Iran: Aktivist nimmt sich aus Protest gegen die islamische Diktatur das Leben

Von Jürgen Fritz, Mi. 20. Nov 2024, Titelbild: Dawn News-Screenshot

Kianush Sanjari (42) war ein iranischer Journalist und Menschenrechtsaktivist. Er wurde im Iran mehrfach verhaftet, in Einzelhaft gesteckt, in die Psychiatrie verbracht, gefoltert. Letzte Woche hat er sich nun aus Protest gegen die islamische Diktatur selbst das Leben genommen. Dies waren seine letzten Worte …

Sanjaris letzte Worte auf X

… lauteten:

„Wenn Fatemeh Sepehri, Nasrin Shakerami, Toomaj Salehi und Arsham Rezaei heute bis 19 Uhr nicht aus dem Gefängnis entlassen werden und die Nachricht ihrer Freilassung nicht auf der Website der Justizbehörde veröffentlicht wird, werde ich aus Protest gegen die Diktatur von Chamenei und seinen Verbündeten mein Leben beenden. Vielleicht ist es ein Weckruf! Es lebe Iran!“

Ali Chamenei ist als „Oberster Führer“ seit 1989 das politische und religiöse Oberhaupt des mehrheitlich schiitischen Iran. Chamenei ist in dem Sinne auch „Revolutionsführer“ sowie höchste geistliche Instanz im Range eines Ajatollah und der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte.

Immer wieder verhaftet, dann aus dem Iran geflohen und nach seiner Rückkehr gleich wieder verhaftet

Zwischen 1999 und 2007 wurde Kianush Sanjari im Iran mehrmals von den Sicherheitskräften verhaftet. Zwei Jahre verbüßte er im Evin-Gefängnis. Dann floh er aus dem Iran nach Irakisch-Kurdistan. Von Amnesty International erhielt er Asyl und reiste nach Norwegen, später in die Vereinigten Staaten. 2016 kehrte er in den Iran zurück, um seine alternde Mutter zu pflegen, nachdem er mehrere Jahre für persisch-sprachige Medien im Ausland gearbeitet hatte.

Nur wenige Tage nach seiner Ankunft in Teheran wurde er von Agenten des Geheimdienstes erneut verhaftet und in die Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses gebracht. Dort wurde er verhört und nach einer nur wenige Minuten dauernden Verhandlung verurteilte ihn die Abteilung 26 des Revolutionsgerichts zu elf Jahren Gefängnis.

In ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht, ans Bett gefesselt und gefoltert

Anfang 2019, nachdem er drei Jahre seiner Strafe verbüßt hatte, erkrankte Sanjari, und der Gefängnisarzt entschied, ihm müsse eine medizinische Beurlaubung gewährt werden. Stattdessen wurde er aber kurzerhand in das psychiatrische Krankenhaus Aminabad verlegt. Sanjari beschrieb dies wie folgt:

„Eines Tages legten sie mir Handschellen an, setzten mich in ein Auto und brachten mich unter Bewachung in das psychiatrische Krankenhaus Aminabad, auch bekannt als Razi. Sie brachten mich direkt auf die Station und zwei Soldaten bewachten mich. In der Nacht spritzte mir die Krankenschwester etwas, das meinen Kiefer praktisch blockierte. Nach der Injektion wurde ich bewusstlos, und als ich am Morgen aufwachte, sah ich, dass meine Hände und Füße ans Bett gefesselt waren.“

Er beschreibt diesen Moment als den „schmerzhaftesten“ seines Lebens. Auf Anordnung des Medizinischen Sonderausschusses wurde Sanjari noch mehrere Male ins Krankenhaus eingeliefert. Er berichtete, dass er während eines dieser Krankenhausaufenthalte neunmal Elektroschocks erhielt.

Sie führen Krieg gegen die Seele, gegen den Geist von Menschen

Später wurde Sanjari aus medizinischen Gründen freigelassen. Er musste aber regelmäßig im Evin-Gefängnis erscheinen und sich bei dem Büro melden, das für die Überwachung von Personen zuständig ist, welche wegen Sicherheitsdelikten verurteilt oder angeklagt wurden.

Über das, was ihm in der Haft angetan wurde, äußerte er sich wie folgt: „Ich habe das Gefühl, dass die Einzelhaft – die einen Krieg gegen die Seele und den Geist eines Menschen führt – die unmenschlichste Form der weißen Folter für Menschen wie mich sein kann, die nur deshalb verhaftet werden, weil sie die Rechte der Bürger [verteidigen]. Ich hoffe nur, dass der Tag kommt, an dem niemand mehr für die friedliche Äußerung seiner Ideen in Isolationshaft gesteckt wird.“

Heute vor einer Woche, am 13. November 2024, beendete Kianush Sanjarie im Alter von 42 Jahren sein Leben, indem er von einem Gebäude sprang.

„Die Islamische Republik ist eine Tötungsmaschinerie“

Die Exil-Iranerin Nida Banou schreibt auf X:

»Die Islamische Republik, die Besatzung des Iran, ist eine Tötungsmaschinerie, die alles Iranische – von Mensch, Kultur und Identität – vernichten will. Wie sagte Khomeini (politischer und religiöser Führer der Islamischen Revolution von 1979 und Gründer der Islamischen Republik Iran) einst? „Ich brauche keine Iraner, ich brauche Muslime.“

Aus dem Feuer des unerbittlichen Widerstands gegen das Regime, aus der Liebe zu seinen Landsleuten, aus seiner großen Sorge um seine Mitkämpfer (politische Gefangene) und seine Sorge um die Zukunft Irans, hat Kianoosh Sanjari, Journalist und Menschenrechtsaktivist, sich heute in Teheran das Leben genommen. Er hat Wort gehalten … 💔 – Ruhe in Mut, Ehre und Frieden, Sohn des Iran … Dein Opfer wird nicht umsonst gewesen sein.«

Moskau: 68-jährige Kinderärztin wird zu fünfeinhalb Jahren Straflager verurteilt, weil sie angeblich die Armee kritisiert habe

Nahezu zeitgleich berichtete die ARD-Auslands-Korrespondentin Ina Ruck folgendes aus Moskau:

»Nadjeschda Bujanowa, 68-jährige Kinderärztin aus Moskau, wurde gerade eben zu fünfeinhalb Jahren Straflager verurteilt. Sie soll in einem Patientengespräch gegenüber der Mutter eines Jungen die Armee kritisiert haben. Einige Frauen rufen „Schande!“ noch im Gerichtssaal, sofort schreitet ein bewaffneter Gerichtsdiener ein: „Ist alles gefilmt. Wir werden die Überwachungskameras auswerten, wir werden alle finden, die hier gerufen haben“.

Wir fragen uns, wie wir unter diesen Umständen überhaupt noch Interviews mit Unterstützerinnen Bujanowas und Prozessbesuchern machen können? Viele bleiben nach dem Urteil draußen in der Kälte vorm Gericht: „Hier bin ich wenigstens von anständigen Leuten umgeben“, sagt eine. Übrigens werden zur Urteilsverkündung sonst immer Kameras zugelassen. Hier nicht – die Richterin verlas ihr Urteil schnell, noch bevor die Kamerateams in den Saal gelassen wurden. Selbst für russische Verhältnisse ungewöhnlich. Hab ich noch nie erlebt.«

Der Zusammenhang

Was diese zwei Fälle verbindet? Wir sehen hier zwei Ausprägungen des Faschismus, des Islamofaschismus und des russischen Faschismus. Wenn Ihnen dieser Ausdruck nicht gefällt oder Sie ihn für nicht richtig appliziert erachten, können Sie ihn gerne durch autoritäre, freiheits- und menschenrechtsfeindliche Systeme substituieren. Beide negieren freiheitliche Demokratien, beide negieren die universale Geltung der Menschenrechte. Und: beide, Putins Russland und die der „islamische Gottesstaat Iran“, bekämpfen die freiheitliche, westliche Welt. Der islamische Iran beliefert Russland seit langem mit Kampfdrohnen und ist neben dem kommunistischen Nordkorea und dem kommunistischen China der wichtigste Verbündete Russlands.

Alle vier (CRINK) haben uns, der freien Welt, den Krieg angesagt. Und sie haben in ihren eigenen Ländern allen, die sich dem jeweiligen kommunistischen oder faschistischen Regime nicht bedingungslos unterwerfen, den Krieg angesagt und exekutieren dabei ohne jede Rücksicht auf Verluste an Menschenleben, weil das einzelne Menschenleben für sie – das verbindet sie alle vier – überhaupt keinen besonderen Wert darstellt und weil ihnen der Begriff Menschenwürde (Selbstbestimmung) vollkommen fremd ist.

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