Von Jürgen Fritz, So. 11. Okt 2020, Titelbild: Roland Garros-Screenshots
Kein Match gab es in der Geschichte des Tennissports bei einem Herren-Profi-Turnier so häufig wie dieses. Niemals standen sich zwei Spieler öfter in einem Grand-Slam-Finale gegenüber als diese beiden: Novak Djokovic und Rafael Nadal, die aktuelle Nr. 1 der Welt gegen die Nr. 2, der dritterfolgreichste Spieler aller Zeiten gegen den zweiterfolgreichsten. Und beide sind mit dieser Platzierung hinter Federer noch nicht zufrieden. Beide wollen mehr.
Zum neunten Mal treffen Nadal und Djokovic in einem Grand Slam-Finale aufeinander – Weltrekord!
Die Turnierveranstalter hätte sich wohl zum Abschluss des 119. Tournoi de Roland Garros keinen besseren Höhepunkt wünschen können. Es kommt zum 56. Aufeinandertreffen zwei der drei größten Spieler aller Zeiten. Keine zwei Spieler trafen bei professionellen Herren-Turnieren so oft aufeinander wie Novak Djokovic und Rafael Nadal. Bisherige Bilanz: 29:26 für Djokovic. Doch diese Gesamtbilanz gilt es gleich etwas genauer und differenzierter zu betrachten. Es ist zugleich ihr achtes Aufeinandertreffen in Roland Garros. Bilanz hier: 6:1 für Nadal. Und es ist das neunte Grand Slam-Finale, das diese beiden bestreiten. Auch dies ein historischer Weltrekord. Nur die Partie Federer – Nadal gab es im Finale eines Grand Slam-Turniers genau so oft:
Die häufigsten Grand Slam-Finals in der Open Era seit 1968
- Nadal – Djokovic: 9, neue Bilanz: 5-4 für Nadal
- Nadal – Federer: 9, Bilanz: 6-3 für Nadal
- Djokovic – Murray: 7, Bilanz: 5-2 für Djokovic
- Wilander – Lendl: 5, Bilanz: 3-2 für Wilander
- Sampras – Agassi: 5, Bilanz: 4-1 für Sampras
- Djokovic – Federer: 5, Bilanz: 4-1 für Djokovic
Kann Nadal zu Federer aufschließen mit 20 A-Titeln oder holt Djokovic seinen zweiten Career-Grand Slam?
Sollte Rafael Nadal heute das Endspiel der French Open gewinnen, so würde er damit seinen eigenen Weltrekord von 12 Siegen bei einem Grand Slam Turnieren brechen und zugleich in der ewigen Rangliste der Grand Slam-Titel auf 20 erhöhen und damit mit dem führenden Roger Federer gleichziehen. Sollte Novak Djokovic gewinnen, so wäre das sein 18. A-Titel und er würde er in dieser wichtigsten aller Rubriken im Tennissport zum einen ganz nah Federer und Nadal heranrücken und wäre zugleich der Einzige in der Open Era, der jedes Grand Slam-Turnier mindestens zweimal gewonnen hat. Das schafften trotz vieler Anläufe nicht einmal Federer und Nadal.
Nunmehr die meisten Grand Slam-Titel (Australian Open – Roland Garros – Wimbledon – US Open):
- Roger Federer: 20 (6 + 1 + 8 + 5)
- Rafael Nadal: 20 (1 + 13 + 2 + 4)
- Novak Djokovic: 17 (8 + 1 + 5 + 3)
- Pete Sampras: 14 (2 + 0 + 7 + 5)
- Roy Emerson: 12 (6 + 2 + 2 + 2, diese aber alle von 1961-1967, also vor der 1968 beginnenden Open Era, als die spielstärkeren Profis, noch nicht spielberechtigt waren)
Djokovic und Nadal bestreiten ihr 27. Endspiel gegeneinander – Weltrekord!
Von den bisherigen 55 Begegnungen zwischen Nadal und Djokovic fanden 26 im Finale eines Profi-Heren-Turniers statt. Ihre 56. Begegnung ist also zugleich ihr 27. Endspiel gegeneinander. Auch das ein einmaliger Weltrekord.
- Djokovic – Nadal: 27, neue Bilanz: 15-12 für Djokovic
- Nadal – Federer: 24, Bilanz: 14-10 für Nadal
- Djokovic – Federer: 20, Bilanz: 14-6 für Djokovic
- Djokovic – Murray: 19, Bilanz: 11-8 für Djokovic
- Lendl – McEnroe: 17, Bilanz: 10-7 für Lendl
In der Gesamtbilanz zwischen Djokovic und Nadal steht es nun 29-27 für den Serben. Die Begegnungen sollte man aber nach mindestens zwei, wenn nicht drei Kriterien unterscheiden: a) dem Zeitpunkt und b) dem Untergrund, auf dem die Paarung stattfand und c) ob es ATP- (B, C, D) oder Grand Slam-Turniere (A) waren. Da zeigen sich nämlich entscheidende Unterschiede.
Gesamtbilanz Djokovic – Nadal: 29-27
Bis 2010 war Nadal der klar stärkere Spieler, gewann von den 23 Begegnungen 16 (70 Prozent), hatte also eine 16:7- Bilanz gegen den Djoker. 2011 machte dieser mit nun 24 Jahren (Nadal war 25) aber einen enormen spielerischen Entwicklungssprung und war nun insgesamt der bessere Spieler, gewann die nächsten sieben Matches 2011 bis Anfang 2012 alle. Die Bilanz der beiden seit 2011 sah nun vor allem bis 2016 völlig anders aus. Nun gewann Nole 19 der 26 Begegnungen (73 Prozent). Seit 2017 führt nun aber wieder Nadal mit nunmehr 4:3.
- 2006-2010: 16-7 für Nadal
- 2011-2016: 19-7 für Djokovic
- 2017-2020: 4-3 für Nadal
Noch interessanter wird es, wenn wir uns die Resultate je nach Untergrund betrachten (in Klammer jeweils aufgeschlüsselt in die drei Phasen: 2006-2010, 2011-2016, 2017-2020):
- auf Hartplatz: 20-7 (7-5, 11-2, 2-0) für Djokovic
- auf Sand: 18-7 (9-0, 5-7, 4-0) für Nadal
- auf Rasen: 2-2 (0-2, 1-0, 1-0 aus der Sicht von Djokovic)
Auf Hartplatz ist also Djokovic der klar bessere Spieler, vor allem seit 2011. In den letzten zehn Jahren verlor er hier von 15 Begegnungen nur zwei gegen Nadal (Bilanz 13-2). Dieser ist aber auf Sand der klar bessere Spieler. Vor 2011 gewann Djokovic hier niemals ein Match gegen den Sandkönig (0-9). Zwischen 2011 und 2016 gewann er dann aber sogar mehr Begegnungen gegen Rafa als dieser, nämlich 7 von 12 (7-5). Seit 2017 gewann dann wieder Rafa alle vier Begegnungen auf der roten Asche.
Doch wie sieht es bei Grand Slam-Turnieren aus? Wer gewann hier öfters im direkten Duell? Hier lautet die Bilanz 10-6 für Nadal:
- 2006-2010: 5-0 für Nadal
- 2010-2016: 4-4
- 2017-2020: 2-1 für Djokovic
Nun aber die wichtigste Frage für heute: Wie gingen die bisherigen sieben Begegnungen in Roland Garros aus?
Die beiden Spieler mit den meisten gewonnenen Matches in Roland Garros in der Open Era
Dass Djokovic Rafa seit 2011 auch auf Sand schlagen kann, ist klar. In den letzten zehn Jahren konnte der Djoker sieben der 15 Duelle auf Clay für sich entscheiden, ist hier also nahezu ebenbürtig. Zwischen 2011 und 2016 war er hier sogar etwas stärker. Seither hat Rafa wieder die Nase vorn. Sandplatz-Match ist aber wiederum nicht Sandplatz-Match. Denn in Roland Garros wird nicht wie bei fast allen Turnieren über zwei, sondern über drei Gewinnsätze (best of five) gespielt. Und es ist ein Unterschied, Rafa in best of three oder in best of five zu besiegen, zumal in Paris, auf das die gesamte Planung von Nadal immer zuläuft. Auf dieses Turnier legt er sein Hauptaugenmerk.
Und in den letzten 15 Jahren gab es nur zwei Spieler, die ihn hier in 101 Partien besiegen konnten: Robin Soderling 2009 im Achtelfinale, als es Rafa psychisch (seine Eltern trennten sich gerade) und physisch (Knieprobleme) nicht sehr gut ging, und dann 2015 Novak Djokovic im Viertelfinale, als Rafa seine erste große Schwächephase hatte und das erste mal seit zehn Jahren in einem Kalenderjahr kein Grand Slam-Turnier gewinnen konnte. Fünfzehnmal trat er bislang in Paris an und zwölfmal gewann er das Turnier (2016 konnte er zu seinem Drittrundenmatch verletzungsbedingt nicht antreten). Seine Roland Garros-Bilanz lautet bisher: 99-2. Rafa ist der mit großem Abstand beste Sandplatz- und beste French Open-Spieler aller Zeiten.
Was aber viele nicht wissen: Es ist nicht Björn Borg, Ivan Lendl oder Guillermo Vilas, auch nicht Roger Federer, der die zweitmeisten Siege in Roland Garros errang, sondern Novak Djokovic. Seine French Open-Bilanz ist ebenfalls phänomenal gut: 75-14.
Die Spieler mit den meisten Siegen in Roland Garros nach dem Finale 2020:
- Rafael Nadal: 100-2
- Novak Djokovic: 75-15
- Roger Federer: 70-17
- Guillermo Vilas: 58-17
- Ivan Lendl: 53-12
- Björn Borg: 49-2
- Mats Wilander: 47-9
French Open-Bilanz: nun 7-1 für Nadal
Djokovic und Federer hatten das Pech, immer wieder gegen Rafa antreten zu müssen in Roland Garros. Sechs der 14 Niederlagen von Nole waren solche gegen Nadal. Und damit sind wir beim vielleicht wichtigsten Faktum von allen. Sieben mal trafen Rafa und der Djoker bei den French Open aufeinander und sechs der sieben Duelle gewann Nadal:
- 2006 im Viertelfinal: 6:4, 6:4, Djokovic-Aufgabe, Sieg für Nadal
- 2007 im Halbfinale: 7:5, 6:4, 6:2 für Nadal
- 2008 im Halbfinale: 6:4, 6:2, 7:6 für Nadal
- 2012 im Finale: 6:4, 6:3, 2:6, 7:5 für Nadal
- 2013 im Halbfinale: 6:4, 3:6, 6:1, 6:7, 9:7 für Nadal
- 2014 im Finale: 3:6, 7:5, 6:2, 6:4 für Nadal
- 2015 im Viertelfinale: 7:5, 6:3, 6:1 für Djokovic
- 2020 im Finale: 6:0, 6:2, 7:5 für Nadal
Der derzeit beste Spieler der Welt gegen den besten Sandspieler aller Zeiten auf seinem Platz
Djokovic ist in dieser Saison wieder einmal der alles überragende Spieler mit schon jetzt fünf Turniersiegen (CACBB), darunter der Sieg bei den Australian Open-Sieg Februar. Hätte die COVID-19-Pandemie den Serben von Anfang März bis Mitte August nicht gestoppt, hätte er die womöglich beste Saison aller Zeiten spielen können. Seine Match-Bilanz dieses Jahr lautet: 37-1. Und die eine Niederlage stammt aus der Disqualifikation bei den US Open gegen Carreno Busta gegen Ende des ersten Satzes, als er zwar mit Break 5:6 zurücklag, aber das hätte er sicherlich noch drehen könnten, wäre er nicht disqualifiziert worden. Wenn irgendjemand den Djoker und derzeit weltbesten Spieler im Moment besiegen kann, dann am ehesten Rafa auf Sand in Roland Garros in einem Match best of five.
Nadal hat dieses Jahr nur ein C-Turnier im Februar gewonnen. Bei Cincy-Tennis im August und den US Open, wo er Titelverteidiger war, trat er wegen der Pandemie, weil er nicht nach New York reisen wollte, nicht an. Und in Rom (B) verlor er sehr überraschend im Viertelfinale gegen Schwartzman. Seine Match-Bilanz dieses Jahr: 21-4.
Im Verlauf des Turniers sind beide ohne Satzverlust mit einer 12:0-Satzbilanz ins Viertelfinale eingezogen. Dort zeigte Djokovic zu Beginn des Matches gegen Carreno Busta deutliche Schwächen, hatte offensichtlich Probleme mit seinem Nacken und linken Arm und verlor den ersten Satz. Dann wurde er jedoch ab dem zweiten Satz immer stärker und gewann das Match doch noch sehr souverän in vier Sätzen. Im Halbfinale am Freitag lag er gegen Tsitsipas schon mit 6:3, 6:2, 5:4 vorne und schlug zum Matchgewinn auf, hatte sogar Matchball. Diesen vergab er jedoch, verlor den Satz noch mit 5:7, verlor sogar fünf Games in Folge. Auch den vierten Satz verlor er mit 4:6 und musste in den fünften, den er dann aber wieder ganz souverän mit 6:1 gewann. Dabei zeigte er sich zwar mit ein paar Schwächen insbesondere ab dem dritten Satz mit der Verwertung von Breakchancen, war aber ungemein konzentriert und fokussiert. Nole ist auch in Paris in absoluter Top-Form. Seine Satzbilanz: 18:3. Die Frage ist: Wird das für Rafa in Roland Garros reichen, so wie 2015, als dieser deutlich schlechter in Form war?
Buchmacher sehen Nadal ca. 59-41 vorne
Nadal marschierte dieses Jahr ohne Satzverlust (!) mit einer 18:0-Satzbilanz, also sechsmal 3:0 ins Finale. Selbst die starken Jannik Sinner im Viertelfinale und Diego Schwartzman im Halbfinale konnten dem Spanier nicht einen einzigen Satz abnehmen. Er ließ in den letzten zwei Runden also weniger Energie als Djokovic. Und der Court Philippe-Chatrier ist einfach sein Platz. Rafa hier zu schlagen, ist wohl das Schwierigste, was es überhaupt gibt im Tennissport. Wenn es einem gelingen kann, dann heute Djokovic. Und wenn jemand im Moment Djokovic überhaupt schlagen kann, dann Nadal in Roland Garros.
Die Buchmacher sehen Nadal mit ca. 59:41 vorne. Fest steht: Dieses Match heute wird auf jeden Fall Geschichte schreiben, entweder so, Djokovic schafft den doppelten Career Grand Slam, oder so: Nadal holt seinen 13. Roland Garros- und 20. Grand Slam-Titel und zieht damit mit Federer gleich. Ich freu mich auf das Match.
A New Chapter
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