Von Jürgen Fritz, Di. 12. Okt 2021, Titelbild: RTL-Screenshots
Seit einer Woche behauptet der Sänger Gil Ofarim, er wäre in einem Leipziger Hotel „beleidigt“ und „angefeindet“ worden. Ein Hotelmitarbeiter hätte ihn beim Einchecken aufgefordert, seine Kette mit Davidstern einzustecken, dann dürfe er einchecken. So die Schilderung des Sängers, die er sofort in einem Video publik machte und später sogar noch dramatisierte. Aber stimmt das wirklich?
Die Schilderung von Ofarim
Gil Ofarim (39) ist ein deutscher Rockmusiker, der sowohl solo als auch als Leadsänger der Bands Zoo Army und Acht auftritt. Außerdem arbeitet er als Schauspieler, Musicaldarsteller, Synchronsprecher und Radiomoderator. Seit Vater ist der berühmte israelische Sänger Abi Ofarim (1937–2018). Gil war wie sein Bruder Tal Ofarim, der ebenfalls Mitglied bei Zoo Army ist, Kandidat bei der bekannten deutschen Musikshow The Voice of Germany.
Gil Ofarim war nun letzte Woche am Montag zu einem Dreh in Leipzig und wollte danach in dem Hotel The Westin Leipzig einchecken. Dort soll sich dann laut Ofarim folgendes zugetragen haben. Es habe auf Grund eines Computerdowns eine Riesenschlange am Counter gegeben. Eine Person nach der anderen wäre nun ihm vorgezogen worden, was Ofarim sofort irgendwie mit dem Tragen eines Davidsterns an einer Kette auf seiner Brust und mit „Antisemitismus in Deutschland“ (genauer: Judenfeindlichkeit) in Verbindung bringt.
Als er dann nach 15 Minuten endlich drangekommen wäre, hätte er gefragt: „Was ist los? Warum werden alle vorgezogen?“ Daraufhin habe der Hotelmanager am Counter, ein Herr W., gesagt: „Um die Schlange zu entzerren.“ Dann hätte „irgendeiner aus der Ecke“ gerufen: „Pack deinen Stern ein!“. Warum jemand das gerufen haben soll, erscheint hier schon etwas seltsam, zumal man den Stern auf der Brust von hinten ja gar nicht sehen konnte und der Zusammenhang völlig unklar ist. Wie sollte denn jemand darauf kommen zu rufen „Pack deinen Stern ein“?
Ofarim behauptet, er sei „wegen einem Davidstern“ „angefeindet“ und „beleidigt“ worden
Daraufhin habe dieser Herr W. vom Hotelmanagement ebenfalls gesagt: „Packen Sie Ihren Stern ein!“. Wenn er ihn einpacke, dürfe er einchecken. Bei dieser Schilderung bricht Ofarim etwas theatralisch fast in Tränen aus, scheint dauernd mit diesen zu ringen und zeigt dann nochmals seinen Davidstern, streckt diesen demonstrativ in die Kamera und beendet sein Video mit den Worten: „Deutschland 2021“.
Später behauptet Ofarin hier in einem Interview mit WELT, er sei in „Deutschland 2021 wegen einer Kette, wegen einem Davidstern“ „angefeindet“ und „beleidigt“ worden. Ihm sei „der Check-in verwehrt“ worden „in einem Hotel, in dem jeden Tag Menschen aus der ganzen Welt einchecken“. Er sei „sprachlos, fassungslos, aber nicht überrascht“, denn so was passiere ihm nicht zum ersten Mal.
Aber in einem Hotel habe er das bisher noch nicht gehabt. Er könne sich nicht vorstellen, dass keiner gehört haben soll, was ihm da Schlimmes angetan wurde, aber „letztendlich war ich da alleine“. Er hätte sich von den anderen Personen „Zivilcourage gewünscht“. Das aber habe „leider nicht stattgefunden“. Gegenüber der dpa sagte Ofarim gestern: „Was mir widerfahren ist, passiert jeden Tag in Deutschland…“.
Sofort kommt es zu Demonstrationen und die Massenmedien stürzen sich auf den Fall
Der Sänger stellt den Sachverhalt also so dar, dass er von dem Hotelmitarbeiter gezielt diskriminiert worden sei, nur weil er eine Kette mit Davidstern als Zeichen seines Judentums offen getragen habe. Und der Hotelmitarbeiter habe ihn sogar deswegen nicht ins Hotel lassen wollen. Ofarims Video wurde seither mehrere Millionen Mal angesehen. Der Vorfall wird sowohl von Ofarim selbst als auch von den Massenmedien derart dargestellt, als sei hier regelrecht ein Schwerverbrechen an dem armen Musiker begangen worden, der das Ganze entsprechend theatralisch darstellt.
Sofort haben sich – ganz anders als bei tätlichen Angriffen auf Juden durch eine bestimmte Community, bei der Juden teilweise tatsächlich zuschwerst misshandelt werden – viele Menschen vor dem Hotel eingefunden, die dort gegen Judenfeindlichkeit demonstrierten. Dabei trugen einige Demonstrierende, bei denen es sich um Hotelmitarbeiter handeln soll, einen Banner, auf dem eine israelische Flagge und Symbole des Islam nebeneinander gedruckt waren, womit sie wohl suggerieren wollten, diese zwei Gruppen würden in Deutschland von „bösen Deutschen“ permanent bedroht und sie „die Guten“ würden sich mit diesen in Deutschland permanent „Verfolgten“ solidarisieren. Dabei ist Ofarim gar kein Israeli, sondern Deutscher, der dies auch einigermaßen obskur fand, dass er quasi mit Israel identifiziert wurde.
Der Hotelmitarbeiter stellt den Sachverhalt deutlich anders dar und hat Strafanzeige gegen Ofarim erstattet wegen Verleumdung
Zwei Hotelmitarbeiter wurden von der Hotelleitung bis zur Klärung des Sachverhalts vorläufig beurlaubt. Bei der Staatsanwaltschaft sei außerdem eine Anzeige eines unbeteiligten Dritten wegen „Volksverhetzung“ gegen den Hotelmitarbeiter eingegangen. Dieser soll zugleich über seinen Instagram-Account bedroht worden sein wegen dieses Vorfalls, obschon noch gar nicht geklärt ist, was dort genau passierte. Dabei schildert der beschuldigte Hotelmitarbeiter die Ereignisse völlig anders als der Sänger und hat bereits Strafanzeige gegen Ofarim erstattet wegen Verleumdung sowie eine Strafanzeige wegen Bedrohung auf seinem Instagram-Account gegen eine andere Person. Von Ofarim, der ankündigte, er wolle ebenfalls Strafanzeige gegen den Hotelmitarbeiter stellen, ist dagegen bis Montag keine solche eingegangen.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte weiter, es lägen keine Erkenntnisse im Zusammenhang mit „rechtsgerichteten und antisemitischen Straftaten“ gegen den beschuldigten Hotelmitarbeiter vor. Auch zu einer von Ofarim in einem Video zu dem Vorfall erwähnten zweiten Person lägen bisher keine weiteren Erkenntnisse vor.
Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärte der Musiker Ofarim dagegen, er bleibe bei seiner Darstellung: „Es war genauso, wie ich es in dem Video gesagt habe, es gab keinen Streit oder Ähnliches.“ Er fände es „beschämend und traurig“, dass er sich nach diesem Vorfall auch noch rechtfertigen und erklären müsse.
Der Hotelkonzern hat eine spezialisierte Anwaltskanzlei mit der internen Untersuchung beauftragt, was tatsächlich passiert ist
Das Westin Hotel Leipzig gehört zu der Hotelmarke der Starwood Hotels & Resorts Worldwide. Sie gehört der 1930 in den USA gegründeten Marriott International. Zu dieser Hotelmarke gehören weltweit etwa 230 Hotels, fünf davon in Deutschland.
Der Konzern hat bereits letzte Woche eine Anwaltkanzlei mit der internen Untersuchung beauftragt. Die Kanzlei sei auf Compliance-Untersuchungen spezialisiert und habe sofort mit den Ermittlungen begonnen, teilte das Hotelmanagement am Freitagabend in Leipzig mit. Dabei würden vorhandenes Datenmaterial und Videoaufzeichnungen ausgewertet sowie Mitarbeiter, Hotelgäste und sonstige Personen, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, interviewt, um eine möglichst objektive Klärung des Vorfalls herbeizuführen.
Die Kanzlei sei nicht weisungsgebunden und werde ihre Erkenntnisse mit Staatsanwaltschaft und Polizei teilen. Der Abschlussbericht und entsprechende Handlungsempfehlungen würden zeitnah erwartet.
Ein Augenzeuge stellt den Sachverhalt völlig anders dar als Ofarim
Nun sagt ein Zeuge des Vorfalls gegenüber RTL, dass es an der Rezeption des Hotels eine lange Schlange gegeben habe, in der sich auch Ofarim befunden habe. Er sei zwar einige Meter von Ofarim entfernt gewesen, so dass er das Gespräch nicht habe hören können, aber diese Schlange habe als Ursache ein technisches Problem gehabt. Alle hätten warten müssen, eben wegen der technischen Probleme.
Bei dem Zeugen handelt es sich um den Maler und Grafiker Günther Rothe. Dieser bereitete seine eigene Ausstellung im Hotel vor, als sich am Empfang lange Schlangen bildeten. Dies aber, so Rothe, wegen eines technischen Problems beim Empfang. Mit in der Schlange dabei sei auch Gil Ofarim gewesen. „Der stand in der Reihe und wollte einchecken. Aber das ging ja nicht, weil etwas vorne kaputt war.“ Dieses technische Problem habe schon eine Weile gedauert. „Ich bin also bestimmt fünfmal durch die Menschen und es wurden nicht weniger“, so der Zeuge.
Zeuge: „Das ist absurd“
Dass der Sänger judenfeindlich antisemitisch beleidigt und dazu aufgefordert wurde, seine Davidstern-Kette zu verbergen, davon habe er nichts mitbekommen. Er sei ca. 15 Meter entfernt gewesen, so dass er zu den Dialogen, die stattgefunden haben, nichts sagen könne. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass Antisemitismus-Vorfälle im Leipziger Hotel möglich wären. „Das ist so absurd. Das kann man überhaupt nicht sagen“, so Günther Rothe.
„Ich wohne in Leipzig, ich habe hier schon viele Veranstaltungen gemacht. Ein top Service, ein top geführtes Haus. Es ist auch praktisch unvorstellbar, dass jemand so etwas als Profi machen würde. Der schadet sich doch selbst und auch seinem Geschäft.“
Vielmehr habe sich der Sänger wegen des technischen Defekts an der Rezeption über die lange Wartezeit echauffiert – offenbar so sehr, dass ihn ein Hotel-Mitarbeiter des Hauses verwies. Auf die Frage, ob Gil Ofarim in der Hotel-Lobby ausgerastet sei, antwortete Rothe: „Das weiß ich nicht, aber zumindest muss er ja etwas gesagt haben, sonst hätte er ja nicht den Verweis bekommen. Das wird wahrscheinlich so sein, dass er sich gefühlt hat, ‚Ich bin der große Star und ich komme sofort dran‘ – das funktionierte aber nicht.“
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