Von Jürgen Fritz, Di. 12. Okt 2021, Titelbild: YouTube-Screenshot
Das Ausmaß der historischen Niederlage der Union werfe laut Friedrich Merz drei Fragen auf: 1. Welche Themen sind die Themen der Union, die ihren Markenkern ausmachen? 2. Wie kommen wir zu neuen Antworten in herausordernden Zeiten? 3. Wie funktioniert in Zukunft die Zusammenarbeit von CDU und CSU? Hierzu kommt ein klare Ansage von Merz Richtung Söder.
Friedrich Merz Richtung Söder: „Das war stillos, respektlos und streckenweise rüpelhaft“
Die Bundestagswahl habe die politische Landschaft in Deutschland verändert, heißt es in der aktuellen MerzMail 64. Das ganze Ausmaß dieser historischen Niederlage der Union dringe erst so langsam ins Bewusstsein. Dabei seien es nicht nur die nackten Zahlen und Prozente, die uns vor Augen stünden, sondern vor allem die strukturellen Verwerfungen, „die uns noch lange beschäftigen dürften“, so Merz. Dabei stünden drei Fragen im Raum, „die wir beantworten müssen, wenn die Union aus CDU und CSU eine Zukunft haben soll“.
„Welche Themen sind unsere Themen?“
„Zuallererst: Was sind eigentlich unsere Themen, die nur wir für eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Deutschland überzeugend beantworten können?“, fragt Merz. „Wir wurden einmal mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik, mit soliden Staatsfinanzen, mit einer ausgleichenden Sozialpolitik, mit innerer und äußerer Sicherheit und mit einem klaren Bekenntnis zu Europa verbunden.“ In keinem dieser Kompetenzfelder liege die Union aber mehr vorn. „Soziale Marktwirtschaft und ein neuer Generationenvertrag könnte unser neuer Markenkern in unsicheren Zeiten werden.“
„Wie kommen wir zu neuen Antworten in herausordernden Zeiten?“
Die Union habe in den letzten Jahren viele Kompromisse gemacht. Der eine oder andere davon sollte „alternativlos“ sein, schreibt Friedrich Merz weiter und fragt: „Aber welche Meinung haben eigentlich unsere Mitglieder zu den Themen unserer Zeit? Wir haben keine innerparteilichen Strukturen der Meinungsbildung mehr.“ Dabei müsste gerade jetzt ein intensiver Diskussionsprozess von unten nach oben stattfinden, der das Potential und das Wissen unserer Mitglieder ausschöpfe. Corona habe uns wie andere auch eingeschränkt, aber es sei noch mehr eine bequeme Ausrede fürs Nichtstun gewesen, meint der CDU-Politiker.
„Wie funktioniert in Zukunft die Zusammenarbeit von CDU und CSU?“
Geklärt werden müsse auch das zukünftige Miteinander von CDU und CSU. Das Jahr 2021 markiere „einen Tiefpunkt unserer Zusammenarbeit und unseres Umgangs miteinander. Wir müssen nicht alle zu jeder Zeit von jeder Entscheidung restlos überzeugt sein.“ Aber so wie in den Wochen vor der Wahl gehe man in einer sich immer noch „bürgerlich“ nennenden Union einfach nicht miteinander um. „Das war stillos, respektlos und streckenweise rüpelhaft“, so Merz wörtlich. „Wir tragen eine Verantwortung, die über unsere Parteien und über einzelne Personen und deren persönliche Machtinteressen“ hinausreiche. Wer das nicht begreife, richte mehr Zerstörung an, als es eine verlorene Bundestagswahl für sich allein vermöge.
Die Arbeit in der Union und zwischen CDU und CSU stehe nun vor einem grundlegenden Neubeginn, so Merz, der mit den Worten schließt: „Hoffentlich verstehen alle die Dimension dieser Herausforderung.“ In einer schweren Niederlage könne auch die Chance eines guten Neubeginns liegen.
Gelbe Karte auch von der Jungen Union gegenüber Söder
Zwei Wochen nach der verlorenen Bundestagswahl bläst Markus Söder inzwischen auch ein erster zarter Gegenwind aus der eigenen Partei entgegen. Bei der Landesversammlung der Jungen Union JU stimmten die Delegierten am Samstag nämlich mit großer Mehrheit dafür, Söders Namen aus einer Passage der Erklärung zu streichen, die der JU-Landesvorstand zur Aufarbeitung der Niederlage bei der Bundestagswahl entworfen hatte. Zu der Abstimmung war es gekommen, weil es Vorbehalte gegenüber Söder gab, er drohe in seiner Partei zur alles dominierenden Figur zu werden. Notwendig sei aber Teamarbeit und keine Ein-Mann-Show, sagte der Delegierte Stefan Meitinger, der unter dem Beifall der Delegierten den Antrag zur Streichung von Söders Namen einbrachte. Dieser sollte ursprünglich wie folgt lauten:
„Es ist Zeit, (…) ein schlagkräftiges, frisches Team hinter unserem starken Zugpferd Markus Söder zu bilden, das glaubhaft die ganze Bandbreite einer Volkspartei abdeckt.“
In der verabschiedeten Fassung fehlte dann aber die Formulierung „hinter unserem starken Zugpferd Markus Söder“. Die Versammlungsleitung hatte noch versucht, einen Kompromissvorschlag vorzulegen, fand aber kein Gehör. „Nein“, scholl es aus dem Saal.
Söders eigene Analyse sah wie folgt aus: Das „eigene Personal“ habe nicht so gezogen, so wie „wir uns das erwartet hatten“. Damit meinte der CSU-Vorsitzende aber offensichtlich nicht sich selbst, sondern die (von ihm ausgesuchten) Listenkandidaten. Ihnen jetzt den Schwarzen Peter zuzuschieben, ist typisch für Söder, und wirkt wenig nobel. Erst eine One-Man-Show zu veranstalten und überall Söder zu plakatieren, um dann, wenn der Erfolg ausbleibt, mit dem Finger auf die Leute in der zweiten und dritten Reihe zu zeigen, sagt wohl viel über Söders Charakter aus.
Und das kam eben auch beim Parteinachwuchs nicht so sehr gut an. Dort hat man wohl ein gutes Gespür für Fairness. Ein Chef, der seine Leute im Regen stehen lässt, um selbst besser auszusehen, muss damit rechnen, dass die Parteifreunde ihm gegenüber genauso verfahren. So kam es dann auch. Es war einst die Junge Union, die Söder den Weg ganz nach oben bereitete. Jetzt hat sich der Wind offenbar zumindest ein wenig gedreht. Und wieder ist es der Parteinachwuchs, der nun Söder als erster die Gelbe Karte zeigt.
Kurze, aber bissige Kritik an Söder kommt auch aus der CDU Schleswig-Holstein und aus der FDP
Ein weiterer scharfe Bemerkung kam aus dem Norden. Andere in ein schlechtes Licht zu stellen, um selbst besser zu glänzen, das habe man in seiner Zeit als Politikwissenschaftler „södern“ genannt, sagte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU).
Weitere Kritik an Söder kam von Seiten der FDP, namentlich von der Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann und auch von dem Vize-Vorsitzendern der FDP Wolfgang Kubicki.
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