Von Jürgen Fritz, Di. 15. Okt 2019, Titelbild: JFDA-YouTube-Screenshot
„Rechtsextremismus mit Linksextremismus bekämpfen zu wollen, wird ebenso wenig klappen, wie Feuerlöschen mit Benzin.“ (Rainer Wendt zur Unterstützung einer linksextremen Band durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 3. September 2018) – Linksradikalismus mit Rechtsextremismus bekämpfen zu wollen, wird ebenso wenig funktionieren, wie Feuerlöschen mit Benzin. (Jürgen Fritz)
Mitte – rechtsliberal – rechtspopulistisch – rechtsradikal – rechtsextrem
Die Ausdrücke „rechts“ oder „Rechte“, „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“ werden oft benutzt, doch nicht immer ist denen, die diese Worte in den Mund nehmen, was diese wirklich bedeuten. Betrachten wir diese Ausdrücke also mal etwas genauer und versuchen, sie semantisch ein wenig zu klären, sprich ihre Bedeutung etwas verständlicher zu machen und sie gegeneinander abzugrenzen.
Der Begriff des Rechtsextremismus enthält eine inhaltliche – politisch rechts stehend – und eine formale Komponente – extrem weit rechts. Beide Bestandteile sind nicht eindeutig und unterliegen, wie Wikipedia ganz richtig konstatiert, der Kritik. Der Begriff nimmt gleichsam eine Bewertung vor, denn dasjenige, was als extrem(istisch) herausgestellt wird, wird damit zugleich als eine Gefährdung der so indirekt als gesunde Normalität postulierte politische Mitte vom äußeren Rand her gegenübergestellt.
Damit stellt sich die Frage: Was ist die Mitte? Diese kann von den Personen oder der Sache her bestimmt werden. Wenn alle auf einer sachlich möglichen Skala von 0 bis 100 sich zwischen 0 und 10 bewegen, dann wäre die Mitte in Bezug auf die Personen irgendwo um 5 herum, bezogen aber auf die sachlich möglichen Positionen bei 50.
Seit den 1970er Jahren grenzt der deutsche Verfassungsschutz den Begriff Rechtsextremismus wie folgt von dem des Rechtsradikalismus ab: Rechtsextremistisch sind verfassungsfeindliche, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Inhalte und Aktivitäten. Rechtsradikal ist dagegen eine legitime radikale Kritik an einer bestehenden Gesellschaftsordnung, die auf Veränderungen abzielt, die im Spektrum der freiheitlich-demokratischen Grundordnung liegen. Der Bezugspunkt ist hier also unser Grundgesetz und hier insbesondere dessen Kernbestand.
Was sind nun typische Merkmale des Rechtsextremismus? Ich habe im folgenden versucht, ganz wesentliche Kennzeichen und Kriterien herauszuarbeiten, die eine rechtsextremistische Gesinnung ausmachen. Und wer eine solche rechtsextremistische Gesinnung hat, der ist ein Rechtsextremist, auch wenn er keine Verbrechen begeht. Wenn einer jemanden wegen seiner rechtsextremistischen Gesinnung umbringt, dann wird er nicht erst in dem Moment, da er den Mord begeht, zum Rechtsextremisten. Das war er schon zuvor. Die Tat und das Motiv zu dieser legen nur die Gesinnung, die vorher schon da war, offen. Die meisten Rechtsextremisten begehen natürlich keine derart motivierten Morde, aber sie tragen eine entsprechende Gesinnung in sich. Und das macht sie zu Rechtsextremisten. Hier nun typische Merkmale einer solchen Gesinnung.
Typische Merkmale des Rechtsextremismus
- Sehr starke Betonung der ethnischen Zugehörigkeit ==> Huldigung der „Volksgemeinschaft“, rekurrieren auf gemeinsames kulturelles oder biologisches Erbe und bisweilen die Behauptung einer Vormachtstellung der eigenen Rasse, der Volks- oder Religionsgemeinschaft. ==> Widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, mithin unserer Verfassung und den universalen Menschenrechten.
- Negierung der universalen Gleichberechtigung aller Menschen. Dies kann soweit gehen, dass Sklaverei befürwortet wird (wird in der islamischen Weltanschauung bis heute in keiner einzigen maßgeblichen Fatwa geächtet) oder sogar die Ausrottung von anderen Ethnien, Rassen, Völkern gut geheißen wird. ==> Auch das widerspricht dem Grundgesetz, ist verfassungswidriges Denken.
- Ausgeprägter Anti-Liberalismus: Meinungen und Verhaltensweisen, welche nicht den Idealen der Rechtsextremisten entsprechen, haben in einem von ihnen gelenkten Staat keinerlei Entfaltungsmöglichkeit, keinen Schutz, sondern werden im Gegenteil systematisch unterdrückt. Es gibt keine oder nur eine eingeschränkte Rede-, Presse-, Informations-, Forschungs-, Kunst- und Religionsfreiheit, freie Partnerwahl, freie Berufswahl etc. ==> Auch das ist verfassungswidrig.
- Anti-individualistisch: Ausrichtung am Kollektiv und der jeweiligen Kultur, nicht an dem einzelnen Menschen in seiner Einzigartigkeit: „Du bist nichts, dein Volk / deine Kultur ist alles.“
- Anti-pluralistisches (uniformes), autoritär geprägtes Gesellschaftsverständnis mit starkem Wunsch nach Einigkeit, Zucht und Ordnung. ==> verfassungswidrig
- Anti-aufklärerisch: mehr gefühlsbetont als rational, eher rückwärtsgewandt als fortschrittsgläubig, eher verdunkelnd als erhellend.
- Rekurrieren auf die germanisch-heidnische Vergangenheit, die romantisierend als „unverfälschte Kultur“ gefeiert wird (oder eben eine andere vergleichbare Vergangenheit, die völlig verklärend dargestellt wird, zum Beispiel die Zeit des Propheten) ==> Fortschritts-Ressentiment.
- Häufig auch: Ablehnung des Christentums als einem „jüdischen Kulturelement“.
- Besonders beliebt bei Rechtsextremisten ist der Mythos von einer „Verschwörung des Weltjudentums“.
- Generell besteht eine starke Neigung zu Verschwörungsmythen statt rationaler Analyse, oft auch esoterisches Denken (hohle oder flache Erde, Aliens, „Germanische Neue Medizin“ …), Glaube an übersinnliche Erleuchtung, Geheimwissen, in ihren Schriften oft anti-aufklärerische Erklärungsmuster mit kruden Weltverschwörungsideologien.
- Geschichtsrevisionismus: Versuche, ein wissenschaftlich, politisch und gesellschaftlich anerkanntes Geschichtsbild zu revidieren, indem bestimmte Ereignisse wesentlich anders als in der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft dargestellt, erklärt und gedeutet oder schlicht geleugnet werden, so zum Beispiel der Holocaust, ein von den Vorfahren begangener Völkermord (Türkei) oder dass diese über 1300 Jahre Sklaverei betrieben und ihre gesamte Kultur darauf beruhte (Islam).
- Anti-Amerikanismus
- Teilweise wenig kritische Distanz zum Nationalsozialismus, oft sogar eine Affinität dazu, bis hin zur Hitlerverehrung.
- Dogmatismus und ausgeprägtes Schwarz-Weiß-Denken, kaum entwickelte Fähigkeit in Schattierungen, Abstufungen, Nuancen oder komplexeren Zusammenhängen zu denken.
- Hohe Gewaltlatenz und Gewaltakzeptanz: bei Hitler und der NS-Ideologie das Gewaltprinzip. Der Stärkere überlebt, der Schwächere ist zum Untergang bestimmt. Das Recht des Stärkeren wird als natürliches Mittel der Selektion propagiert. Eine tolerante oder gar allgemein wohlwollende Moral, zumal die christliche mit ihrem allgemeinen Liebesgebot, hindert dabei nur. Krieg ist das ganz natürliche Mittel der Selektion auf breiter Ebene. Die Unterdrückung der Schwächeren ist das natürliche Recht des Stärkeren. ==> klar verfassungswidrig
Dies soll keine abschließende Aufzählung sein und natürlich sind selten alle 15 Merkmale zugleich anzutreffen, aber diese Kriterien dürften doch einen ganz guten Eindruck geben, was so in etwa typisch rechtsextrem ist, und sie zeigen wohl, wie sehr dies unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung widerspricht. Ich empfehle übrigens, diese Merkmale auch auf außereuropäische, sowohl politische wie auch religiös-politische Weltanschauungen anzuwenden. Man könnte unter Umständen überrascht sein, wie sehr sie auch dort zutreffen.
Woraus sich der Rechtsextremismus derzeit speist und wie ihm sinnvoll begegnet werden kann
Wenn nun eine Gesellschaft es über Jahre und Jahrzehnte hinweg übertreibt mit der Toleranz, sogar Dinge duldet, die man auf keinen Fall dulden darf, dagegen nicht konsequent vorgeht, Straftäter, vor allem Gewaltverbrecher, viel zu milde bestraft oder immer wieder mit Bewährung davonkommen lässt, sich nach außen und auch im Innern nicht schützt, wie jedes Lebewesen, jeder lebende Organismus dies rein aus Selbsterhalt schon tut, sondern sich gleichsam überrennen lässt, mithin seine Souveränität aufgibt, die Staatsorgane sich allmählich der Lächerlichkeit preisgeben gegen organisierte Kriminalität oder schlicht hemmungslose Gewaltmenschen, die nur eine Sprache verstehen und über unseren Rechtsstaat und die staatlichen Organe nur lachen können, wenn Einheimische bei Fehlverhalten anders behandelt werden also solche, die man aus Menschenliebe oder extrem ausgeprägten Wohlwollen bei sich aufgenommen hat, und zwar nicht besser behandelt als die Fremden, sondern schlechter – in ihrem eigenen Land, in ihrer eigenen Heimat (!) -, dann führt das meist dazu, dass immer größere Teile der Gesellschaft sich nach der starken Hand sehnen, die dem endlich ein Ende setzt und die Dinge wieder ins Lot bringt.
So jedenfalls das Gefühl, das sich dann einstellt und mit der Zeit immer stärker wird, je länger dieser untragbare Zustand anhält, der als ungerecht empfunden wird und es auch ist, der letztlich in die eigene Selbstzerstörung führt. Und welcher vernünftige Mensch hat schon Lust, dass das Seine sich selbst zerstört? Dabei wird natürlich von denen, die so empfinden, übersehen, was passiert, wenn sie später selbst in die Fänge dieser starken Hand geraten, die sich nicht an rechtsstaatliche Prinzipien und das Gebot der Fairness jedem gegenüber hält. So entsteht die Gefahr eines Rechtsrucks, der dann viel zu weit geht. Kluge Politik würde das erkennen und würde reagieren, würde sagen: „Wir haben große Fehler gemacht, die wir unbedingt schnellstmöglich korrigieren müssen. So können, so dürfen wir nicht weitermachen.“
Damit wäre auch das Thema des Rechtsextremismus sofort wieder vom Tisch, denn letztlich sehnen sie die meisten, die mit der gegenwärtigen Situation vollkommen unzufrieden sind, genau danach. Der Rechtsextremismus ist mithin eine falsche Antwort, eine völlig falsche auf ein berechtigtes, ja mehr noch: auf ein richtiges Anliegen, denn die Menschen liegen mit ihrem Gefühl, dass hier etwas völlig aus dem Lot geraten ist, vollkommen richtig. Das gilt es zu a) zu erkennen und b) dementsprechend zu handeln.
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