Jürgen Fritz Blog

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Djokovics Ausnahmegenehmigung stößt auf heftige Kritik

Von Jürgen Fritz, Mi. 04. Jan 2022, Titelbild: YouTube-Screenshot

Novak Djokovic erhält eine Ausnahmegenehmigung für die Australian Open, darf auch ohne COVID-19-Impfung einreisen und an dem Grand Slam-Turnier teilnehmen. Dies gaben gestern sowohl Djokovic selbst als auch die Turnierleitung bekannt. Doch diese Entscheidung stößt auf teils sehr heftige Kritik.

Novak Djokovic erhält eine Ausnahmegenehmigung für die Australian Open, darf ohne Impfung einreisen

Die Australian Open werden in Melbourne der Hauptstadt des Bundesstaates Victoria im Südosten Australiens ausgetragen, in dem mehr als ein Viertel aller Australier leben. Die Bewohner Melbournes mussten den längsten Lockdown der Welt über sich ergehen lassen, der erst nach 262 Tagen, sprich fast neun Monaten beendet wurde. Die Ansagen der australischen Behörden und des Tennisverbandes waren eigentlich seit Wochen und Monaten sehr klar. Ein Einreise werde es auch für die Tennisspieler, die an den Australian Open teilnehmen, nur dann geben, wenn diese entweder geimpft sind oder nach einer Infektion in den letzten Monaten genesen oder wenn auf Grund ganz bestimmter Erkrankungen eine Impfung nicht möglich ist.

Vor einigen Wochen hatte der stellvertretende Ministerpräsident des Bundesstaates Victoria, James Merlino, nochmals betont, medizinische Ausnahmen seien „kein Schlupfloch für privilegierte Tennisspieler“.

James Merlino

YouTube-Screenshot

Doch nun hieß es gestern in einem Statement der Veranstalter der Australian Open plötzlich: Djokovic hat eine medizinische Ausnahmegenehmigung beantragt, die nach einem strengen Prüfverfahren unter Beteiligung zweier unabhängiger medizinischer Expertengremien erteilt wurde“, hieß es . Darin verwies auch Turnierdirektor Craig Tiley noch einmal auf „faire und unabhängige Protokolle“. Dem möglichen Eindruck, dass ein Promi wie Djokovic Sonderrechte erhalten könnte, traten die Organisatoren entschlossen entgegen.

Djokovic habe sich für eine medizinische Ausnahme beworben, und diese sei nach strenger Überprüfung, an der demnach zwei unabhängige Expertengremien beteiligt waren, erteilt worden. Eins der Gremien sei vom Gesundheitsministerium des Bundesstaates Victoria ernannt.

Tiley verteidigte die Integrität des Ausnahmeverfahrens. Von den circa 3.000 Personen, die zum Tross der Australian Open gehören, hätten 26 Personen (knapp 0,9 Prozent) eine Sondergenehmigung für die Einreise beantragt. Aber nun in rund einer Handvoll Fälle sei den Anträgen stattgegeben worden. „Jeder Person, die die Vorgaben erfüllt hat, wurde die Einreise genehmigt. Niemand wurde besonders begünstigt, es gab keine Sonderbehandlung für Novak“, sagte Craig Tiley.

Allerdings sprach der Turnierdirektor der Australian Open auch deutliche Worte in Richtung Djokovic. Man habe in der Gesellschaft aufgrund der Pandemie zwei schwierige Jahre hinter sich, „für ein paar Antworten wären wir dankbar“. Und dann noch klarer: „Es wäre sehr hilfreich, wenn Novak erklären würde, auf welcher Grundlage er die Ausnahmegenehmigung beantragt und erhalten hat“

Craig Tiley 1

Craig Tiley 2

Craig Tiley 3

Wenig Verständnis für diese Ausnahmeentscheidung bei etlichen Spielern

Viele ungeimpfte Spieler wie der US-Tennisspieler Tennys Sandgren haben dagegen auf einen Antrag verzichtet, da sie sich ein Startrecht nicht erschleichen wollten. Sandgren erklärte NYT-Journalist Ben Rothenberg, keines der nötigen Kriterien hätte auf ihn zugetroffen.

Auch erste Spieler ließen bereits durchblicken, dass der Eindruck schnell von einer Sonderbehandlung entsteht, wenn man von dieser Entscheidung hört. „Ich denke, wenn ich nicht geimpft wäre, würde ich keine Ausnahmegenehmigung erhalten“, sagte der britische Profi Jamie Murray am Rande des ATP Cups in Sydney.

Jamie Murray

YouTube-Screenshot

Und der Australier Alex de Minaur meinte: „Ich finde es einfach sehr interessant. Das ist alles, was ich dazu sage.“

Alex de Minaur

YouTube-Screenshot

Der Kanadier Felix Auger-Aliassime kritisierte die Haltung seiner ungeimpften Kollegen bereits im Dezember im Interview mit dem Portal TennisUpToDate: „Ich verstehe, dass einige Leute glauben, dass es eine persönliche Entscheidung sein sollte“, sagte Auger-Aliassime. „Aber das hat Konsequenzen. Es ist unrealistisch, den Fans zu sagen, dass sie geimpft werden müssen, um uns zu schützen, und die Spieler tun es dann nicht. Das wäre heuchlerisch.“

Der deutsche Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann hat zumindest mit Erstaunen auf die Ausnahmegenehmigung reagiert. „Ich war auch absolut überrascht“, sagte Kohlmann. „Es sind noch viele Fragezeichen da. Hoffentlich werden die in den nächsten Tagen und Wochen bis zum Start beantwortet.“ Er hoffe, „dass da vielleicht ein bisschen Licht reinkommt. Es wäre schon für alle Spieler und alle, die im Tennis arbeiten, interessant zu hören, wie es dazu gekommen ist.“ Dass Djokovic versuche, diese Ausnahmegenehmigung zu bekommen, sei normal. „Aber die Hintergründe wären natürlich schon interessant“, sagte Kohlmann, der derzeit mit dem DTB-Team in Sydney um den ATP Cup spielt und ergänzte: „Es wird ja jetzt schon darüber gesprochen, wie das australische Publikum ihn dann begrüßen wird.“

Teilweise heftige Reaktionen in Australien

Dass ausgerechnet einer der fittesten Sportler der Welt nun eine offenbar auf ihn zutreffende Ausnahmegenehmigung – die zum Schutz der Menschen gedacht ist, die sich nicht impfen lassen können – gefunden hat, nehmen ihm viele Australier übel. Der Vorgang hat Down Under zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Zumal der Serbe schon seit April 2020 als Impfskeptiker oder gar -ablehner aufgefallen war und als Anhänger „alternativer Heilmethoden“ bekannt ist. Eine Aussage zu seinem COVID-19-Impfstatus hatte er stets konsequent verweigert. Dies sei seine Privatsache und gehe die Öffentlichkeit nichts an.

„Regeln sind Regeln – es sei denn, man ist reich und berühmt wie Djokovic“,

schrieb die Zeitung The Age. Novak Djoković wäre gut beraten, seine übliche „herzzerreißende“ Freudenfeier in der Rod Laver Arena zu unterlassen. (…) Eine Stadt, die sechs Lockdowns überstanden habe und in der eine zweifache Impfung die Bedingung für den Zugang zu jedem öffentlichen Gemeinschaftsraum sei, werde es wahrscheinlich nicht gutheißen, dass der führende Impfskeptiker des Tennis durch die VIP-Spur am Flughafen Tullamarine geleitet werde.

Und The West Australian schreibt: Der Djoker habe sich in den Joker verwandelt und sich selbst schamlos die Rolle als Bösewicht zugeteilt, bevor er seinen Versuch startet, die Tenniswelt zu regieren.

Noch härter The Canberra Times:

„Heben Sie die Hand, wenn Sie wirklich überrascht waren, als Novak Djoković eine medizinische Ausnahmegenehmigung für die Australian Open erhalten hat.

Entsetzt vielleicht. Wütend, ja. Frustriert, enttäuscht, angewidert, das Gefühl, als hätten wir alle gerade eine massive Ohrfeige bekommen. (…)“

Es sei traurig für die Bewohner des Landes, denen während dieser Pandemie immer wieder internationale und zwischenstaatliche Reisen verweigert wurden, selbst um ihre sterbenden Lieben zu sehen. Für diejenigen, die von ihren Kindern getrennt wurden oder nicht an der Beerdigung eines engen Freundes oder Familienmitglieds teilnehmen konnten. Leider seien die Regeln anders, wenn Sie ein globaler Sport-Superstar sind, auch wenn Sie keinerlei Respekt vor einem Virus gezeigt haben, das in den letzten zwei Jahren fast 300 Millionen Menschen auf der ganzen Welt infiziert habe.

Der in Australien populäre Arzt Stephen Parnis aus Victoria sagte dazu: 

„Wenn er sich weigert, sich impfen zu lassen, sollte er nicht reingelassen werden.“

Der ehemalige australische Tennisprofi Sam Groth schrieb in einer Kolumne für The Herald Sun:

„Die medizinische Ausnahmegenehmigung für Novak Djoković, damit er die Australian Open spielen kann, ist eine kranke Heuchelei. Seine Teilnahme ist eine Beleidigung für jeden Australier, der wegen Covid durch die Hölle gegangen ist.“

Groth bezeichnete die Ausnahmegenehmigung als

„eine Entscheidung, die jedem Bürger Victorias und Australiens ins Gesicht spuckt“.

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