Ehemaliger Kommandant über afghanische Ortskräfte: Innerlich verachten uns diese Menschen

Von Jürgen Fritz, Fr. 27. Aug 2021, Titelbild: ZDF-Screenshot

Die FAZ veröffentlichte gestern einen Leserbrief von Dr. Thomas Sarholz, der 2005/2006 Kommandant von Camp Warehouse in Kabul war. Sein Urteil über die afghanischen Ortskräfte fällt etwas anders aus, als das, was üblicherweise in den M-Medien verbreitet wird: „Es lohnte sich, für uns zu arbeiten“, so der Oberst a.D. Aber „innerlich verachten uns diese Menschen, was sie aus nachzuvollziehenden Gründen natürlich nie zugeben werden.“

„Es lohnte sich, für uns zu arbeiten“

Dr. Thomas Sarholz gehört zu den Soldaten der Bundeswehr, die in Afghanistan eingesetzt waren. 2005/2006 war er im Dienstgrad  eines Oberst, im 9. und beginnenden 10. Deutschen Einsatzkontingent Kommandant von Camp Warehouse in Kabul, des damals größten internationalen Camps mit ungefähr 2.400 Soldaten aus mehr als 20 Nationen.

„Was die Ortskräfte angeht, so habe ich einen anderen Zugang als der, der üblicherweise in den Medien verbreitet wird“, schreibt Dr. Thomas Sarholz in seinem Leserbrief. Als Kommandant von Camp Warehouse habe er einige Ortskräfte gehabt. Diese jungen Männer (bei Radio Andernach habe es sogar einige Afghaninnen gegeben) hätten die Situation in der sie umgebenden Gesellschaft haargenau gekannt. Selbstlosigkeit sei das Letzte gewesen, was diese Leute angetrieben habe, „um für uns zu arbeiten“. Diese romantisch-idealisierenden Vorstellungen seien dort unbekannt beziehungsweise stießen dort auf völliges Unverständnis. Das Leben in Afghanistan sei viel zu hart, um sich mit derartigem Wohlstandsgefasel zu beschäftigen.

Unsere Ortskräfte wurden für afghanische Verhältnisse fürstlich entlohnt, gut behandelt und nahmen wie selbstverständlich an unserer ausgezeichneten Mittagsverpflegung teil“, schreibt der Oberst a.D. weiter. Von den Soldaten des deutschen Kontingents seien sie in der Regel bei Kontingentwechseln mit Kleidung, Schuhen und so weiter beschenkt worden. Er selbst habe Dutzende sogenannte Mitnahmebescheinigungen unterschrieben, damit ihnen diese Geschenke bei der Kontrolle an der Wache nicht abgenommen wurden.

„Ein Afghane definiert sich ausschließlich über seine Familien- beziehungsweise Stammeszugehörigkeit“

Es habe sich also gelohnt, „für uns zu arbeiten“. Dies sei selbstverständlich auch ihrer Umgebung bekannt gewesen. „Gehörten sie starken Familien, Stämmen, Clans an, haben auch diese davon profitiert und schützten diese Leute.“ Dabei betont Dr. Sarholz, dass man folgendes wissen müsse: „Ein Afghane definiert sich ausschließlich über seine Familien- beziehungsweise Stammeszugehörigkeit“. Individualismus sei bei Afghanen quasi unbekannt.

Gehörten sie zu schwächeren Gruppen, seien Schutzgeldzahlungen fällig geworden, um nicht umgebracht zu werden. Darüber seien Informationen zu liefern gewesen. Die Taliban oder ähnliche Gruppierungen seien somit bis ins Detail „über unsere Zahl, Ausrüstung, gegebenenfalls sogar über unsere Absichten informiert“.

Seine beiden deutschen Soldaten, die ihn bei der Führung des Camps unterstützt haben, seien entsprechend instruiert und zur Vorsicht bei der Informationsweitergabe ermahnt gewesen. Dass gerade diese Ortskräfte jetzt sämtlich zu uns kommen wollten, überrasche ihn nicht; hatten sie doch einen recht genauen Einblick über unseren Lebensstandard erlangt. „Innerlich verachten uns diese Menschen, was sie aus nachzuvollziehenden Gründen natürlich nie zugeben werden“, so der ehemalige Kommandant wörtlich.

„Sie wollen ja etwas erreichen: den Wohlstandsmagneten Deutschland.“ Er wolle nicht verkennen, dass es Ausnahmen geben möge. „Nur: mir sind sie nicht begegnet. Aber vielleicht war und bin ich ja blind.“ Mit Letzterem befände er sich aber, wenn er sich die Berichterstattung über den Zusammenbruch der durch die westlichen Staaten geförderten politischen Ordnung in Afghanistan betrachte, jedoch in bester Gesellschaft.

Der Leserbrief von Dr. Thomas Sarholz, Oberst a.D.

Es lohnte sich, für uns zu arbeiten

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