mit seinen Liedern, von denen viele – beispielsweise im Zusammenwirken mit dem Royal Philharmonic Orchestra – neu vertont wurden, sowie mit Videoaufzeichnungen seiner Konzerte. Zu nennen sind außerdem die Filme, in denen er selber mitspielte, aber auch Filmdarstellungen seines Werdens und Wirkens, in denen last not least Austin Butler als Elvis eine Titelrolle übernahm.

Der Kult um seine Person ging so weit, dass Elvis sogar zur Titelfigur eines Films wurde, obwohl er im Rahmen der Handlung kaum in Erscheinung trat: Der Tag, an dem Elvis nach Bremerhaven kam (1979). Im Hafen der Stadt war er 1958 als junger Soldat gelandet, um seinen Militärdienst in Westdeutschland zu absolvieren, und dort von tausenden Fans begeistert empfangen worden. Während der Dienstzeit hierzulande lernte er übrigens die Kindfrau Priscilla kennen, mit der er später eine Weile verheiratet war und eine Tochter bekam, in deren Person ebenfalls etwas von ihm weiterlebt.

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Zum Autor: Herwig Schafberg ist Historiker, war im Laufe seines beruflichen Werdegangs sowohl in der Balkanforschung als auch im Archiv- und Museumswesen des Landes Berlin tätig. Seit dem Eintritt in den Ruhestand arbeitet er als freier Autor und ist besonders an historischen sowie politischen Themen interessiert. Zuletzt erschien von ihm sein Buch Weltreise auf den Spuren von Entdeckern, Einwanderern und Eroberern.

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