Künstler sind keine Denker – unser Grundproblem ist ein solches intellektueller Natur

Von Jürgen Fritz

Gestern strahlte Arte einen wunderbaren Film über Sting aus und Katja Riemann erklärte, warum die Deutschen so schrecklich sind, dass sie es unter ihnen alleine unmöglich aushalten könne. Was hat es mit unseren Künstlern auf sich und wird an ihnen womöglich das Grundproblem der westlichen Welt wie durch ein Brennglas sichtbar?

Sting – was für ein wunderbarer Musiker und Mann!

Was für ein wunderbarer Musiker und Mann! Unglaublich faszinierend. Ich liebe seine Musik. Egal, was er musikalisch anpackt, es wird immer gut, immer interessant, immer besonders. Stets unterwegs zu neuen musikalischen Ufern. Toll!

Was mir aber während des Films wieder deutlich wurde und das passt auch sehr gut zu dem Katja Riemann-Video von gestern: Dass er (und sie sowieso) manche Dinge, obschon er wirklich sehr intelligent, klug und weise ist, einfach nicht versteht. Aber das ist nicht seine Schuld und nicht die ihre. Wessen Schuld sonst?

Schuld am Niedergang des Westens sind die Intellektuellen, vor allem die Philosophen

Schuld ist meine Zunft. Schuld sind die Philosophen. Inwiefern? Weil wir die letzten Jahrzehnte furchtbar schlechte Philosophen hatten, oft aus dem Bereich der Soziologie (Sartre, Horkheimer, Adorno, Habermas …), bei denen ich mir manchmal gar nicht sicher bin, ob es sich wirklich um Philosophen handelt oder nicht eher um Soziologen mit philosophischem Anstrich, Personen die einerseits mehr Machtmenschen waren denn Wahrheitsliebhaber und die zum anderen tief traumatisiert waren von den fürchterlichen Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der unfassbaren NS-Verbrechen. In der Folge entwickelten sie völlig falsche Menschen- und Weltbilder sowie gesellschaftlichen Theorien, die geprägt waren aus ihren Traumata, welche wir endlich überwinden müssen. Hitler und seine Schergen halten uns noch immer gefangen und wir müssen uns endlich von ihnen befreien!

Künstler sind keine Denker

Durchschnittliche Menschen, auch Künstler, die über besondere künstlerische Begabungen verfügen – so wie Sting in ganz besonderem Maße – sind nicht in der Lage, große Gedanken zu entwickeln, das große Ganze zu sehen und vor allem in all seiner Komplexität zu verstehen. Aber die meisten Menschen haben doch ein Gespür dafür, wenn jemand etwas Richtiges sagt. Sie erkennen nicht immer, aber doch meist, wenn sie etwas Kluges, Wertvolles oder Richtiges hören, sofern es nicht zu weit von ihrem bisherigen Denken weg ist. Und Künstler sind meist mehr mit ihrer Innenwelt beschäftigt, versuchen, diese mit ihrer jeweiligen Kunst zu verarbeiten. Sie nehmen aber die Gedanken ihrer Zeit auf und vervielfachen diese, so dass ihnen eine sehr wichtige Funktion zukommt.

Entscheidend sind die Philosophen

Auch Einzelwissenschaftler sind nur bedingt fähig, das große Ganze zu sehen, zu verstehen und deuten zu können. Sie sind immer spezialisiert auf einen winzig kleinen Bereich, der noch dazu immer noch kleiner wird. Entscheidend sind die Philosophen. Sind die schlecht, wird nach unten hin auch das gesamte Gedankengebäude schlecht, da alle anderen – jeder auf seiner geistigen Stufe, die ihm gerade noch zugänglich ist – diese Ideen übernimmt. Die Menschen denken das in vereinfachter Form, was ihre überragenden Denker, die sich durchsetzen konnten, 20, 30, eher 50, 100 oder 200 Jahre zuvor dachten. Beispiel: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Dies ist eine Trivialisierung von David Hume, 18. Jahrhundert, die wahrscheinlich noch dazu falsch ist.

Deswegen ist übrigens auch Deutschland noch immer überragend, wenngleich dies immer mehr nachlässt. Weil es vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert die mit Abstand besten Denker der Welt hatte. Davon zehren wir noch immer.

Wir brauchen wieder erstklassige Denker und erstklassige kluge Vermittler

Was wir also brauchen, sind a) neue gute Denker von höchstem Rang und b) Vermittler, die das auf Stufe 15 Gedachte schrittweise nach unten weiter vermitteln. Hierbei kommt den Künstlern und Journalisten eine zweite Schlüsselfunktion zu, weil sie das auf Stufe 15, 14 und 13 Gedachte weiter nach unten brechen in den gehobenen mittleren Bereich, wo es die Lehrer aufnehmen und an die Kinder weitergeben usw. bis es irgendwann die gesamte Gesellschaft durchdringt.

Unsere gehobene Mittelschicht (geistiges Level ca. 8 bis 12), die die meisten Schlüsselpositionen der Gesellschaft inne hat, ist versaut von den schlechten Philosophen, die oft mehr Ideologen als Denker waren, und hat vor allem den Bezug zur Realität verloren. Die Menschen in der Mittel- und auch der Unterschicht spüren das, sind weniger von diesen falschen Gedanken beeinflusst, sind aber nicht in den Schlüsselpositionen und verfügen nicht über die geistige Kapazität, das der intellektuell gehobenen Mittelschicht dezidiert erklären zu können. Sie spüren es aber und sie haben Recht. Und die Hochintelligenten (Stufe 13 bis 15) haben sich meist zurückgezogen in ihre eigene Welt, siehe Sloterdijk (Stufe 15). Melden sie sich dann doch mal zu Wort, werden sie von den Feuilletonisten und Möchte-gern-Intellektuellen (Münkler und Konsorten) niedergemacht. Was ist zu also tun?

Die geistige Abkapselung muss aufgebrochen werden

Die Spitze muss sich mehr einmischen. Safranski und Sieferle melden sich ja zumindest ein klein wenig zu Wort, Letzterer aber quasi erst aus dem Grab heraus. Wir brauchen vor allem wieder überragende Denker, die überragende Gedanken entwickeln und diese nach unten weitergeben. Und wir brauchen exzellente Vermittler. Außerdem müssen wir wieder eine Kultur entwickeln, dass die Mitte und die unten alles Höhere besonders wertschätzen und nicht gering reden. Wir brauchen Qualität in sämtlichen Bereichen: geistig, künstlerisch, politisch, ökonomisch, handwerklich und vor allem ethisch. Und wir brauchen mehr Solidarität. Alle müssen sich als Mannschaft verstehen mit unterschiedlichen Aufgaben und Positionen. Der Torhüter muss keinen Kopfball können.

Sting und Riemann können nur bedingt etwas dazu, dass sie trotz ihrer Klugheit und ihres Talents an manchen Stellen so wenig verstehen. Sie sind Kinder ihrer Zeit und haben die Gedanken aufgenommen, die eben überall um sie herumschwirrten. Das machen Künstler fast immer. Andere müssen ihnen und all den anderen helfen, ihr Menschen- und Weltbild zu modifizieren, wenngleich die nichts modifizieren wollen, weil sie vollkommen von sich überzeugt und sich selbst gegenüber vollkommen kritikunfähig geworden sind. Das ist das größte Problem von allen: diese geistige Abkapselung. Diese gilt es aufzubrechen.

Der Schmerz wird unumgänglich sein

Das wird nicht ohne Schmerz vonstatten gehen. Den müssen wir diesen geistig Verkapselten zufügen, wenn wir unsere Kultur und unseren Kontinent retten wollen. Diese Verletzungen geschehen aber nicht um der Verletzung willen, sondern weil es sein muss, um diese fehlerhaften Muster zu zerbrechen, letztlich also zum Guten.

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Bild: Youtube-Screenshot

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15 Antworten auf „Künstler sind keine Denker – unser Grundproblem ist ein solches intellektueller Natur

  1. Benjamin Goldstein

    Künstler sind keine Denker. Das ist noch höflich ausgedrückt. Die sind wie sportler. Meryl Streep hatte ja so eine durchgeknallte Rede bei den Golden Globes gehalten und da sagt sie mit arrogantem Ton etwas in der Richtung: ‚Wenn hier alle verschwinden, habt ihr nur noch Football und Mixed Martial Arts‘. Der Saal johlte.

    Nur…..hm….selbst die MMA-Deppen sind auf Meryl Streeps geistigen Niveau. Es hat schon seinen Grund, dass die Frau erst in den letzten Jahren im Sinne der Linken sich öffentlich äußert und vorher nur Texte nachsprach. Sie hat zwar die richtige© Meinung, aber nicht das Hirn sie zu begründen. Also bringt sie ihre Meinung nie, wenn sie Gefahr läuft, dass jemand nachfragt, was sie meint. Schon geil, so.

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  2. gilbert808

    Philosophen u.a. subsummiert der Naturwissenschaftler nicht umsonst unter dem Begriff „Geschwätzwissenschaften“. Sich als Denker zu bezeichnen ist oft schon Ausdruck einer übersteigerten Hybris. Wer sich mal einige Details antun möchte, dem sei „Eleganter Unsinn“ von Alan Sokal und Jean Bricmont empfohlen.

    Um mal den grundsätzlichen Fehler der Geschwätzwissenschaftler klar zu machen, krame ich mal den Begriff der mathematischen Implikation heraus (wenn … dann … Schlussfolgerung), die zwei Aussagen verknüpft, wobei die zweite der Schluss aus der ersten ist. Die sieht nämlich so aus:

    1. Ausage wahr , 2. Aussage wahr -> Schlussfolgerung wahr
    1. Ausage wahr , 2. Aussage falsch -> Schlussfolgerung falsch
    1. Ausage falsch , 2. Aussage wahr -> Schlussfolgerung wahr
    1. Ausage falsch , 2. Aussage falsch -> Schlussfolgerung wahr

    Vereinfacht ausgedrückt: aus einer beliebigen Voraussetzung kann man jeden Schluss ziehen und liegt immer richtig. Und genau das ist die Methoden der Philosophie: man denke sich irgendeinen Zustand aus und formuliere irgendeinen Schluss, dem dieser Zustand zu Grunde liegen soll. Das muss nicht Hand und Fuß haben, es muss lediglich eloquent sein. Die Masse bewundert am Philosphen weniger den Gedanken als die vielen unbekannten komplizierten Worte, die dieser Mensch kennt.

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    1. Jürgen Fritz

      Bei allem Respekt, gilbert808, das ist nun genau Teil des Problems, welches in diesem Kommentar sehr schön exemplifiziert wird: Menschen sprechen über Dinge, von denen sie wenig, oft sogar gar keine Ahnung haben, so dass es dann genau darin endet: in Geschwätz.

      (Die Logik ist eine Teildisziplin der Philosophie und früher war es so – ich hoffe und vermute noch immer – dass der Logikschein Pfllicht war, um das Grundstudium abzuschließen.)

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      1. gilbert808

        Nun ja, wir müssen uns nicht über die dialektischen Kniffe, die Argumente des Anderen gegen ihn zu kehren, ohne viel aus dem Nebulösen aufzutauchen, auseinander setzen.

        Ich halte mich an die Mathematik, die ja keine Naturwissenschaft ist, sondern Philosophie, und zwar die reinste, die die Menschheit zustande gebracht hat, denn sie ist in sich völlig widerspruchsfrei. Von dem Rest der Philosophie kann man das nun nicht gerade behaupten, besteht doch ein Großteil der Argumentation von Philosoph A darin, mit blumigen Worten zu umschreiben, dass er seinen Kollegen B für das größte Schwachhirn auf Erden hält.

        Aber nochmal: die Logik mag in voller Übereinstimmung mit der Mathematik zum Grundstudium der Philosophie gehören, jedoch ist das gar nicht der Kritikpunkt. Was die Herren (und wenige Damen?) da von sich geben, mag logisch völlig korrekt sein, aber ihre Axiome sind einfach Unfug. Zugegeben, die Mathematik hat auch ca. 2.500 Jahre gebraucht, um eine vernünftige Axiomatik zustande zu bringen. Die Geduld hat nicht jeder.

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  3. Pingback: Künstler sind keine Denker – unser Grundproblem ist ein solches intellektueller Natur – Leserbriefe

  4. alma2014

    Ich glaube schon, dass Künstler denken, nur dürfen sie das was sie denken, sei es noch so logisch, so es nicht politisch korrekt ist nicht offen sagen – es gibt einige mutige Ausnahmen, wie Lisa Fitz oder Xavier Naidoo, die haben dann aber Auftrittsverbot in den ÖR-Staatspropagandasendern, Theatern usw., praktisch ein Berufsverbot.
    Aber 87% der ausgezählten Wählerstimmen finden das alles richtig. Und die Deutschen wurden einmal das Volk der Dichter und Denker genannt, das eigenständige Denken hat man den meisten gründlich ausgetrieben.

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  5. Helma Braun

    Definiere: „Künstler“ !

    Die Bezeichnung wird inflationär verschleudert, oft an antagonistische Exhibitionisten.

    Daß auf niederen emotionalen Ebenen geistige Überlegenheit als Bedrohung und nicht als erstrebenswert empfunden wird, führt nicht zu Ästhetik; aber es führt, der Logik gemäß,zu einem mitleidigen Lächeln der Philosophen.

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    1. gilbert808

      Ich versuche mich mal am Begriff des zeitgenössischen Künstlers (der streng zu trennen von dem früherer Zeiten ist):

      Ein Künstler zeichnet sich durch das völlige Fehlen jeglichen Schamgefühls aus, mit Sachen öffentlich aufzutreten, die in ihrer Qualität sonst allenfalls von Vorschulkindern geboten werden und auf die andere Erwachsene deshalb aus gutem Grund verzichten. Die Kunst besteht darin, Leute zu finden, die von dieser Dreistigkeit derart beeindruckt sind, dass sie den Quark finanzieren.

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  6. Benjamin Goldstein

    Vielleicht geb ich hier noch meinen Senf zu den Philosophen. Ohne Debattenkultur gibt es keine Exzellenz. In der Wissenschaft gibt es nur Exzellenz als Resultat von offenen Debatten. Im öffentlichen Raum ist das auch nicht anders. Ich weiß, dass ich jetzt vielen auf den Schlips trete, aber keiner der aktuell in Deutschland als Philosophen hausierenden Leute, hauen mich vom Hocker. Und das ist noch höflich ausgedrückt. Keiner würde zu einen Cambridge Talk eingeladen werden. Dorthin werden Reality TV Stars wie Katie Hopkins gebeten. Aber das liegt daran, dass Hopkins intellektuel auch was auf den Tisch legen kann.

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  7. bibinka

    Ich denke auch, bitte nicht alle über einen Kamm scheren, eben Xavier Naidoo, Andreas Gaballier, oder auch Marie Huana, die hat sogar schon vor längerer Zeit das Lied “ Demokratie“ herausgebracht, oder auch das Lied“ Konsum“ oder „Früher war alles viel besser“, sind zwar lustige Lieder, haben aber trotzdem einen ernsten Kern, bzw. eine ernste Aussage.
    „Für Arbeit gab es gutes Geld, dafür gabs die ganze Welt, heute ist es prekär, und dafür auch noch doppelt schwer.“
    Oder:
    „Wenn die Bürger doch nur wüssten, dass die Wirtschaftslobbyisten in Wirklichkeit das Land regiern“, usw.
    Allerdings ist es im Moment wirklich schwierig für Künstler.
    Man sieht es an Dieter Nuhr, vor ein paar Jahren hat er noch ganz anders geredet.
    Was sollen denn Künstler und auch andere Menschen machen, wenn man wegen „Kritik üben“ angeklagt wird?
    Dank dieses Irrsinns sind wir ja in dieser idiotischen Situation.
    Selbst das Verbrennen der israelischen Fahnen in Berlin hatte keine Konsequenzen. Warum sind nicht sofort Wasserwerfer eingesetzt worden?
    Ganz einfach, man hat Angst, dass Moslems sich überall erheben und Bürgerkriege beginnen.

    Aber, das ist der falsche Weg!

    Das Verhältnis zu meinem Vater war angespannt, aber ich habe meinem Mann quasi verboten etwas zu sagen, was das Ende zwar hinausgezögert hat, aber es auch schrecklicher machte!
    Seit dem weiß ich, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

    Noch eine kleine Leseempfehlung
    „Alles was Sie uns zumuten, sollten Sie millionenfach zurückbekommen“

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  8. Ralf Pöhling

    Eine absolut treffende Zustandsbeschreibung und ein folgerichtiger Aufruf.
    Wir leben in einer Gesellschaft, in der Hypothesen nicht mehr verifiziert oder falsifiziert, sondern von Anfang an als Erkenntnis verbreitet werden. Ideologie ersetzt Wahrheit und Ideologie wird nicht mehr hinterfragt.
    Was ist die Ursache? Die fehlende Kommunikation zwischen Geist und Körper, zwischen Kopf und Hand.
    Die Menschen holen ihr Weltbild nicht aus der praktischen Erfahrung, sondern aus der Theorie.
    Wie oft verweisen „Denker“ auf die Werke bekannter „Weltanschauer“ und Gesellschaftstheoretiker, wie etwa Marx, Hayek oder Hitler, ohne deren Hypothesen und Weltbilder jemals mit der geschichtlichen Erfahrung abzugleichen?
    Viel zu oft. Denn die Welt ist weit komplizierter, als es jeder noch so intelligente (oder verblendete) Gesellschaftstheoretiker jemals in ein Buch fassen könnte. Dennoch werden von der theoretisierenden Gesellschaft verbreitete Thesen kritiklos anerkannt und nicht mehr mit der Praxis abgeglichen, geschweige denn in Frage gestellt. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg war dies zumindest im Westen anders: Man hatte am eigenen Leib erfahren, was die kritiklose Umsetzung dessen anrichtete, was zur Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts an teils völlig wirren Thesen über die „Optimierung der Gesellschaft“ und den „neuen Menschen“ in die Welt abgelassen worden war. Die praktische Erfahrung hatte die Gesellschaftstheoretiker durch Krieg und Zerstörung in vielen Punkten widerlegt und der Konservativismus kehrte ein. Man hielt sich an das, was sich in der Praxis bewährt hatte und gab Westeuropa damit für lange Zeit den Frieden und den Wohlstand zurück.
    Konservativismus erfordert den Praxisabgleich. Dafür bedarf es der Kommunikation zwischen dem theoretisierenden und dem praktizierenden Teil der Gesellschaft. Zwischen Geist und Körper, zwischen Kopf und Hand. Ich sitze zur Zeit genau auf der Schnittstelle zwischen beiden Punkten und sehe nicht nur die Kommunikationsprobleme, sondern auch die daraus entstehenden Folgen.
    Das Gehirn braucht dringend die Rückmeldung des sensorischen Apparates. Die Überlegung, dass eine Herdplatte heiß ist und Verbrennungen verursacht, führt nicht zur finalen Erkenntnis. Einzig die Rückmeldung des sensorischen Apparates vermag die Erkenntnis zu liefern, dass die Herdplatte wirklich heiß ist.
    Wenn das Gehirn diese Rückmeldung nicht bekommt, bleibt nur die Ungewissheit. Und die Ungewissheit darf niemals der Maßstab für reales Handeln von gesamtgesellschaftlicher Tragweite sein. Sonst geht das schief. Genau wie damals.

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