Von Annette Heinisch, Mo. 19. Jul 2021, Titelbild: NDR-Screenshot
In der Krise zeige sich der Charakter, hatte Helmut Schmidt einmal gesagt. Schmidt war ein herausragender Krisenmanager, aber er war mehr als das: Er war ein Mann mit Charakter. Dafür wurde er nach nur acht Jahren abgewählt und daraus haben andere gelernt: Du musst dem Zeitgeist folgen. Der Zeitgeist aber ist nicht sachlich, rational fundiertes Handeln, sondern Klimaesoterik, wie Annette Heinisch deutlich macht.
Ein Mann und Politiker mit Charakter
“In der Krise zeigt sich der Charakter, hat der frühere Hamburger Innensenator und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt. Er war der Inbegriff des beherzt zupackenden Regierungschefs. Bei der Sturzflut 1962 in Hamburg durchbrach er Hierarchien und Kompetenzen, um den Bürgerinnen und Bürgern zu helfen. Davon zehrte sein Ruf als unbeugsamer Krisenmanager bis zu seinem Tod.”
Mit diesen Worten beginnt Gabor Steingarts Hauptstadt Briefing vom 17.07.2021. Helmut Schmidt als beherzten Krisenmananger zu bezeichnen, greift allerdings etwas kurz. Das war er, auch später als Bundeskanzler in Zeiten, die alles andere als leicht waren. Aber es ging um mehr als reine Managementfähigkeiten: Er hatte Charakter.
Dies zeigte sich daran, dass er seine berufliche Zukunft riskierte um Menschenleben zu retten. Der Einsatz der Bundeswehr, was nach Sinn und Zweck des Gesetzes zwar in Ordnung, damals aber nach dem Wortlaut verboten war, hätte für ihn als Politiker das Aus bedeuten können. Ja, es war sogar sehr wahrscheinlich, dass es das Ende seiner Karriere sein würde. Das war ihm klar, aber Menschen in Not waren ihm wichtiger. Das ist Charakter.
Diesen zeigte er auch später, er stand zu dem, was er für richtig hielt, auch gegen den Zeitgeist. Der Zeitgeist, befeuert von manchen Politkern und der Presse, fegte ihn jedoch hinweg. Im Volk genoss er hingegen hohes Ansehen. Niemand musste die Bürger Hamburgs aufrufen oder gar zwingen, bei seinem Trauerzug am Straßenrand zu stehen, dass taten sie völlig freiwillig. Sie erwiesen einem Mann die letzte Ehre, der sie seinerseits als Mensch achtete, sie nie verriet. Und heute?
Woran unser Land krankt: an untauglichem Führungspersonal
Politiker haben aus Schmidts Schicksal gelernt, aber das Falsche. Sie lernten, dass man dem Zeitgeist folgen muss, Rückgrat tödlich ist. Deshalb hassen sie jeden, der es hat. Sie lernten auch, dass man sich als „Macher“ produzieren muss. Eine gelungene Inszenierung als Krisenmanager ist wichtig, die richtige Show muss man abziehen, gerade vor der Wahl. Daher ist der politische Katastrophen-Tourismus zwecks Fotoshootings ein Muss. Der kann natürlich auch daneben gehen, wenn ein Witze reißender Bundes- und Ministerpräsident gerade im Foto festgehalten werden, das ist Pech. Immerhin kann man die Katastrophe nutzen, um der eigenen politischen Agenda zum Aufschwung zu verhelfen.
In der Krise zeigt sich der Charakter – genau. Und dass, was derzeit gezeigt wird, finde ich erschreckend. Genau an diesem untauglichen Führungspersonal krankt unser Land.
Natürlich muss man untersuchen, wie man derartige Katastrophen zukünftig ganz oder so weit wie möglich verhindern kann. Wenn aber Politiker angesichts der Opfer und Trümmer zum verstärkten Kampf gegen den Klimawandel aufrufen, ist das zeitlich und inhaltlich komplett deplatziert. Über Versäumnisse und künftige Erfordernisse nachzudenken, ist ausreichend Zeit, wenn die Vermissten gefunden, die zahlreichen Toten begraben und der Schutt weggeräumt worden ist. Aber so viel Anstand haben die Politiker nicht, sie haben es nur eilig ins Fernsehen zu kommen, das window of opportunity für sich und diese Agenda zu nutzen. Sie sind der Anti-Schmidt.
Fragen nach mehr Klimaschutz sind ein Ablenkungsmanöver für Fehlverhalten, u.a. im Katastrophenschutz
Später einmal wird zu fragen sein, warum – wieder einmal – auf eine Katastrophe, die mit Ankündigung kam, nicht oder zumindest nicht angemessen reagiert wurde. Dieses Phänomen gab es bereits bei der Eurokrise, dann bei der Migrationskrise und bei Corona. Nichts davon kam überraschend. Nichts davon war einzigartig, alles schon mal dagewesen. Auf alles hätte man sich vernünftig vorbereiten können.
Gerade Hochwasser ist ein typisches Katstrophenszenario, da dürfte es keinen Toten geben. Wobei der Staat konkret im Bereich der Infrastruktur, die dem Hochwasserschutz dient, unmittelbar eigene Verantwortung trägt. Aus welchem Anlass es zu Hochwasser kommt, ist insoweit ohne Belang. Zu untersuchen dürfte die Frage sein, warum die Warnung des Europäischen Flutwarnsystems EFAS, welche eine Extremwarnung herausgab, ignoriert wurde. Eine derartige Warnung bedeutet Lebensgefahr, fraglich ist also, warum nicht evakuiert wurde. (Responds that no more were evacuated). Wurde überhaupt die Vorwarnstufe des Katastrophenschutzes ausgelöst? Warum wurden nicht vorsorglich die randvollen Talsperren abgelassen?
Es stellen sich zahlreiche Fragen, die nach mehr Klimaschutz sind davon mit Sicherheit nicht vordringlich, höchstens als Ablenkungsmanöver für Fehlverhalten geeignet. Wenn nicht die Bürger untereinander so hilfreich wären, allen voran die Bauern, dann könnte man diese Katastrophe überhaupt nicht in den Griff bekommen. Unbürokratische Hilfe seitens einer Bürokratie wird es nicht geben und stundenlang Zeit, sich mit dem Steuerberater durch Antragsformulare zu wühlen, wird keiner haben. Nicht einmal dann, wenn er den Strom dafür hätte.
Das Manöver, das Klima als Ausrede zu benutzen um von eigenen Fehlern und Versäumnissen abzulenken, wird zunehmend durchschaut
Ein Gutes hat es aber: Immer mehr Menschen entwickeln eine Immunität gegen den ansteckenden Massenwahn, der durch Falschinformation und Manipulation hervorgerufen wird. Die These, der Klimawandel sei am Hochwasser schuld, kommt vielen Anwohnern hochwassergefährdeter Gebiete ohnehin seltsam vor. Sie sehen die markierten Hochwasser-Pegelstände aus Zeiten, in denen es nicht einmal eine verlässliche Temperaturmessung gab, jedenfalls aber Menschen nicht Mengen von CO2 „produzierten“. Wenn Bürger die Aussagen der Politik anhand ihres eigenen, erlebten Umfelds überprüfen können, dann sehen Politiker schnell alt aus.
Zunehmend melden sich auch Wissenschaftler zu Worte, die Fakten von politischer Agenda trennen. Dass es keinen Trend zur erhöhten Häufigkeit von Hochwasser-Ereignissen gibt und auch die gern bemühte Jet-Stream-Theorie wissenschaftlich widerlegt ist, wird nicht nur in sogenannten alternativen Medien veröffentlicht, sondern findet sich hin und wieder – mit großem Zuspruch – sogar in herkömmlichen. Der Beitrag des Chefreporters Wissenschaft der WELT, Axel Bojanowski, der sein geowissenschaftliches Diplom zum Thema Klimaforschung erhielt, hat mit seinem kritischen Bericht Der unappetitliche Klima–Bluff (hinter Bezahlschranke) sehr große Zustimmung erfahren, siehe auch hier: Hochwasserkatastrophe: Folge des Klimawandels?
Das Manöver, das Klima als Ausrede zu benutzen um von eigenen Fehlern und Versäumnissen abzulenken, wird zunehmend durchschaut. Offen bleibt auch, wie ein „Kampf gegen den Klimawandel“, so er denn überhaupt erfolgreich geführt werden kann und nicht nur größenwahnsinnigen Vorstellungen entspricht, den Menschen in den nächsten Dekaden praktisch gegen Starkregenereignisse oder Unwetter helfen sollte.
Die wissenschaftsfernen Klimaesoteriker
Bereits zuvor hatte Bojanowski in einem Beitrag (hinter Bezahlschranke) zutreffend über die Grünen festgestellt: „Sie geben sich als Partei, die der Wissenschaft folgt – dabei stehen die Grünen meist gegen die Forschung. Ihnen ging es noch nie um Wissenschaft, sondern um Staatsdirigismus, Esoterik und den Kampf gegen die Industrie. Einen Corona-Impfstoff hätte es mit den Grünen nicht gegeben.“
Immer noch sind diese faktenbasierten Einwände aber in der Minderheit, die Esoteriker in Rundfunk und Fernsehen, aber auch in vielen Printmedien verbreiten weiterhin Furcht und Schrecken vor dem Klimagott und wundern sich dann, wenn die Nähe der Berichterstattung zur Propaganda thematisiert wird. Ausgewogene und neutrale Berichterstattung sähe allerdings anders aus.
Trotz all dieser gleichlautenden Beschallung werden aber die kritischen Stimmen zunehmend lauter. So wurde kürzlich eine Stellungnahme namhafter Wissenschaftler und Forscher veröffentlicht, wonach die Annahme vom Klima-Retter Elektroauto und die Emissionsberechnung der EU auf einem Rechenfehler basiere. Diese These wurde zuerst in einem wissenschaftlichen Fachartikel veröffentlicht, der – wie es den ethischen Standards der Wissenschaft entspricht – peer reviewed war. Das bedeutet, dass der Artikel von Fachkollegen zuvor einer kritischen Prüfung unterzogen wurde, ob die Thesen ausreichend belegt und die Berechnungen korrekt waren. Anders als bei vielen interessengeleiteten Studien handelt es sich also um eine unabhängige, auf Validität geprüfte Untersuchung. Dennoch wird den Verfassern fast schon reflexhaft Lobbyismus vorgeworfen oder die Stellungnahme als „hochgradig peinlich“ diffamiert.
Andere Stellungnahmen, die ähnlich kritisch sind, werden schlicht verschwiegen. So hat die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt „Eurocontrol“ vor Kurzem eine Studie veröffentlicht, die erläutert, dass der Vorschlag, Kurzstreckenflüge einzustellen, nicht zielführend ist:
“Using exclusive EUROCONTROL aviation data and analysis, we conclude that transportation decarbonisation is more complex than simply planning to shift to rail for travel below 1,000 km. Such a shift, we find, would achieve only limited emissions savings while generating a range of drawbacks including a high total cost.”
(Unter Verwendung exklusiver EUROCONTROL-Luftfahrtdaten und -Analysen kommen wir zu dem Schluss, dass die Dekarbonisierung des Transportwesens komplexer ist als die einfache Planung einer Verlagerung auf die Schiene für Reisen unter 1.000 km. Eine solche Verlagerung, so finden wir, würde nur begrenzte Emissionseinsparungen erzielen und gleichzeitig eine Reihe von Nachteilen, einschließlich hoher Gesamtkosten, verursachen.)
In ihrer ausführlichen Studie beklagen sie ausdrücklich das Fehlen einer Untersuchung dieser Frage auf einem “level playing field“, also bei gleichen Wettbewerbsbedingungen unter Einbeziehung aller Faktoren, nicht nur einseitiger Betrachtung und Gewichtung der politisch gewünschten. Das Fazit ist:
»Overall, therefore, we can conclude that the case for an airrail shift, either on up to 500 km or 500-1,000 km routes, is far from convincing, even if improving the HSR network per se will clearly improve choice and connectivity. In terms of emissions, rail has clear advantages now over air, but new HSR will take decades to put into place – and by that time, aviation decarbonisation will be well underway. It is also important to factor in properly HSR’s far greater socioeconomic and land/biodiversity constraints than air, which studies tend to underestimate massively, and be aware that HSR cannot match the flexibility and connectivity of air, which remains vital to the European economy. However, where rail does have a major role to play is in further developing multimodal solutions – less “plane vs train”, and rather “plane and train”.«
(Insgesamt können wir daher schlussfolgern, dass die Argumente für eine Verlagerung auf die Schiene, entweder auf Strecken bis zu 500 km oder 500-1.000 km, alles andere als überzeugend sind, auch wenn eine Verbesserung des HSR-Netzes an sich die Auswahl und die Konnektivität deutlich verbessern würde. In Bezug auf die Emissionen hat die Schiene jetzt klare Vorteile gegenüber dem Flugzeug, aber es wird Jahrzehnte dauern, bis neue HSR-Strecken eingerichtet sind – und bis dahin wird die Dekarbonisierung des Luftverkehrs weit fortgeschritten sein. Es ist auch wichtig, die im Vergleich zum Luftverkehr weitaus größeren sozioökonomischen und land- bzw. biodiversitätsbedingten Einschränkungen der HGV zu berücksichtigen, die in Studien oft massiv unterschätzt werden, und sich darüber im Klaren zu sein, dass die HGV nicht mit der Flexibilität und Konnektivität des Luftverkehrs mithalten kann, der für die europäische Wirtschaft nach wie vor lebenswichtig ist. Wo die Schiene jedoch eine wichtige Rolle zu spielen hat, ist bei der weiteren Entwicklung multimodaler Lösungen – weniger „Flugzeug gegen Zug“, sondern eher „Flugzeug und Zug“.)
Sachlich und rational fundierte Entscheidungen versus Durchsetzung einer politischen Agenda
Die entscheidende Frage ist, ob es um die Sache geht oder nur die Durchsetzung einer politischen Agenda. Wer sachlich-fachlich optimale Entscheidungen treffen will, prüft alle, auch (oder gerade) divergierende Ansichten. Wer nur seine politische Agenda eines ausufernden Staatsdirigismus durchsetzen will, holt Ethik- oder ähnliche Kommissionen und benutzt deren Aussagen und wissenschaftliche Reputation zur Durchsetzung der politischen Ziele, wie es bei der Energiewende geschehen ist.
Die damalige Kommission ist nun allerdings unter Druck geraten. Ihr Vorgehen genügte gerade nicht wissenschaftlichen Standards, wie Prof. André Thess (Ombudsmann für die gute wissenschaftliche Praxis am Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie Direktor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik und Inhaber des Lehrstuhls für Energiespeicherung) in einem Offenen Brief bemängelte.
Dennoch wurde damit die politische Entscheidung als fachlich richtig quasi abgesegnet, die wissenschaftliche Kritik daran wurde ebenso beschwiegen wie die Studie von Eurocontrol. Womöglich wird nun wieder geplant, mit Hilfe einer Kommission eine pseudo-wissenschaftliche Absicherung der weitgehenden Zerstörung der deutschen Industrie und damit der Lebensgrundlage unseres Landes voran zu treiben.
Dass in solchen Zeiten Verschwörungstheorien (oder vielleicht besser: Verschwörungsideologien respektive Verschwörungsmythen) Hochkonjunktur haben, wundert nicht. Die Bürger suchen verzweifelt nach einer irgendwie vernünftigen Erklärung, warum der Wahnsinn galoppiert, unser Land so gezielt und konsequent kaputt gemacht werden soll. Eine Verschwörung ist dabei noch die tröstlichste Erklärung. Die anderen Optionen wären noch viel beunruhigender.
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Zur Autorin: Annette Heinisch studierte in Hamburg Rechtswissenschaften, mit dem Schwerpunkt: Internationales Bank- und Währungsrecht sowie Finanzverfassungsrecht. Seit 1991 ist sie als Rechtsanwältin sowie als Beraterin von Entscheidungsträgern vornehmlich im Bereich der KMU tätig.
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