Behörden wurden schon vier Tage vor dem Hochwasser gewarnt: monumentales Systemversagen?

Von Jürgen Fritz, Mo. 19. Jul 2021, Titelbild: DW-Screenshot

Bereits vier Tage vor den schweren Unwettern wurden deutsche Behörden gewarnt, zunächst aus dem Ausland, dann von Kachelmannwetter. Doch diese Warnungen kamen bei der Bevölkerung niemals an. Über 160 Menschen mussten sterben. Die britische Hydrologin Hannah Cloke spricht von einem „monumentalen Systemversagen“. Stattdessen labern deutsche Politiker und Journalisten lieber vom Klimawandel.

Deutschland wusste, dass die Fluten kommen würden, aber die Warnungen haben nicht funktioniert

Schon am Samstag, den 10. Juli, gut vier Tage vor der verheerenden Hochwasserkatatrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, hat das europäische Hochwasser-Warnsystem EFAS eine Warnung an deutsche Behörden abgegeben. Das sagte die Professorin für Hydrologie, Hannah Cloke, der britischen Tageszeitung The Times. The Times titelte: Germany knew the floods were coming, but the warnings didn’t work (Deutschland wusste, dass die Fluten kommen würden, aber die Warnungen haben nicht funktioniert). Die Wissenschaftlerin spricht von einem „monumentalen Systemversagen“.

Hannah Cloke ist Professorin für Hydrologie an der University of Reading. Sie wurde 2018 mit der Plinius-Medaille der European Geosciences Union ausgezeichnet und bei den Birthday Honours 2019 zum Officer of the Order of the British Empire ernannt. Sie selbst hat bei der Entwicklung von EFAS mitgewirkt. Cloke zeigte sich bestürzt über fehlende Evakuierungen. „Die Tatsache, dass Menschen nicht evakuiert wurden oder die Warnungen nicht erhalten haben, legen nahe, dass etwas schiefgegangen ist.“ Es sei ein „monumentales Systemversagen“, so Cloke gegenüber The Times.

Alle notwendigen Warnmeldungen der Wetterdienste seien rausgegangen, so Cloke auch gegenüber dem dem ZDF. Doch irgendwo sei „diese Warnkette dann gebrochen, sodass die Meldungen nicht bei den Menschen angekommen sind.“ Es sei unglaublich frustrierend. Schon mehrere Tage vorher konnte man sehen, was bevorsteht.“ Im Jahr 2021 sollte es nicht mehr vorkommen, dass so viele Todesopfer zu beklagen seien. Weiter kritisierte die Hydrologin dass es an einer „bundesweit einheitlichen Herangehensweise an Flutrisiken“ fehle. Es brauche unterschiedliche Flutpläne für verschiedene Szenarien.

Auch Kachelmannwetter und der Deutsche Wetterdienst warnten schon Tage zuvor

Wie die WELT meldet, habe aber nicht nur das europäische Hochwasser-Warnsystem EFAS etliche Tage vor dem Unwetter gewarnt. Auch in Deutschland gab es bereits am Sonntag, den 11. Juli, eine Warnung des privaten Wetterdienstes Kachelmannwetter. Dieser sagte Starkregen, Hochwasser, Überflutungen im Laufe der Woche in Westdeutschland voraus. Andere meteorologische Dienste seien nachgezogen. Am Dienstag, den 13. Juli, habe der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine „Amtliche Gefahrenmeldung“ geschickt, die ziemlich präzise vorhersagte, was in den folgenden zwei Tagen geschehen sollte.

Weiter übt der Chefreporter Wissenschaft der WELT Axel Bojanowski scharfe Kritik an den Wetterberichten der öffentlich-rechtlichen Medien. Diese seien – wie schon vor Extremwettern der vergangenen Jahre – sehr zurückhaltend geblieben. Die ARD-Tagesschau habe am Dienstag, den 13. Juli lediglich lapidar berichtet: „Es bestehen Unwetterwarnungen“, ohne genauer auf mögliche Gefahren einzugehen. Das Heute Journal  habe „kräftigen Dauerregen“ vorausgesagt. „80 Liter pro Quadratmeter“ könnten zusammenkommen, wurde gemeldet, dabei hatte der Deutsche Wetterdienst zuvor korrekterweise örtlich mehr als das Doppelte in Aussicht gestellt.

Das ZDF-Heute Journal weiß am Mittwochabend nicht einmal etwas von einem Unwetter, kennt aber am Donnerstagabend schon genau dessen Ursache: der Klimawandel ist schuld

Das Heute Journal habe selbst noch am Mittwochabend (14. Juli) in seinem Wetterbericht, das Wort „Unwetter“ nicht einmal benutzt, als dieses schon seit Stunden in Gange war. Die Sprecherin habe von „ergiebigem Regen“ geredet, es würde „heftig schütten“. Am nächsten Tag behauptete Claus Kleber dann sofort, die globale Erwärmung würde angeblich hinter dem Wetterereignis stecken, so Bojanowski.

Das heißt, am Mittwochabend, als das Unwetter bereits tobte, das drei, vier Tage vorher schon angekündigt worden war, wusste das ZDF noch immer nichts davon, dass ein solches vorliegt, und am nächsten Tag wusste das ZDF, namentlich Claus Kleber schon genau was dessen Ursache war. Noch Fragen?

Zu suggerieren, das Unwetter wäre ohne Klimawandel wesentlich anders verlaufen oder Klimaschutz würde solche Katastrophen verhindern, ist falsch

Doch diese „Erklärung“ respektive Ausrede kommt auch vielen Politikern sehr gelegen, gestattet es diesen doch zum Einen, ihre Verantwortung auf den „bösen Klimawandel“ abzuschieben (monokausales Denken). Und dies gilt nicht nur für grüne Esoteriker, wie Katrin-Göring Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag, sondern auch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD), den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), den NRW-Ministerpräsidenten und CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet oder Karl Lauterbach (SPD). Dazu Bojanowski:

„Doch zu suggerieren, das Unwetter wäre ohne Klimawandel wesentlich anders verlaufen oder Klimaschutz würde solche Katastrophen verhindern, ist falsch. Die Ausrede dient Politikern zur Entlastung von eigener Verantwortung und nützt den Trittbrettfahrern der Klimakrise.“

Der Verweis auf den Klimawandel sei aber „grob irreführend“. Zwar sei es generell richtig, dass die globale Erwärmung Starkregen wahrscheinlicher mache. Der Deutsche Wetterdienst könne aber noch keine langfristige Zunahme von Extremniederschlag hierzulande feststellen. Es stimme zwar, dass der Klimawandel ein großes Problem darstelle, insbesondere wegen vermehrter Hitze und steigender Meere. Regenmengen wie die letzte Woche hat es in Deutschland aber immer wieder gegeben. Bad Münstereifel, das auch jetzt wieder von Regenmassen verwüstet wurde, habe im Mittelalter zahlreiche ähnliche Desaster erlebt und da gab es sicher noch keinen menschengemachten Klimawandel durch vermehrten Kohlendioxid-Ausstoß.

Die wahnhafte Fixierung auf den Klimawandel bei Journalisten und Politikern

„Deutsche Behörden verfügen über Gefahrenkarten für an Flüssen gelegene Orte“, so der Wissenschaftsreporter weiter. In der Akte „Bewertung des Hochwasserrisikos in Rheinland-Pfalz“ liste das Land Hunderte bedrohte Städte auf, samt Schätzungen möglicher Schäden und betroffener Anwohner nach Starkregen. Bad Neuenahr an der Ahr, das diese Woche verwüstet wurde, konnte der Tabelle zufolge bei Hochwasser mit fünf Millionen Euro Schaden und 3169 geschädigten Menschen rechnen. Dennoch habe sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin, Malu Dreyer (SPD), überrascht gezeigt. Eine solche Katastrophe habe die Region noch nie gesehen. Es gebe nun „keine Zeit mehr zu verlieren beim Klimaschutz“. Dreyers Kommentar verdeutliche „die schreckliche Ignoranz vieler Politiker beim Thema Wettergefahren“ – und ihre völlige fast schon wahnhafte Fixierung auf den Klimawandel, möchte man ergänzen.

Dies betrifft aber nicht nur Die Grünen, die SED-Nachfolgerin und die SPD, sondern auch die CDU und CSU. „Die Berichte sind erschütternd“, kommentierte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). „Wir müssen in der Klimaforschung und in der Energieforschung vorankommen, um den Klimawandel zu stoppen, der solche Extremlagen befördert.“

Das flächendeckende Sirenennetz wurde seit Jahrzehnten nicht weiter gepflegt

Statt sich auf den Katastrophenschutz zu konzentrieren und zu erkennen, dass dieser hier versagt hat und verbessert werden müsse, weisen deutsche Politiker mantraartig auf den Klimawandel, der quasi wie eine „höhere Gewalt“ beschworen wird. Schuld ist der Klimawandel, nicht wir, so das Exkulpationsmuster. Ein funktionierendes ausgebautes Sirenen-System, mit dem die Menschen rechtzeitig gewarnt werden können, gibt es dagegen in Deutschland nicht mehr.

Bis Anfang der 1990er Jahre gab es noch ein flächendeckendes Sirenennetz des Bundes, das ursprünglich die Bevölkerung vor möglichen Luftangriffen warnen sollte. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde dieses Sirenennetz jedoch vom Bund aufgegeben und nicht weiter gepflegt. Die Sirenen wurden den Kommunen zur Übernahme angeboten, die das aber vielfach auch nicht übernahmen. Dabei sind Sirenen auch bei anderen Gefahren, wie eben Unwettern und Hochwassern, noch immer das beste Warnsystem. Denn der Heulton erreicht die Menschen, von jung bis alt, zu jeder Uhrzeit und holt Sie wenn nötig auch aus dem Schlaf, wenn das Handy zum Beispiel auf lautlos geschaltet ist oder in einem anderen Zimmer liegt.

Die globale Erwärmung ist hierzulande kein wissenschaftlich-technisches Thema mehr, sondern Teil eines gesellschaftlichen Kulturkampfes

Statt hier anzusetzen und ein gut funktionierendes Warnsystem von oben nach unten bis in jedes Haus zu organisieren und das mit der Bevölkerung regelmäßig einzuüben, fixiert man sich vollkommen auf den fernen Klimawandel statt die Maßnahmen vor Ort, die man selbst zu hundert Prozent beeinflussen kann. Dazu abschließend nochmals Axel Bojanowski:

„Viele Länder haben ihren Schutz vor Regenfluten verbessert, das belegen Statistiken: Trotz globaler Erwärmung sind sowohl Sturzfluten als auch Flusshochwasser weniger gefährlich als früher. Bezogen auf die zunehmende Bevölkerung, richten Regenfluten global immer weniger Schaden an – viele Länder sind mittlerweile vorbereitet auf Wetterextreme. 

Doch die Klimadebatte in Deutschland erstickt einen konstruktiven Diskurs über Umweltgefahren. Die globale Erwärmung ist hierzulande kein wissenschaftlich-technisches Thema mehr, sondern Teil eines gesellschaftlichen Kulturkampfes. Die Warnung vor dem Klimawandel dient der politischen Einordnung, wer differenziert, wird als Klimaleugner diskreditiert.“

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